Mit „Slaughterhouse“ legt Ty Segall erstmals ein Album mit seiner Liveband im Rücken vor. Unterstützung hat er auch dringend nötig, denn eine Hommage an „Fun House“ der Garage-Rock-Ikonen The Stooges kann man vermutlich unmöglich alleine einspielen.

Wer daran zweifelt, dass der Albumtitel wirklich Programm und Konzept ist, wird vom Opener „Death“ eines Besseren belehrt. Wie Segall sich durch die erste Minute tastet, ist schmerzhaft und anziehend zugleich. Rostiges Feedback, das direkt sämtliche vernarbte Wunden wieder aufreißt, leitet den impulsiven Auftakt ein, der trotz seines tanzbaren Garage Rocks eher eine wütende bis destruktive Grundhaltung innehat – „Evil, evil spacerock“ eben, wie Segall seine Vision für das Album beschreibt.

„Slaughterhouse“ lebt wie auch schon viele der Soloalben Segalls von einem schwer zu fassenden Spannungsfeld zwischen Improvisation und ausgeklügelten Ideen, sowie Rückgriffen auf die Musikgeschichte. Doch zusammen mit seiner Band begibt er sich einen Schritt weiter auf das Hochseil ohne spürbare Absicherung. Wie es sich für einen Schlachthof gehört, dienen die Instrumente nicht mehr nur ihrem ursprünglichen Zweck, sondern verstärken die bedrohliche Atmosphäre. Überrumpelnde Gitarren wie in „Mary Ann“ oder sich aufbäumende Drums wie in „Tell Me What’s Inside Your Heart“ werden in diesen Momenten zu Werkzeugen und Maschinen. Auch Segalls Gesang steht dem in nichts nach und springt dem Hörer wie ein erst gerade scharf geschliffenes Messer entgegen („That’s The Bag I’m In“). Dass mit vertraut eingängigen Klängen zugleich mächtig Staub aufgewirbelt und somit eine Atmosphäre zwischen Himmel und Hölle erzeugt wird, verstärkt diese Wirkung noch einmal.

Selbst hitverdächtige Songs bewegen sich in diesem Muster. „Wave Goodbye“, das bei anderer Interpretation das Zeug zum Soundtrack für den American Dream haben könnte, zuckt kurz bevor es zur Hymne wird zurück und flüchtet sich in fatalistische Noiseklänge. Und wenn selbst die Version von „Diddy Wah Diddy“, der sich schon dutzende wichtiger Bands annahmen, noch mit ungeheurer Zerstörungswut punktet, ist es wie in Stein gemeißelt: „Slaughterhouse“ ist genau das Album, das Segall immer machen wollte und nun mithilfe seiner Band endlich vollenden konnte.

Als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, nimmt das zehnminütige „Fuzz War“ zum Abschluss den Faden der ersten 60 Sekunden wieder auf und bringt „Slaughterhouse“ mit einer ebenso trägen wie langgezogenen Feedback-Orgie zu einem überraschenden Ende. Die Bildgewalt rückt immer weiter in den Hintergund und ist bald nur noch verschwommen zu sehen, während die Tristesse unaufhaltsam näher kommt. Das ist nur konsequent und verstärkt das dunkle Bild, welches das Album zeichnet, entscheidend. Wäre das Attribut „ehrlich“ inzwischen nicht so negativ besetzt, könnte man „Slaughterhouse“ als genau das bezeichnen. Das Album präsentiert sich verschwitzt, roh und bei aller Liveatmosphäre und Improvisationskunst extrem dicht. Und evil ist es sowieso.

82

Label: In The Red

Referenzen: The Stooges, MC5, Sonic Youth, Swans, Black Flag, Suicide, Syd Barrett

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VÖ: 26.06.2012

9 Kommentare zu “Ty Segall Band – Slaughterhouse”

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  2. […] Mit Nü Sensaes mutiger Neuausrichtung bricht „Sundowning“ als Flaggschiff eines Jahrgangs, dem es an begnadeten Krachmachern nicht mangelt, nicht erst zu neuen Ufern auf, es ist bereits dort […]

  3. […] Fuck Buttons, Dirty Three (mit Warren Ellis und Jim White!), Digitalpop-Queen Grimes, die furiose Ty Segall Band, Drone-Mozart Tim Hecker, Deerhoof, Mono, Beak>, Julianna Barwick, Colin Stetson, Zammuto, Why? […]

  4. […] Onlys kommen aus der umtriebigen Psychedelic-Garage-Szene San Franciscos, der auch Thee Oh Sees, Ty Segall oder Sic Alps entstammen und die derzeit eine der interessantesten Strömungen innerhalb der […]

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  7. […] „Hair“ mit White Fence und dem nicht minder herausragenden monolithischen Noisebrocken „Slaughterhouse“ mit seiner Tourband. Die Produktion von „Twins“ wirkt nicht so spleenig, abgedreht wie auf […]

  8. […] selten vermeiden, dazu auch “Ty Segall” zu sagen. Nicht nur spielt Cronin in der Live-Band des Garagerock-Shootingstars mit, sondern brachte mit ihm auch die Split-LP „Reverse Shark […]

  9. […] tatsächlich nach neuem Material? Segall war ja letztes Jahr nicht gerade untätig, drei Alben mit Band, in Kollaboration oder solo hat er 2012 veröffentlicht, dazu eine […]

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