Der Liedschatten (128): Hello-A, Wiedergänger!

Achtung Wiedergänger! Und zwar in umgekehrter Reihenfolge. Wie nur ist so etwas möglich?

Erst einmal sind Wiedergänger nicht nur schnöde Zombies oder Geister, sondern zum Beispiel ebenso Werwölfe oder „Aufhocker“. Letztere springen Wanderern des Nachts auf den Rücken, entziehen ihnen dabei in boshafter Absicht und auf vampireske Weise die Lebenskraft und reiten sie schließlich zu Tode. Fragt mich bitte nicht, wie genau sie das tun. Damit kenne ich mich nicht besser aus als mit dem nächtlichem Wandern durch Wälder oder an Galgen vorbei, in deren Nähe man Aufhockern eher begegnen dürfte als in den Straßen der Stadt, in der ich lebe.

Auf die Frage nach meinen beiden liebsten Wiedergängern wüsste ich jedoch eine Antwort, nämlich:

Platz 1: Der Doppel- beziehungsweise Wiedergänger des Mönches Medardus, der sich uns mit den Worten

„Bräutigam, Bräutigam! … Komm … komm aufs Dach … aufs Dach … da wollen wir miteinander ringen, und wer den andern herabstößt, ist König und darf Blut trinken! (…) Hi … hi … hi … Brüderlein … Brüderlein, immer, immer bin ich bei dir … lasse dich nicht … lasse … dich nicht … Kann nicht lau … laufen … wie du … mußt mich tra … tragen … Komme vom Galgen … haben mich rä … rädern wollen … hi hi …“

empfiehlt, zu finden in E.T.A. Hoffmanns „Die Elixiere Des Teufels“, auf das hiermit begeistert hingewiesen sei und das zuweilen wirklich gruseln macht. Sagt zumindest einer, der in die Stadt zog, weil er dort keinen Aufhockern begegnen würde.

Platz 2: Darth Vader! Genau, denn schließlich war Anakin Skywalker ja schon tot, so ziemlich … Gut, womöglich ist diese Behauptung etwas haltlos, doch beende ich an dieser Stellung einfach den für unsere Reihe (über die #1-Hits in den Singles-Charts der BRD) unwichtigen Exkurs und komme zum eigentlichen Thema des Textes, unserer heutigen #1, „Hello-A“ von Mouth & MacNeal.

Diese beiden Interpreten waren und hatten zwar genaugenommen keine Wiedergänger, doch im März des Jahres 1972 immerhin Nachahmer namens „Die Windows“. Über deren Coverversion von Mouth & MacNeals erstem Hit „How Do You Do?“ schrieb ich an anderer Stelle:

„Der eine singt bärbeißig, die andere (auch nur etwas) lieblicher, es wechseln laut und leise, zurückgenommen und opulent, der Bass macht Bomm-Bomm und der Refrain besteht aus einer international bekannten Frage beziehungsweise Phrase, am wichtigsten ist sicher jedoch das „Nana-nana“. Eigentlich müsste man nicht mehr von diesem Song wissen.“

Lässt sich über „Hello-A“ wohl Besseres sagen?

mouthmacneal_helloaNein, es lässt sich nichts Besseres darüber sagen. Oh, wie albern ist dieses Lied. Ohne Ausrufezeichen, „albern“ ist hier weder Ausdruck der Verwunderung noch ist es anerkennend gemeint. Ein klein wenig Anerkennung bekommen nur die findigen Produzenten für die scharfen Handclaps und eine zeitgemäß verzerrte Gitarre. Sogar der dunkle Chor in der Strophe könnte recht nett sein, hätte er die Texter der deutschsprachigen Version mit seinem vermeintlichen Kosakensound nicht zur albernen Geschichte der deutschsprachigen Variante ermutigt. Das Gebrumm mit seiner unterstellt martialischen, rauen Exotik inspirierte offenbar eine schlichte Geschichte rund um ein Kennenlernen im ach so martialischen und rauen, damals sowjetischen Moskau, bei dem (hoho) Mouth, der männliche, als lieb und kindlich wild dargestellte Part des Duos, nicht merkte, dass sein Gegenüber ja „Landsmännin“ war. Diese Geschichte tragen die Schlagerinterpreten aus den Niederlanden in einer ihnen fremden Sprache vor, wodurch die Schraube der Exotik (Stellt sie Euch nur mal vor … Die Schraube der Exotik!) noch ein Stück weiter gedreht wird beziehungsweise würde, wenn es so etwas wie diese Schraube geben könnte. Kann es aber nicht, da ist selbst die vorgetragene Begegnung wahrscheinlicher, was uns trotzdem nicht gnädig stimmt. Doch ob nun wahrscheinlich oder nicht, der Text ist schlimmer als der des Originals.

Das, und nicht die Schlagerhaftigkeit des Schlagers, ist ärgerlich: Immer dann, wenn uns in dieser Reihe eine deutschsprachige Bearbeitung eines Liedtextes begegnete, war sie sehr viel platter und hanebüchener, verklemmter und schlichtweg dümmlicher als der Originaltext, sogar dann, wenn dieser bereits alles andere als komplex ist. So heißt es in der englischsprachigen Version von „Hello-A“ (Hier nachzuhören, sehr schön auch wegen des asynchronen Klatschens):

Sie:
„I understand that all men
can’t be the same
but the way you treated me

when we met was more than strange.

Er:
„I could not care less the only thing
that counts is the fact
that for bad manners I’ve got you in exchange.

Hello-a
hello-a
can’t you see
hello-a
hello-a
what I feel“

(…)

Und später:

Er:
„I got you I’m your man
you won’t hear me say again:

Hello-a
hello-a (…)

Die Albernheit wird auf die Spitze getrieben und als eben solche aufgezeigt, indem eine Geschichte vorgetragen wird, in der Phrasen und Stammeleien, wie sie sich in Liebesliedern finden lassen, bei einem Kennenlernen verwendet wurden. Die Reaktion der Angesprochenen („the way you treated me“, es ist von „bad manners“ die Rede) ist nachvollziehbar, dass der weibliche Part dem knuddeligen Charmes des zauseligen, harmlos und modisch hippiesquen Rübezahl-Charakters Mouth erliegt mit ein wenig Wohlwollen ebenso. Schön wird das Lied dadurch nicht, aber sehr viel stimmiger als in der deutschsprachigen Variante.

Wie manch andere One-Hit-Wonder waren Willem Duyn (Mouth) und Maggie MacNeal (eigentlich Sjoukje Lucie van’t Spijker) vor allem im deutschsprachigen Raum kurzzeitig erfolgreich, wobei sie ihre letztes Top-Ten-Platzierung 1974 im Zuge des Grand Prix Eurovision de la Chanson im Gastgeberland Großbritannien hatten, danach trennten sich ihre Wege. Das gilt auch für die unseren, geschätzte Connaiseurschaft. Obwohl ich hierfür kein Geld erhalte, nehme ich den Rat der beiden in Sachen mäßiger, entspannter Lebensführung aus dem Stück „I Don’t Wana Be The Richest Man On The Cemetery“ und verabschiede mich bis zur nächsten Folge.

 

Oder, besser noch:

In der nächsten Folge: The Sweet mit „Little Willy“.

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