Labelspezial: Warp | Die Alben 2008-2009 (II)
20 Jahre Warp. Unsere Labelwoche wirft einen Blick auf die Geschichte des Labels und verschafft euch in vier Etappen einen vollständigen Überblick über die Albumveröffentlichungen der letzten beiden Jahre. Was lohnt das Reinhören, was fällt aus diesem hochqualitativen Rahmen heraus? Gestartet sind wir mit dem aktuellen Werk von Tyondai Braxton und arbeiten uns rückwärts. Teil 1 findet ihr an dieser Stelle. Teil drei folgt in den nächsten Tagen.
Maximo Park | Quicken The Heart (2009)
Die zackigen Gitarren haben sie in die Abstellkammer verbannt, etwas gradliniger verläuft ihr Songwriting, das aber die nötige Cleverness besitzt, um weiterhin unter allen Neo Wave-Epigonen den Staffenstab als erstes über die Ziellinie zu tragen. Der eigenwillig-schnöselige und dadurch dringliche Gesang findet zwar nicht mehr seinen Meister im instrumentalen Unterbau – dadurch gewinnen Maximo Park aber eine neue Qualität des Homogenen. Dass sie weiterhin Hits schreiben können (auch wenn nicht mehr so offensichtliche), beweisen „Calm“ oder „The Kids Are Sick Again“.Hören: myspace
Diamond Watch Wrists | Ice Capped At Both Ends (2009)
Zach Hill (Hella, Marnie Stern) und Guillermo Scott Herren (Prefuse 73) – die Kombination lässt Ohren schnalzen. Und dennoch war diese Warp-Veröffentlichung rückblickend eine der übersehendsten des Jahres. Was auch daran liegen kann, dass die beiden Protagonisten keineswegs ihr progressives Potenzial ausschöpfen, im Gegenteil, eher gesetzte Indie-Songs produzieren, die zwar detailreich aufgeladen sind, aber doch wenig Gefährlichkeit ausstrahlen. Versponnen und eher mäßig schnell kommen sie daher und lassen dabei leider oft die Zielgerichtetheit und Konsequenz vermissen – wie es Nebenprojekte so oft tun. Hören: myspace
Prefuse 73 | Everything She Touched Turned Ampexian (2009)
Auch wenn es so scheint: Es ist kein Versehen, dass Scott Herren alias Prefuse 73 sein Werk in 29 Einzelteilen präsentiert. Kleine Schnipsel, meist unter einer Minute lang, die an der Schwelle zwischen Wahnsinn und Genie stehen und wenig entscheidungsfreudig wirken. Stilistisch geht es ebenfalls wild her, wie das eierförmige Kuddelmuddel aus instrumentalem HipHop, Raumfahrt-Sounds und Texturen aus den Aufbruchjahren der 70er beweist. Konventionelle Ansätze wird man hier vergeblich suchen, denn Prefuse 73 steht weiterhin für wagemutige Spezialistenmusik. Hören: myspace
Tim Exile | Listening Tree (2009)
Tim Exile ist Popspinner, und was für einer. Sozialisiert mit Drum’n’Bass hat er dieses Korsett längst gesprengt und präsentiert seine Vision futurischer Musik. Gradlinigkeit ist sein Feind und so überschlagen sich hier die Ereignisse. Tempi werden auch gewechselt, wenn es gerade absurd scheint und die wer hier eine Prognose wagt, ob der Song so endet wie er begonnen hat, liegt vermutlich jedes Mal falscher als die Wetterprognosen. Dazu gibt es eine ganz eigene, nicht immer angenehme Ästhetik. Aber auch das ist wohl gewollt bei so viel Irrwitz. [Ausführlichere Rezension hier] Hören: myspace
Harmonic 313 | When Machines Exceed Human Intelligence (2009)
Der Bass ist alles andere als lässig. Dumpf, fast steif setzt er monumentale Akzente in den fünfzehn Songs, die Mark Pritchard hier auffährt. Ein schweres Geschütz, das kaum mehr technoide Elemente besitzt. Man schielt Richtung Dubstep und gefällt sich an der Aktualisierung von zwanzig Jahre alten Klängen. Es ist ein Album wie ein Brückenschlag, eine Zusammenfassung von zwei Dekaden digitaler Song- und Soundproduktionen. Logische Verknüpfungen werden ausgeführt – meist ohne enervierend kaschierende Synthieflächen – wie auch das Video beweist. Weltraum-Elektro mit Kopfnickerqualitäten. Hören: myspace
Mira Calix | Elephant In The Room (2008)
So stellt man sich ein Frühlingsalbum vor: Zart knospende, vorsichtige Versuche. Ambienten schaffen, Stimmung generieren, so sanft, so stilvoll. Klassik-Instrumentarium tastet sich voran, selbst eine Geige schafft es bisweilen, aufdringlich zu klingen. Es wird sehnsuchtsvoll musiziert innerhalb der übersichtlichen Texturen – mit einer inneren Balance, die den Hörer in eine Ruhe versetzt wie nach einer herrlichen Tasse Mate-Tee. Die Clicks und Cuts und das digitale Klirren umwehen dieses Album mit einem experimentellen Schleier. Aber die musikalischen Weichen hat Mira Calix längst gestellt. Hören: myspace
Tim Exile hört sich für mich ziemlich sonderbar, ja verzwickt an… Danke für den Tipp!
Cheers ;)