Der Liedschatten (122): Losbude Liebe

Die Windows: „How Do You Do?“, März – Mai 1972

Ein Schlager und ein One-Hit-Wonder, wann gab es das in dieser Reihe zum letzten Mal? War es vor fünf, sechs oder sieben Folgen?

Und? Doch keine Sorge, wie sich das für die Schlagerseligkeit gehört, wird hier niemand ausgeschlossen. Alle Antworten sind richtig. Denn One-Hit-Wonder rufen nur deshalb Verwunderung hervor, weil sie nur einen Hit hatten, nicht, weil sie selten wären oder das entsprechende Lied überhaupt ein Hit werden konnte. Vielleicht ist „One-Hit-Wonder“ überhaupt nur eine Bezeichnung, durch die das weniger schmeichelhafte „Eintagsfliege“ ersetzt werden soll.

Dabei hat Erfolg im Pop nichts mit Beständigkeit zu tun, nur in seltenen Fällen hält er wirklich lange an. Und wenn, dann lässt sich das auch begründen, man denke an die Beatles, Stones, Boney M. (ja, durchaus nicht abwegig), ABBA oder auch Freddy Quinn, deren Hits entweder in musikalischer Hinsicht haltbare Gründe für den hohen Absatz liefern oder aber sich im gesellschaftlichen Kontext verstehen lassen. Meist ist’s aber eine Mischung aus beidem, denn nicht nur das was gefällt ist ein musikalisches Stilmittel.

Nehmen wir als Beispiel einmal die in letzter Zeit zumindest medial größere Akzeptanz erfahrenden Scooter. Vor ein paar Jahren sah das anders aus, unter anderem mit der Begründung, ihre Tracks seien doch viel zu „billig“, das heißt von der Struktur her zu schlicht und in ihrer Wirkung zu kalkuliert. Als ob das ein Grund wäre, Musik pauschal abzuwerten.

Nicht dass es kein Grund sein könnte, aber eine dermaßen eingängige Musik zu schreiben ist nicht einfach nur eine „handwerkliche“ Leistung. Wer schon einmal in einem Tonstudio war, weiß, dass die dortige Arbeit nichts damit zu tun, an ein paar Knöpfen zu drehen, bis es irgendwie laut, bassig und gut klingt. Töne und Frequenzen verhalten sich im Zusammenspiel manchmal garstiger, als der liebliche Klang der fertigen Produktion wahrscheinlich macht. Das alles wurde mir neulich bewusst, als ich mich auf einmal (doch nicht aus eigenem Antrieb) auf einem Scooter-Konzert befand und dort unter anderem den folgenden Track hörte:


 Ist die Frage denn nicht klar genug?

Habe ich getanzt? Nein. Es gab aber mehrere Momente, in denen ich mit der Fußspitze wippte. Mehr war bei mir nicht los.

Catchy ist hier nicht das von H.P. Baxxter Vorgetragene, sondern vor allem die mit Autotune bearbeitete Zeile „How Do You Do?“. Sie stammt wie die Hooklines vieler anderer Tracks der Gruppe aus einem eh schon bekannten Stück, in diesem Fall Mouth & MacNeals Single „How Do You Do?“ aus dem Jahr 1971.


Und selbst?

windows_howDer eine singt bärbeißig, die andere (auch nur etwas) lieblicher, es wechseln Laut und Leise, zurückgenommen und opulent, der Bass macht Bomm-Bomm und der Refrain besteht aus einer international bekannten Frage beziehungsweise Phrase, am wichtigsten ist sicher jedoch das „Nana-nana“. Eigentlich müsste man nicht mehr von diesem Song wissen. Da er in der ursprünglichen Version aber nur bis auf Platz fünf, als deutschsprachige Bearbeitung aber auf Platz eins der Charts gelangte, wollen wir uns den Text noch einmal anschauen. Nicht, weil wir darin einen Grund für den Erfolg finden könnten, sondern einfach um des Vergleichs willen.

„Once I said I wanted you, I don’t remember why
I often wondered if it’s true that you could make me cry
I only know it’s long ago you said, ‚I love you‘ too
But I got one solution and that was to start anew

How do you do? uh huh
I though why not na, na, na, na?
Just me and you and then we can na, na, na, na (…)“

Ah, ein Neuanfang in Sachen Liebe. Und dassnach recht harten Eingeständnissen und viel gutem Willen sowie der Frage: „Wie geht’s Dir?“. Das scheint nicht abwegig, sogar etwas ehrlich und lieb, und das bei einem Schlager. Das ist immerhin okay.

Kommen wir nur zur deutschsprachigen Version. Auch ein Song ist ein Produkt, kein hehres, ätherisches Wesen, das einem Künstler bei einem Mondspaziergang zugeflogen kam. Besonders bei chartrelevanten Produktionen geht es dabei ja, wer hätte das gedacht, um Erfolg, und diesen garantieren keine Feingeister (die machen im besten Fall nur gute Songs), sondern pragmatische Menschen. Scooter in etwa scheinen sehr pragmatisch zu sein, weil sie einfach Hooklines anderer Hits oder auch von Traditionals übernehmen. Wer das für dreist hält, sollte wissen, dass es noch dreister geht. Anders als ein Kulturpessimist glauben könnte, muss dieses „dreister“ nicht der Gegenwart entstammen oder in Zukunft drohen, es kann schon längst dagewesen sein.


Spätestens jetzt weiß ich, wie es mir geht. Aber ich will Euch ja die Laune nicht verderben.

Nach welchen Kriterien die Interpreten hier ausgesucht wurden, macht nicht einmal eine rhetorische Fragen notwendig. Es ist kein Cover, es ist eine etwas sanftere Kopie. Das gilt insbesondere für das Äußere der beiden Interpreten und die Musik. Der Text wurde verändert, im Original erklärte sich die etwas übertriebene Gelöstheit des Refrains noch aus den Zweifeln der Strophe, die schließlich willentlich beiseite geschoben wurde, was ja durchaus ein Kraftakt sein kann. Bei den „Windows“ ist wieder einmal alles dröge, plumpe und auch noch ewige Liebe. Da wird nicht gezweifelt, da wird nur gewonnen, es ist wie an einer Losbude.

„How Do You Do?“ war der einzige Hit des aus Jeanette McKinlay und Peter Petrel bestehenden Duos. Über die weitere Karriere der Sängerin ist nichts bekannt, Petrel hingegen wurde Mitglied der von Udo Lindenberg besungenen Rentnerband („Bei Onkel Pö spielt ’ne Rentnerband seit 20 Jahren Dixieland…“ in „Alles Klar Auf Der Andrea Doria“) und veröffentlichte als Solointerpret Stimmungsmusik mit Titeln wie „Wie Kann Man Blau sein?“, „Kalle Mit Der Kelle“, „Wer Gibt Noch Einen Aus?“, „Was Will Der Fremde Mann In Meinem Bett“ oder „Ich Bin Viel Zu Bescheiden“.


Peter Thomas Heck hat hier eine wirklich gute Ansage gemacht.

2 Kommentare zu “Der Liedschatten (122): Losbude Liebe”

  1. Heinz Hugo sagt:

    Geht’s hier irgendwann mal weiter? Letzter Beitrag schon 2 Monate her.

  2. Lennart sagt:

    Mit Sicherheit geht’s noch mal weiter. Gerade eben finde ich aber leider keine Zeit dafür. Das ärgert mich nicht wenig.

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