DJ KozeAmygdala

DJ Koze lässt einen nie im Regen stehen. Er schafft es, dass immer die Sonne scheint und reicht uns noch die Sonnenmilch. Die Füße im Sand, die Hände im Gras, den Kopf in den Wolken, denen es misslingt, am sonst strahlend blauen Himmel nachhaltig für Schatten zu sorgen. Wärme prägt auch das neue Album, das acht Jahre auf sich warten ließ. Die Amygdala hingegen ist der Teil im Hirn, dem man nachsagt, dass neben weiteren Emotionen dort auch die Angst geschürt wird. Wie geht das zusammen?

Wenn Stefan Kozalla eines nicht macht, dann Angst. Hört man sich den Titeltrack seines aktuellen Albums an, dann wickeln schlichter Gesang und klimpernde Sounds schnell ein. Es plätschert, es blubbert, es summt. Und macht den Alltag hypnotisch vergessen. Ob als Teil von Fischmob, International Pony oder im weiteren Alter Ego Adolf Noise – Koze hat vor allem keine Angst vor Genregrenzen oder musikalischen Begegnungen mit anderen Künstlern. Er lässt sich bereichern und entwickelt sich fort. Sind seine Arbeiten als Adolf Noise manchmal durchaus frickelig und verschachtelt, so schafft er als DJ Koze mit seinen Tracks schnell Vertrautheit und Nähe, indem er eingängig sampelt und Zuneigung verteilt.

Mit „Magical Boy“ lässt er seine Computerstimme eine Geschichte erzählen, die auf die Reise mitnimmt, ohne zu schieben. Vielmehr reicht er uns die Hand, begegnet auf Augenhöhe. Nie wird es zu kompliziert, Koze nimmt gerne in den Arm. Stehen andere Elektroniker durchaus auch mal rein auf technische Spielereien, um die Muskeln spielen zu lassen, so ist Koze der Popfather of Electro. Wer ihn live erleben darf, bekommt eher einen Einblick in seine Fähigkeiten, die ihn mehrfach bei Spex zum DJ das Jahres werden ließen. Auf seinem aktuellen Album ist er dem Hörer und seinen Kollaborateuren nahe. Tracks wie „Das Wort“ beginnen minimalistisch, die Stimme des Tocotronic-Sängers Dirk von Lotzow hat genug Raum, um wiedererkennbar zu sein. Sie richtet das Wort an die Hörer und spielt mit ihnen. Und das Wort heißt: Love. Traumwandlerisch nimmt der Track Fahrt auf, erhöht seine Komplexität – und bleibt dabei unglaublich entspannt.

Auf „Amygdala“ wartet Koze hinter jeder Ecke mit einer neuen Welt auf. Der rote Faden ist die Vielfalt, die Diversität, die Eigenständigkeit der einzelnen Segmente. Die Kunst dabei: Das Album zerfällt nicht in seine Einzelteile, sondern hält zusammen, der Kitt zwischen den Tracks ist das Interesse und der Respekt DJ Kozes vor Künstlern aus unterschiedlichsten Genres (Hildegard Knef!, Ada, Matthew Dear, Milosh), die ihn auf „Amygdala“ unterstützen. Er hat Feingefühl für die Individuen, die er hier vereint. Der vorab veröffentlichte Caribou-„Hit“ „Track ID Anyone?“, aber auch „Nices Wölkchen“ mit Apparat: DJ Koze lässt nicht nur mitspielen, er erhält den Charakter seines Gegenspielers, führt ihn mit seinen Vorstellungen zusammen und erschafft etwas völlig Neues. Es hört sich an wie die Version 2.0, als seien zwei Einzelteile von einem äußerst talentierten Künstler zu einem neuen Ding zusammengefasst worden. Dem Eindruck entspricht auch der Hinweis seines Promotionpapiers, dass die Musiker ihre Beiträge a cappella einspielten. DJ Koze ist selbstbewusst genug, die Talente seiner Mitstreiter zu nutzen, sie uneitel in den Vordergrund zu rücken.

Und die Tracks, die allein auf Kozes Kappe gehen, finden jenseits von Alltag statt. Denn sie haben Zeit – und lassen sie sich auch. „La Duquesa“ erhält fast zehn Minuten, um sich zu entwickeln. Tracks wie dieser und der nachfolgende „Marilyn Whirlwind“ machen Spaß und vergehen leichtfüßig, optimistisch und piepsig. Er hat es drauf, für coole, einfallsreiche und vor allem kurzweilige Unterhaltung zu sorgen – nicht selten verschmitzt und mit Details, die sich erst nach mehrmaligem Hören erschließen. So hat auch das Outro des Albums, „NooOoo“, seine eigene Geschichte von zwei Trampern, die Koze in Mexiko mitnahm und gleich in das Album einband. Tomerle aus Israel und Maiko aus Japan liefern das „Gute-Nacht-Lied für alle seligen Nomaden“. Ein Soundtrack für den Frühlingsstart, also los jetzt da draußen!

Ein Kommentar zu “DJ Koze – Amygdala”

  1. Bastian sagt:

    Eine schöne Rezension, auch wenn ich mir mittlerweile ziemlich sicher bin, dass das gut 10 Punkte zuwenig sind.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum