Hype Williams hieß also dieses Kunstprojekt, Denna Frances Glass seine Strippenzieherin. Seit Anfang der 90er soll sie hier und da Kunst unters Volk gemischt haben, bis schließlich Dean Blunt und Inga Copeland ihren Part übernahmen und ein paar Jahre unter diesem Pseudonym Musik veröffentlichten. Aber eigentlich ist Hype Williams natürlich dieser Regisseur, der die ganzen MTV-Blockbusterhiphopvideos von Kanye West bis Jay-Z gedreht hat. Und eigentlich soll Inga Copeland Karen Glass heißen, und Dean Blunt eigentlich Roy. Und ob Inga Copeland nun in Estland oder Russland geboren wurde, weiß ich auch nicht genau. Ist vermutlich auch egal. So weit, so widersprüchlich.

Aber vielleicht hat der richtige Hype Williams, also der Regisseur, ja endlich Wind bekommen von diesen zwei, drei Künstlern, die seinen Namen geklaut haben, um ein bisschen Verwirrung unter den Anfälligen zu stiften. Inga Copeland und Dean Blunt nennen sich jetzt nämlich nur noch Inga Copeland and Dean Blunt. So viel Konfusion muss schon erlaubt sein, schließlich lebt das Projekt davon. Und das Album heißt „Black Is Beautiful“, nicht „Ebony“. Das steht nur auf dem Cover. Und in diesem Sinne darf gern bezweifelt werden, dass Hype Williams mit ihrem Namen auch ihre Taktik abgelegt haben, denn geändert hat sich im Grunde nicht viel. Außer vielleicht das Label – statt Hippos In Tanks heißt das jetzt Hyperdub. Das verspricht immerhin Qualität, den Kollegen Burial oder einstmals Zomby sei Dank. Und nun wird landauf landab auch über Inga Copeland und Dean Blunt berichtet. Selbst der Guardian hatte vor ein paar Wochen ein Exklusivinterview abgedruckt. Lieblingsband: Oasis, Lieblingsalbum: „(What´s The Story) Morning Glory“ und der Informationsgewinn tendierte wieder einmal gegen null …

Das Vorgängeralbum „One Nation“ landete 2011 in Sachen bestes Album im Wire auf Platz 4, bei Boomkat auf 8 und Rang 25 bei Tiny Mix Tapes. Folglich muss ja etwas dran sein an diesem Hype. Aber was genau? – oder anders formuliert: Wie viel Substanz hat diese Musik abseits aller Albernheiten? Und das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn Copeland und Blunt sind Spalter und pflegen dieses Image mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Genau deswegen gibt es auf diesem Album gefühlte 10 Zwischenspiele. „Venice Dreamway“ zum Beispiel ist nichts weiter als ein schepperndes Drumsolo über indisponierten Keyboardsounds, Lied „2“ dagegen ein hübsches Cover von Donnie and Joe Emersons wundervollem Klassiker „Baby“ aus dem Jahr 1979. „5“ könnte sich auf jeden beliebigen J-Pop Sampler schmuggeln ohne aus der Reihe zu tanzen. Das Herzstück des Albums („10“), ein 9-minütiger Jam, weiß immerhin vollends zu überzeugen.

Aber das war es dann auch schon fast, denn die wenigsten der 15 Songs funktionieren nach einem allseits bekannten Schema oder legen wenigstens Wert darauf, ihre Stärken vollends auszuspielen. Viel zu oft werden die Ideen und Melodien nur angedeutet und vorzeitig wieder abgebrochen. Und so verfestigt sich der Eindruck, dass Blunt und Copeland sich vor allem in der Deklination des Imperfekten versuchen. Anerkennen muss man dabei, dass sie anscheinend mit sehr geringem Aufwand ein recht gutes Album aufgenommen zu haben. Aber was sie schließlich tatsächlich aus der Masse heraushebt ist die Tatsache, dass es ihnen gelingt, durch ihr Auftreten als Gesamtkunstwerk etliche selbstverständliche Prozesse der Musikindustrie zu hinterfragen und so unser Denken über Musik anzuregen.

Nichtsdestotrotz bleibt ein fader Beigeschmack zurück, denn „Black Is Beautiful“ ist ein Chamäleon von einem Album und seine Wirkung tagesformabhängig. Am Ende bleibt von diesen esoterischen Trashpopcollagen aus Dub und Nihilismus nicht viel hängen, stattdessen sind die Songs für den Moment gemacht. Und was mich beschleicht ist die Angst, dieses Projekt nicht komplett durchschaut zu haben. Aber wie sollte man auch? Inga Copeland und Dean Blunt, beide fraglos talentiert, verbergen sich wieder einmal hinter diesem vorgehaltenen Dilettantismus und der allgegenwärtigen Polarisierung, die sie damit stiften. Auch live verstecken beide sich gern hinter einer Flut aus einfachsten und effektiven Melodiebögen, Bässen und dicken Nebelwänden. Aber dieses kalkuliert konstruierte Lügengerüst trägt am Ende eben nur teilweise – und auf Dauer dazu bei, dieses Projekt zunehmend kritisch zu betrachten. Und spätestens seit der Neuen Deutschen Welle weiß man, dass es meist schwerer ist, derart billige Kunstentwürfe nachhaltig zu entlarven als ihnen kurzfristig auf den Leim zu gehen.

Natürlich vertreten Inga Copeland und Dean Blunt irgendwie eine neue Ästhetik – eine Ästhetik des Dilettantismus – aber auf Dauer könnte das zu wenig sein und sich als eine billige Vermarktungsstrategie entpuppen, wenn ihr Erfolg weiter anhält. Dass solche Versteckspiele nicht ewig gut gehen, konnte man kürzlich erst erleben als diese Sängerin … wie hieß sie noch gleich … Lara Del Rey? Jedenfalls ließ sich an ihr wunderbar eine Möglichkeit der Selbstvermarktung studieren. Sie machte aus ein wenig künstlerischem Talent mithilfe der Medien, Lipgloss und Botox pures Gold. Und Hype Williams sind ihre Geschwister im Geiste, denn sie machen aus ebenso wenig ebenso viel: Komplett gekünstelt vereint im Dilettantismus und der Kunst, sich zu verkaufen – nur irgendwie am anderen Ende der Skala.

Einhergehend mit oben erwähntem Interview erschien übrigens auch das kostenlose, fast zweistündige „The Attitude Era“-Tape von Dean Blunt und Inga Copeland, das nur für zwei Wochen zum Download bereit stand und nun fleißig gegoogelt werden muss. Der Autor ist der Musik jedoch überdrüssig und verzichtet daher auf eine Rezension.

71

Label: Hyperdub

Referenzen: Steely Dan, Actress, Sun Araw, James Ferraro, Burial

Links: Label | Albumclips

VÖ: 20.04.2012

3 Kommentare zu “Dean Blunt And Inga Copeland – Black Is Beautiful”

  1. […] Quelle posted by Alotta Hotta in Alternative, Beat, RAP SHIT and have No Comments Tags: Deant Blunt, Inga Copeland, Video […]

  2. […] Genrebezeichnungen in Frage stellt. Cooly G ist in dieser Hinsicht zwar weniger radikal als Dean Blunt & Inga Copeland, und sollte daher wenigstens theoretisch eine weitaus breitere Hörerschaft erreichen – wenn sie […]

  3. […] auch Blunt spielt offensiv mit der Grenze zwischen Realität und Fiktion, beispielsweise wenn sich Dean Blunt and Inga Copeland bei Konzerten von Schauspielern vertreten […]

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