Haldern Pop 2013: Kühe, Rührei und Tradition - ein ganzes Dorf packt an

Voerde, Friedrichsfeld, Mehrhoog – bis zum Halderner Bahnhof ist der Regionalexpress vorab durch so manches Dorf getuckert. Im Prinzip die ideale Einstimmung auf das, was kommen wird. Das wäre: erst einmal die frische Landluft, die so vermutlich nur die ganz teuren Zuchtbullen aus Rees beherrschen.

Macht nichts, hat man sich längst dran gewöhnt. Ist es allem voran doch eh die Tradition, die beim Haldern Pop trotz so vieler Veränderungen in den vergangenen 30 Jahren an erster Stelle steht. Man könnte auch sagen: Wie das Festival selbst, so wächst und altert das Publikum gerne mit. Wer sich umschaut, sieht ebenso viele Menschen mit vollem wie mit lichtem Haar.

So verwundert es nicht, wenn Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch von der Hauptbühne in die Runde schaut und freudig anmerkt, sich zumindest einmal auf einem Festival nicht wie ein Opa fühlen zu müssen. Überhaupt ist bislang wohl von keinem Fall hier in Haldern bekannt, dass jemandem nach dem ersten Mal die Lust vergangen wäre. Was an anderer Stelle auch negativ ausschlagen kann: Bereits seit Dezember sind die „Dauerkarten“ vergriffen – wer sich zu spät entscheidet, entscheidet nicht mehr.

Was nicht zur Folge hat, dass sich die Veranstalter auf ihren Lorbeeren ausruhen würden. Im Gegenteil, das Haldern Pop ist in seinem Jubiläumsjahr so professionell organisiert und über den ganzen Ort verteilt wie wohl nie zuvor. Seit vielen Jahren macht nicht mehr nur die Hauptbühne hier Programm. Nein, mit dem bewährten, atmosphärischen Spiegelzelt (das jetzt Spiegeltent heißt), der bereits im zweiten Jahr deutlich überarbeiteten Biergartenbühne, der Haldern Pop Bar, den Konzerten in Kirche und Tonstudio und dem ganzen Drumherum darf in Haldern schon lange nicht mehr „nur“ von einem Festival gesprochen werden.

Vielmehr ist das ganze Dorf in Bewegung: Die Bauern in der Umgebung machen Frühstück (Rührei ab 8), der nette Rentner verkauft am Straßenrand Fusel und am nahe gelegenen See spielt so manche Band unplugged, während im Hintergrund die Kühe zum Melken von der Wiese geholt werden. Angefangen von den Veranstaltern, die bereits 30 Jahre dabei sind über die zahlreichen freiwilligen Helfer bis hin zu den Kindern (der Veranstalter), die mit Hygienehandschuhen, Schubkarren und Grinsen im Gesicht das Pfand-Einsammeln professionalisieren und das Geschäft ihres noch jungen Lebens wittern, bringt sich ganz Haldern ein – und das mit Ruhe und Gelassenheit. Eben jene Zusammengehörigkeit und Gemütlichkeit, aber auch die Entschleunigung des Alltags ist wohl der Hauptgrund, warum man über die Jahre so viele bekannte Gesichter wiedersieht in Haldern.

Da kann man es sich beim dreißigjährigen Jubiläum sogar leisten, auf den ganz großen Headliner zu verzichten. Weiterhin soll es bei maximal 7.000 Besuchern bleiben – trotz der deutlich höheren Menge an Anfragen. So spielt am Samstagabend Glen Hansard zur Prime Time auf der Hauptbühne und lässt für „Falling Slowly“, den bekannten oscarprämierten Song aus „Once“, zum Abschluss eine junge Zuschauerin auf der Bühne ihre ganz eigene Prime Time erleben. Einen Tag zuvor durften an gleicher Stelle zu der Zeit Sophie Hunger und Villagers ran – alles nicht die ganz großen Namen, mit denen andere Festival-Veranstalter werben würden.

Während auf der Biergarten-Bühne Bands wie We Were Promised Jetpacks für viel Freude sorgen und Mikal Cronin bei traumhaftem Sonnenschein zur Eröffnung leider noch mit leichten Soundproblemen zu kämpfen hat, ist es vor allem das Spiegeltent, das mit breit gestreutem Programm überzeugt: Von Julia Holter und ihren ambienten Gesangs-Arrangements über einen unserer aktuellen Folk-Lieblinge, Sam Amidon, spielen hier auch die Avantgarde-Experimentalisten von These New Puritans, die live dann doch noch häufiger auf das perkussionsgetriebene „Hidden“ zurückgreifen als auf ihr aktuelles Album „Fields Of Reeds“.

Traditionell fällt aber auch dieses Mal wieder eine Band völlig aus dem Rahmen: Das, was in den vergangenen Jahren HEALTH oder Dan Deacon waren, sind an diesem Wochenende METZ. Die Kanadier, deren Fluggesellschaft leider nicht imstande war, die Instrumente an den richtigen Ort zu bringen, müssen sich kurzerhand alles Nötige leihen. Was ihrem Auftritt wahrlich nichts anhaben kann: Von negativer Energie angepeitscht lassen sie die tapfer durchhaltenden Besucher mit dreckigem Noise-Punk-Geschrammel zu einer wohlwollenden pogenden Masse verschwimmen, die auch um diese Zeit (zwischen drei und vier Uhr nachts) noch mal so einiges an Blut und Schweiß abverlangt.

Ein kurzes Auflodern für den harten Kern in den frühen Morgenstunden. Danach kehrt wieder Ruhe ein. Nachdem die Sonne aufgeht, führen Mütter und Väter ihre mit großem Ohrenschutz ausgestatteten Kleinen wieder auf den Festivalwiesen spazieren.

2 Kommentare zu “Haldern Pop 2013: Kühe, Rührei und Tradition – ein ganzes Dorf packt an”

  1. René sagt:

    Hach, wie ich es vermisse. Nächstes Jahr bin ich hoffentlich wieder dabei. Danke für den Artikel.

  2. Ralph sagt:

    Ich komme auch auf jeden Fall wieder

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