Der Tod Michael Jacksons hat auf eindringliche Weise vor Augen geführt, welchen Qualitätsverlust Musiksender wie MTV sukzessive durchlitten haben: Weg vom Musikvideo hin zu schäbigem Dokutainment. Für eine Nacht und einen Tag besannen sie sich auf eine alte Stärke und spielten die großen Klassiker eines den Mainstream vollends prägenden Konsumhelden, der in seiner Person Tragik und Genie, Gebrochenheit und musikalische Stärke wie kaum ein anderer vereinte. Wie aus einer anderen Dimension kommen einem heutzutage Videos wie „Thriller“ vor, die mit über neun Minuten Länge die 3-Minuten-Portionshäppchen einer immer schneller drehenden Medienwelt mit kontinuierlich schwindenden Aufmerksamkeitsspannen regelrecht degradieren.

Dass es dennoch heutzutage ästhetische Qualität im Musikvideo-Segment gibt, haben wir euch bereits bei auftouren.de gezeigt: Die Besten Musikvideos des 1. Quartals 2009, Teil 1 und Teil 2. Das zweite Quartal war deutlich schwächer, aber dennoch stellen wir euch weitere zehn Videos vor.

PLATZ 10: Simian Mobile Disco – Audacity Of Huge

Popkultur-Ikonen in grellen Primärfarben-Close-Up: Alles ist blau, rot, gelb. Es geht um die Konstruktion von Grundsätzlichem und der Überblendung mit Nichtigem. Verpackt in einem dem Song entsprechend trashigen Ambiente, das leider die Bedeutungsverschiebungen einer grellen Zeit nicht gänzlich überzeugend herausarbeitet.

PLATZ 09: The Mae-Shi – Lamb & The Lion

Animationsvideos sind weiterhin in der Indie-Szene angesagt. Dieses aufgeräumte Werk lässt etwas an Dramaturgie vermissen, die wenigstens die flache Narration etwas abfedert. Interessant bleibt der Umgang mit der typisch christlichen und orientalischen Ikonographie des Mittelalters, der hier sowohl in den Farben als auch in der Darstellung von Architektur und Figuren zitiert wird.

PLATZ 08: Harmonic 313 – Battlestar

Eigentlich ein klassisches B-Boy-Video, das nervös zuckend drei Minuten lang Aufmerksamkeit einfordert. Mit schlechten Schnitten, aber manch überzeugenden graphischen Add-Ons wird hier versucht, Rasanz, Science-Fiction und Straßen-Style in Einklang zu bringen. Dabei rausgekommen ist ein Trashvideo auf „turkey“.

PLATZ 07: Here We Go Magic – Fangela

Medienmix und Atmosphäre stehen bei diesem Werk hoch im Kurs: Das Flackern alter Filmprojektoren beschwört eine Renaissance der Gruselfilme in schwarz-weiß-Optik. Diffus und durchaus simpel in der Gestaltung erreicht dieses Video dennoch einen hohen Wirkungsgrad für ein lowlowbudget-Projekt.

PLATZ 06: MGMT – Kids

Wahrnehmungsverschiebungen thematisiert das recht aktuelle Video zum Bereits-Jetzt-Schon-Klassiker „Kids“. Halluzinationen, Traumwelten, Horrorwelten – ein simples, aber rauschhaftes Erleben zwischen Trash und Comic.

PLATZ 05: Grizzly Bear – Two Weeks

Ein erleuchtetes Video! In sakraler Aufladung werden Gesichter gemorpht, bis jedes Grinsen zur bloßen Fratze entstellt ist. Hier wurde dem Song angemessen behutsam inszeniert und alles auf die eine Idee konzentriert, was immer eine gute Idee ist.

PLATZ 04: Modest Mouse – Satellite Skin

Nistkästen als AT-ATs der Waldpopulation, eine Prozession und Krähen mit ihrer mystischen Aufladung als Tiere der Weisheit und Intelligenz – und bedrohliches Objekt, nicht erst seit „Die Vögel“. Ein vielschichtig deutbares Video, passend zum Song. Es geht um Religion, Scheinheiligkeit, Vertrauen und Heuchelei.

PLATZ 03: St. Vincent – Actor Out Of Work

Den Gegenentwurf zu allen möglichst visuell aufgemotzten Videos bietet dieser intime Einblick in eine Casting-Situation. Diese Charakterstudie von St. Vincent ist Narration genug und spielt mit Gesichtsfassaden als Metaphern fürs alltägliche Leben.

PLATZ 02: La Roux – Bulletproof

Farben und Flächen – hier wird Oberfläche bewusst inszeniert. Die Mixtur aus Neo-Futurismus und 80er-Chic wird am Computer realisiert und stellt dies auch offensichtlich zur Schau. Somit thematisiert sich der Produktionsprozess als wichtiger Bestandteil selbst. Künstlichkeit wird somit zur Möglichkeitsform. Ein unterhaltender Konsensentwurf.

PLATZ 01: Juana Molina – Un Dia

Zerdehnung und Deformation stehen in diesem simplen, aber ungemein wirkkräftigen Video im Vordergrund. Die rembrandt’sche Farbgebung und Kontrasthaftigkeit korrespondiert mit dem alienhaften Gesicht. Zeitliche Dimensionen werden aufgesprengt und geben der Redundanz im musikalischen Sinn eine Entsprechung. Abseitig, verschroben und latent verstörend – dieses Video wird man so schnell nicht mehr vergessen.

Die Auswahl der Top 10 war dieses Mal extrem schwierig. Deswegen möchten wir euch auch noch die Videos zu Manchester Orchestra – I’ve Got Friends, Passion Pit – The Reeling, Joker’s Daughter – Worm’s Head, Kid606 – Mr. Wobbles Nightmare und Marmaduke Duke – Rubber Love ans Herz legen.

Ein Kommentar zu “Spezial: Beste Musikvideos | April-Juni 2009”

  1. […] Sex-Elemente aus. Hier befinden sich übrigens unsere anderen Quartalsfavoriten: Januar bis März, April bis Juni und Juli bis […]

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