Interview: Courtney Barnett

Courtney Barnett wägt kurz ab, bevor sie sich entscheidet. „Mhhh … a salad and one of those bagels.“ Müde und offensichtlich hungrig sitzt mir die Musikerin im stylischen Michelberger Hotel in Berlin gegenüber. Sie spielt heute keine Show hier, sie gibt Interviews – den ganzen Tag. Man muss es ausnutzen, dass die Australierin derzeit in Europa unterwegs ist, den nächsten Tag wird sie mit einem ähnlichen Interviewmarathon in London verbringen.

Courtney Barnett: Ich wollte immer mal hierher kommen. Als ich 18 war, sind alle im Freundeskreis als Backpacker herumgereist. Ich wollte das auch immer machen. Jetzt war ich tatsächlich so ähnlich unterwegs, beinahe jeden Tag eine neue Stadt, viele interessante Länder, unterschiedliche Sprachen …

AUFTOUREN: Es ist dein erster Besuch hier in Europa und gleichzeitig deine erste Tour. Du hast wahrscheinlich nicht so viel Zeit, etwas von deiner Umgebung mitzunehmen, oder?

Naja, es ist schon sehr anstrengend und man hat nicht sehr viel Zeit. Aber ich habe mir Berlin anschauen können, weil wir doch mehr Zeit hatten als gedacht. Wir wurden ausgeraubt und mussten dann ein wenig länger hier bleiben, das habe ich dann genutzt um mich umzuschauen.

Du hast es ja wirklich drauf, deine Gelassenheit beizubehalten. Deine tiefenentspannte Slacker-Attitüde wird zumindest recht häufig thematisiert. Gibt es eigentlich irgendwas, das dich so richtig abfuckt?

(Lacht) Na klar! Wie bei jedem anderen Menschen auch. Ich bin da eigentlich ziemlich menschlich.

Ja, sicher. Aber du wirkst, als würdest du nur ungern Zeit damit verschwenden, dich zu ärgern.

Das stimmt auch tatsächlich. Ich versuche immer, etwas Positives zu sehen. Oder besser: Einfach alles nicht zu ernst zu nehmen.

Das ist eine definitiv gute Einstellung. Lass uns über deine Musik reden. Deine ersten beiden EPs sind in Europa als eine Platte veröffentlicht worden. Nun erscheint dein Debütalbum „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“. Es fällt direkt auf, dass das Album sehr viel härtere Töne anschlägt als noch die EPs.

Auf jeden Fall! Auf dem Album gibt es sehr viel mehr E-Gitarren und es geht stärker nach vorne.

Genau. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Naja, also grundsätzlich ist es immer noch dieselbe Musik, die ich mache. Aber ich denke, es liegt an der Art und Weise, wie wir an den Songs gearbeitet haben. Nach den EPs waren wir sehr viel als Band in derselben Besetzung unterwegs und dadurch ist das ganze homogener und vor allem selbstbewusster geworden. Bei den EPs habe ich mit den Musikern gearbeitet, die gerade da waren. Wir haben versucht, irgendwie was zu Stande zu bringen, was ich mir in meinen Songs überlegt hatte. Man spürt geradezu die Vorsicht, mit der da gearbeitet wurde: Keiner versucht, die falschen oder unangebrachte Töne oder Riffs zu spielen.

Die Vorsicht ist nun also weg?

Ja, so könnte man das nennen. Wir scheren uns weniger um Kleinigkeiten. Durch die ganzen Shows und Festivals, die wir gemeinsam bestritten haben, haben wir uns als Band entwickelt und sind immer härter und schneller geworden. Beinahe gedankenloser in einem positiven Sinn.

Ist das, was also dabei herauskommt intuitiver und damit dir näher?

Das würde ich zwar schon einerseits sagen. Andererseits ist das, was auf den EPs passiert nicht weniger ich selbst. Es ist nur sehr viel vorsichtiger. Und die Art, wie wir aufgenommen haben, hat auch das wiedergespiegelt: Wir haben alle gemeinsam in einem Raum aufgenommen. Wenn also einer einen Fehler gemacht hat, mussten wir von vorne anfangen.

Da habt ihr nun ja wirklich genug Übung. Du hast in einem Interview gesagt, dass du dich jedes Mal verletzlich machst, wenn du irgendjemandem neue Sachen vorspielst. Habt ihr auf Tour schon neue Stücke vor Publikum gespielt?

Ja. Und es war auf unterschiedlichen Ebenen beängstigend: Erstens ist man wahnsinnig auf der Hut, weil man immer wieder neu das Gefühl hat, sich komplett verwundbar zu machen. Zweitens haben wir die neuen Sachen natürlich noch nicht so oft gemeinsam proben können. Aber ich habe immer wieder gemerkt, dass das offensichtlich nur in meinem eigenen Kopf passiert. Keiner steht da und wartet, in welcher Weise ich ihm jetzt Geheimnisse meiner selbst offenbare. Außerdem ist ein großer Pluspunkt, dass bei den ganz neuen Songs niemand weiß, wie sie eigentlich klingen müssten. Wir könnten also so falsch spielen wie wir wollten und niemand würde es merken (lacht verschmitzt).

Zu deinen Texten: Du bist unheimlich gut darin, über Alltägliches zu schreiben. Dabei klingt das bei dir nie langweilig oder uninteressant. Ist dein Alltag einfach so viel spannender als der von anderen, oder hast du vielleicht einfach nur einen anderen Zugang zu dem, was so um dich herum passiert?

Ich glaube, spannender ist mein Alltag nicht (lacht). Aber ich denke, dass ich mir immer wieder die Zeit nehme, inne zu halten und Dinge genau zu betrachten. Wenn mich was interessiert, bleibe ich an dieser Sache dran und sie findet ihren Weg in mein Notizheft – und manchmal eben auch in einen Song. Wenn ich sie nicht vergesse. Manchmal denke ich mir noch „Vergiss das nicht, das klingt gut!“ und dann erinnere ich mich nicht mehr und es für immer verschwunden.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum