Damit, dass er eigentlich gar keine Ahnung von elektronischer Clubmusik hat, hat der Autor schon im ersten Teil unseres Specials genug kokettiert. Fest steht jedoch, Sommerzeit ist nicht nur (Rock-)Festivalzeit, sondern auch Zeit für euphorisierende Beats und durchtanzte Tage und Nächte. In Teil 2 unseres Tanzmusikquerschnitts nun ganz ohne Umschweife drei weitere empfehlenswerte Alben, die einen dabei begleiten könnten:

Matt John – The Bridge

Matt John ist im schier endlosen Berliner Partyleben längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Den größten Teil seines Rufs erarbeitete er sich dabei wohl als Resident der zumindest an ursprünglicher Stelle nun endgültig geschlossenen Bar 25, wo seine legendären DJ-Sets auch schon mal an die 14 Stunden dauern konnten. Sein vor einigen Wochen auf dem clubeigenen Label erschienenes Album „The Bridge“ kann dabei sowohl als Abgesang wie auch als Aufbruchssignal angesehen werden, wenn es die Bar in diesem Sommer von der Holzmarktstraße ans gegenüberliegende Spreeufer zieht.

Wie nur wenige skiziert Matt John in seinen Tracks ein Euphoriegefühl, das keine Unterschiede zwischen Tag und Nacht mehr kennt und so den perfekten Soundtrack für endlos aufeinander folgende Afterhours bildet. Der Opener von „The Bridge“, „Hello Again (Californian Sunrise)“, ist so eine Hymne, die befeuert durch Johns selbst eingesungene, dunkelsoulige Vocals und eine unwiderstehliche Melodie ganz sicher zum absoluten Höhepunkt so manchen Freiluft-Raves werden dürfte, ein beseeltes Monster von einem Housetrack. Der Rest des Albums kann da nicht ganz mithalten und versucht auch gar nicht erst den großen Wurf zu landen oder mehr als nur lose Tracksammlung zu sein. Hier gibt es viel bewährt Gutes zwischen Techno und House, das immer ein wenig zu verspielt und humorvoll daherkommt, um noch als Minimal durchzugehen. Zwar ergibt sich am Ende ein doch etwas lieblos zusammengeschustertes Gesamtbild und die seltsame „The dog didn’t eat the Meat“-Hookline von „Meatball“ hätte durchs Megaphon gebrüllt auch von Scooter stammen können. Als deutliches Zeichen dafür, dass die Party auch 2011 noch lange nicht zu Ende ist, taugt „The Bridge“ aber allemal; zumindest dann, wenn man zu dem Teil der Berliner Boheme gehört, für den gesalzene Preise und teils übertrieben elitäre Einlasspolitik keine Probleme darstellen.

Label: Bar25

Referenzen: Ricardo Villalobos, Dirty Döring, Sammy Dee, Melchior Productions, Dimbiman

Links: Albumstream | Bar25

VÖ: 19.05.2011

Trickski – Unreality

Eines der aktuell großen Dinge im hippen Berliner Nachtleben ist es offensichtlich, die Geschwindigkeit von Deephousetracks auf ein Minimum herunterzudrosseln, sodass sich manch einer fragen wird, ob man dazu überhaupt noch tanzen kann. Ob sich hier der überall präsente Lifestyle-Trend zu Entschleunigung im stressigen, urbanen Alltag auch in der elektronischen Tanzmusik durchschlägt, bleibt unklar; Fakt ist aber, dass einige der Ergebnisse musikalisch durchaus interessant klingen und durchmischt mit schwülstigen Disco-Elementen an dunkle Clubs und die Anfangstage von House zurückdenken lassen.

Die beiden Produzenten Yannick Labbé und Daniel Becker alias Trickski gehören zu den Aushängeschildern des sogenannten Slow House und wollen uns mit ihrem Debütalbum „Unreality“ so etwas wie dessen Manifest vorsetzen. Alles pendelt sich hier genüsslich unterhalb der 120 bpm ein und zeigt dabei durchaus Tiefe und Liebe zum Detail. Zwischendurch gibt es augenzwinkernde Interludes, wie das fröhlich tänzelnde Billigkeyboard von „Jazzmagazine“. Leider jedoch sind nicht alle Stücke so gelungen wie der Titeltrack oder das minimalistisch ravende „Wilderness“, was über eine Gesamtlänge von fast 70 Minuten unangenehm inkonsistent wird. So bleibt es schleierhaft, warum für das ansonsten relativ ideenarme „Without You“ der notorische Fritz Kalkbrenner abermals ans Mikrofon geholt wurde. Nicht als einziger auf dieser Platte versinkt der Track leider knietief im Kitsch. Mehr als nur gute Ansätze sind auf „Unreality“ reichlich vorhanden, für die Zukunft sollten sich Trickski jedoch auf die auch hier immer wieder ihren Sog entfaltenden Momente konzentrieren, in denen sie wirklich tief schürfen.

Label: Suol

Referenzen: 6th Borough Project, Eddie C, Tokyo Black Star, Mark E

Links: Soundcloud | Label

VÖ: 17.06.2011

Ada – Meine Zarten Pfoten

Wer sich gefragt hat, was wohl das „und mehr“ in der Überschrift dieses Artikels zu bedeuten hat, wird bei Ada ziemlich schnell fündig. Deren nach stolzen acht Jahren Pause erscheinendes zweites Album hat nämlich kaum noch etwas mit klassischem House oder Techno zu tun, sondern transformiert den schon immer brückenschlagenden Sound der Kölnerin Michaela Dippel zu reinem Pop. Wo das Debüt „Blondie“ seinerzeit noch die vielleicht grandioseste aller Handreichungen zwischen Clubmusik und (Indie-)Pop war, wechselt Ada jetzt komplett die Seite. Getrieben von ihrer sehnsüchtigen Stimme und sanften Melodien überzieht sie schüchternen Schlafzimmerpop, wie man ihn von Lali Puna und Konsorten kennt mit funkelnden Pailetten, die sie noch aus dem Nachtleben mit herübergerettet hat.

Ein dezent sommerlicher Glamour durchströmt „Meine Zarten Pfoten“ und lässt an schwüle Abende in mondänem Côte-d’Azur-Ambiente denken. Verspielte Elemente, wie Vogelzwitschern oder Querflöten lockern die wehmütige Grundstimmung immer wieder auf, bevor dann ab der zweiten Hälfte des Albums doch noch einige Beats auftauchen. Diese zwingen einen allerdings nicht gänzlich zurück auf die Tanzfläche, sondern wirken eher wie eine willkommene Hommage an alte Zeiten. Dass zwei der besten Songs auf „Meine Zarten Pfoten“ mit Luscious Jacksons „Faith“ und „The Jazz Singer“ von den sträflich unterschätzten No Kids Coverversionen sind, deutet zwar darauf hin, dass Adas Qualitäten als Songwriterin, die hier gezwungenermaßen stärker in den Vordergrund rücken, nicht ganz an ihre Produktionsskills heranreichen. Diesen kleinen Makel verzeiht man ihr nach dieser wunderschönen, so verträumten wie charmant umschmeichelnden Platte aber ziemlich schnell.

Label: Pampa

Referenzen: Metope, Basteroid, Superpitcher, Lali Puna, Stereolab

Links: MySpace | Albumstream

VÖ: 10.06.2011

Ein Kommentar zu “Musik aus Strom: Elektronische Tanzmusik und mehr im Schnellcheck (Teil 2)”

  1. […] Interesse und der Respekt DJ Kozes vor Künstlern aus unterschiedlichsten Genres (Hildegard Knef!, Ada, Matthew Dear, Milosh), die ihn auf „Amygdala“ unterstützen. Er hat Feingefühl für die […]

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