Der Liedschatten (114): Halt ein Schlager

Danyel Gérard: „Butterfly“, Mai – August 1971

Lässt sich von Danyel Gérards größtem Hit „Butterfly“ etwas sagen, das über Offensichtliches hinausgeht?

Da ist Triumph in seinen Augen: Gérard mit ekstatischen Schlagerfans.

„Bah-der-fleih, mei bah-der-fleih“ – er singt es nicht wortwörtlich, aber wir hören es, hören auch das Klatschen und wissen, was von diesem Schlager zu halten ist. Sicher begeisterten sich einige Menschen für solche Lieder, wie sollte es bei einer #1 auch anders sein? Sogar manche Nachgeborenen werden ihn gegenwärtig so mögen, wie ihn einst viele Millionen Käufer mochten. Es gilt dabei: Dass jemand an etwas Gefallen findet, dagegen kann man nichts sagen. Gegen das, woran dieser Mensch Gefallen findet, schon.

„Auf dem Feld blühte weiß der Jasmin“, ja, warum denn nicht gar ein Feld exotischen Jasmins? Der Mensch Gérard war ja kein Bundesbürger, sondern ein für damalige Verhältnisse und eingedenk der lang gelehrten rassischen Dummheiten mittelgroßes feuriges Mysterium: „Gérard wurde als Sohn eines Armeniers und einer Italienerin in Paris geboren, wuchs aber überwiegend in Rio de Janeiro auf.“ (Wikipedia). Da blüht dann der asiatische beziehungsweise welsche Jasmin umso zauberischer, wird ein Wort auf Englisch gesungen, und alles prickelt. Vielleicht auch, weil es dennoch bis auf den Bart an Roy Black (auch Gérard war einst Rock’n’Roller) und andere Klassiker der handwerklich hochwertigen Schnulze aus den 1950ern und 1960ern erinnert. Es kitzelt ein Wind aus der Ferne, und auf ihm fliegt der Schmetterling den Herzen zu, auf sie, mit nicht etwa Gebrüll, sondern Musik. „Jedes Wort von Dir klang wie Musik“, selbstverständlich!

„ (…) Eine Welt voller Poesie, die Zeit blieb für uns steh’n

doch der Abschied kam, ich musste geh’n (…)

Es ist still, nur der Wind singt sein Lied

und ich seh wie ein Vogel dort zieht

er fliegt hoch, hoch über’m Meer ins Sonnenlicht hinein

gerne möcht‘ ich sein Begleiter sein“,

wer da nicht versucht ist, im Takt zu klatschen, weiß zu seinem Glück nichts vom drögen, aber verbindlichen Zauber des Ewiggleichen.

Doch halt! Wir wollen nun nichts weiter von dem sagen, was eh jeder, der Ohren zum Hören hat, feststellen kann. Das würde mich nämlich an eine Plumpheit erinnern, wie sie mir vor bald zehn Jahren in Form der Poetry Slams begegnete. Obwohl ich nicht beweisen kann, dass es dabei noch immer schlimm zugeht, erinnere ich mich an genug Schlechtes, um auf den Nachweis der fortbestehenden Scheußlichkeit nur zu gerne zu verzichten.

gerard_butterflyDiese grausige Art, Gebrauchslyrik oder andere Texte durch Selbstdarsteller statt Schauspieler oder Autoren darbieten zu lassen wurde nicht einfach durch den Hinweis gerechtfertigt, sie sei eben unterhaltsam, nein, sie wurde obendrein noch als Wettbewerb zwischen „Kreativen“ bezeichnet. Trotz deren mäßigem Klamauk schien es mir oft, als würden sie besonderen Wert darauf legen, ihr Tun als dankenswerte Dienstleistung durch Künstler verstanden zu wissen. Dass die vermeintliche Beobachtung der Welt nur aus einer Selbstbetrachtung der eigenen Person im Rahmen üblicher Ansichten bestand, daran wollte sich niemand stören, wenn es nur deftige Metaphern, ekelige Bilder und Androhungen von Gewalttaten, falls dieses und jenes Lied dann noch einmal erklingen würde, gab. Denn ein beliebtes Thema waren neben Frauen mit Kinderwagen und sich unterhaltenden Proletariern ebenfalls ach-so-schlechte Songs, die ja alle hassen würden und sollten, insbesondere Hits aus den 1980ern und eben Schlager.

Deshalb: Ja, „Butterfly“ war und ist fürchterlich und sein Autor tat gut daran, einen Großteil seiner Karriere lang von den Tantiemen dieses immensen Erfolges zu zehren und nur hin und wieder relative Merkwürdigkeiten wie „Sexologie“ oder„Ti-laï-laï-laï“ zu veröffentlichen.

„Ja, die Zeit, die blieb stehen“: Sie wird halt erschrocken sein.

Mehr aber möchte ich dazu heute nicht schreiben, es ist ein Schlager, wie es schon viele in dieser Reihe gab. Über solche habe ich mich an anderer Stelle ausführlicher aufgeregt, werde es demnächst gewiss wieder tun und entlasse deshalb Euch und mich lieber in einen möglichst sonnigen Sonntag.

3 Kommentare zu “Der Liedschatten (114): Halt ein Schlager”

  1. Edgar sagt:

    Großes Lob für die Rubrik, ist für mich der beste Teil der Seite. Lese ich regelmäßig gerne. Weiter so! Sollte man übrigens auf der Startseite etwas prominenter platzieren, sonst droht die Gefahr, dass es ein wenig untergeht.

  2. Hallo Edgar,

    hab vielen Dank! Das freut mich sehr, ich werd‘ mir Mühe geben.

  3. […] angesichts von Schlagern wie neulich „A Song Of Joy“ von Miguel Rios oder Danyel Gerards „Butterfly“ aus den Augen, dass eine Single nicht trotz, sondern gerade im Versuch, ein Hit zu werden, eine […]

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