Grizzly BearShields

Bis 2009 waren Grizzly Bear zwar eine sehr interessante, aber keine zwingend herausragende Indiefolkband aus Brooklyn, die schon zwei Alben veröffentlicht hatte und sich mit wenig berechtigten Animal-Collective-Vergleichen rumschlagen musste. Dann auf einmal lieferten sie mit „Veckatimest“ ein Album ab, auf das sich alle einigen konnten und das mit „Two Weeks“ und „While You Wait For The Others“ zwei Songs für die Ewigkeit enthielt. Dementsprechend folgten Auftritte bei David Letterman und ausgiebiges Touren, wobei Letzteres schon so mancher Band nicht unbedingt gut getan hat.

Auch Grizzly Bear mussten danach erst einmal getrennte Wege gehen und sich um Familie, Freunde oder Soloprojekte kümmern. Nach einem Fehlversuch 2011 in Texas musste die Band erstmal wieder richtig zueinander finden und ging im Januar dieses Jahres ins Studio – diesmal mit Erfolg. Ihr neues Album „Shields“ versammelt zehn Songs und dass es kein „Veckatimest 2.0“ wird, macht schon das eröffnende „Sleeping Ute“ klar. Für Grizzly-Bear-Verhältnisse fängt dieser geradezu mathrockig an, hält harsche Gitarren und ein wenig blubbernde Elektronik bereit, bevor er im letzten Drittel in ruhigere Gefilde driftet und den Weg freimacht für das großartige „Speak In Rounds“. In Verbindung mit dem kurzen Zwischenspiel „Adelma“ und „Yet Again“ gelingt der Band mit diesen vier Stücken ein, auch stilistisch, beeindruckender Einstieg in das Album.

Chris Bear, Ed Droste, Daniel Rossen und Chris Taylor hat es nie an Spielfreude gemangelt, aber „Shields“ hört man die Lust am erneuten Zusammenspiel und am Spielen mit dem Studio an, wenn an fast jeder Ecke akustische Kleinigkeiten zu entdecken sind. War „Veckatimest“ noch über weite Strecken von einem eher introspektiven Sound geprägt, wirkt „Shields“ expressiv und lauter. Zuweilen geht es sogar ausgesprochen rockig zu, am Gitarren-Noise von „Yet Again“, das anfangs wie der klassische Grizzly-Bear-Schluffer daherkommt, oder den shoegazenden Gitarren von „Half Gate“ könnte sich manch Veckatimest-Latte-Macchiato-Fan gehörig verschlucken. Ähnliche Irritationen hatten schon Fleet Foxes in „The Shrine/An Argument“ mit ihrem Ausflug in den Free Jazz evoziert.

Ruhigere Gefilde sind ebenso wie der Harmoniegesang selbstverständlich noch vorhanden, treten aber mitunter beiseite, insgesamt nimmt die Musik mehr Raum ein und der Gesang schwebt nicht mehr unangetastet über allem. Davon profitiert auch zu einem guten Teil Chris Bears Schlagzeug- und Perkussionsspiel, das eine stärkere Präsenz zeigt. Der siebenminütige Schlusssong „Sun In Your Eyes“ stellt die Quintessenz des Albums zur Schau: Langsame, fast meditative Passagen voller Vokalharmonien wechseln sich ab mit intensivierender Dringlichkeit, die am Ende sogar zu einem Sound anschwillt, wie ihn auch Bear In Heaven im Programm haben könnten. „Shields“ ist nicht bloß ein mehr als gelungener „Veckatimest“ Nachfolger, sondern in seiner ausgestellten Schroffheit tatsächlich das bessere Album geworden.

86

Referenzen: Local Natives, Bear In Heaven, Fleet Foxes, Cass McCombs, Akron/Family

Links: Homepage | Facebook | Label

VÖ: 14.09.2012

4 Kommentare zu “Grizzly Bear – Shields”

  1. jens sagt:

    das bessere album? oh man, ich bin so enttäuscht. nur halbgares und bemühtes, keine hits mehr… wasn los mit eurer redaktion?

  2. Gerade das fand ich am letzten Album so enttäuschend, bis auf die zwei, drei Hits war das im Nu wieder vergessen ohne die Intimität der Yellow House-Produktion.

    Das hier zeigt nicht nur (imo auch gelungen realisierte) Ambition im komplexeren Songwriting und Sounddesign, auch kann ich ich mich nicht erinnern, dass Rossen und Droste sich je einander so zum Verwechseln angenähert hätten wie z.B. im zweiten Song, was der gesamten Dynamik der Band zu Gute kommt. Auch die stärkere Bear-Präsenz ist essentiell dafür und hochwillkommen, was der live reißt kam sonst nie auf Platte angemessen rüber.

  3. Ich glaube, wir waren uns in der Redaktion selten so einig. Auch ich finde „Shields“ stärker als den ziemlich überschätzten Vorgänger.

  4. […] dass man es hier schon mit erfahreneren Musikern zutun hat. Bereits gelesene Vergleiche wie „Die Grizzly Bear der Westküste“ sind nicht ganz aus der Luft […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum