Der Liedschatten (127)Wie meinen?

T. Rex: „Metal Guru“, Juli 1972
Über ein halbes Jahr Pause und ein unhandlicher Name machen es notwendig, den Liedschatten eingangs noch einmal kurz vorzustellen.
1. Der Liedschatten behandelt alle #1-Hits der Singlecharts der BRD in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit dem Jahr 1959.
2. Das geschieht oft sehr lose und assoziativ. Je nach InterpretIn, Song und Laune des Autors wird in freier Form gelobhudelt, missachtet, doziert, verehrt oder geirrt. Letzteres bemerke ich manchmal, manchmal nicht. Bisher gab es 126 Folgen, mehr dazu hier.
Doch genug der trockenen Worte, es wird wieder Musik gehört. Davor aber – wir wollen nämlich sehr diszipliniert vorgehen – sollten wir den Titel der heutigen #1 lesen, nämlich: „Metal Guru“ von T. Rex.
Trotzdem werden wir (wie nur allzu oft) zu spät bemerken, dass unser Geist abschweift, weil nämlich, traurig traurig, unsere Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird. „Die ständige Informationsflut stört nicht nur die Konzentration. Sie bringt die Menschen vermehrt dazu, Arbeitsprozesse abzubrechen und Aufgaben immer weiter aufzuschieben.“, lesen wir. Und erinnert uns das nicht an etwas? Wie war das noch mal, war da nicht prunkende, prangende Rockmusik, lärmend und mit einem „Dengel, wusch!“ auf das eine Becken, einem „Dengel, wusch!“ ebenso auf das andere, oder nicht?
Bleiben wir deshalb lieber bei der Sache: Metal und Guru, Rock und Kultisches sowie Dinosaurier, die ja, wir erinnern uns, untergingen oder klein wurden und Federn bekamen wie wir, wenn wir die ganze Zeit „nur kurz noch Mails checken“. Dann kurz noch zu Facebook, scrollen, nichts finden, aus dem Fenster schauen und sehen: Oh, alles kaputt. Das war’s wohl mit der „westlichen Leitkultur“. Selber schuld.
Auf den Straßen tummeln sich statt erhabener Zeichen hoher Gesinnung wie Zeitungsständern vor Kiosken oder Kindern, die guten alten Spielen (Sprungseil, Hickelkasten und Gummitwist) nachgehen, auf einmal Raubsaurier, über deren kleine Ärmchen keiner mehr Witze macht, seit sie statt uns an der frischen Luft lustwandeln und gute Rockmusik hören. Wobei mir einfällt:
Genau, da war etwas, T. Rex mit „Metal Guru“, #1 im Juli 1972. Und keine Sorge, ich bleibe nun bei der Sache, obwohl ich zugeben muss, dass die Worte „Metal“, „Guru“ und „T. Rex“ mich mächtig wuschelig machen. Um sie herum könnten Menschen mit Muße ein pulpiges Science-Fiction-Epos spinnen, inklusive prähistorischer Zivilisation, fehlgeleiteter kybernetischer Experimente und animalischer Kulte. Alles scheint möglich und diese mannigfaltigen Möglichkeiten dürften ganz im Sinne der Pop-Mode namens Glamrock gewesen sein, siehe David Bowies Ziggy Stardust, die „Rocky Picture Horror Show“ und all die Outfits von Bands wie Slade, Sweet, den New York Dolls, Gary Glitter, Mott the Hoople, Lou Reed, Roxy Music, Alice Cooper, Elton John, Alwin Stardust, vielleicht auch von Pop-Acts wie The Rubettes … Je mehr Namen man der Liste hinzufügt, umso deutlicher wird, wie wenig von „dem“ Glam gesprochen werden kann. Deshalb schrieb ich weiter oben auch „Pop-Mode“, nicht Genre. Dass die fast ausschließlich männlichen Glamrocker, der Name sagt es, glamourös gekleidet waren, dazu aber noch androgyn, dürfte ihre augenfälligste Gemeinsamkeit gewesen sein. Ihre Musik hingegen klang – sieht man einmal davon ab, dass die Songs meist ebenso eingängig wie der reichlich zitierte, frühe Rock’n’Roll waren – sehr unterschiedlich. David Bowie oder Bryan Eno waren außerirdische Kunststudenten im Gastsemester mit großen Ambitionen für die Jahresausstellung, Marc Bolan hingegen verlieh recht schlichten Gelüsten in perfekt komponierten Hitsingles Ausdruck.
Bei der Liebe loslegen und nicht allzu alte Frauen zum Zappeln bringen, darauf konnte man sich 1972 in der Popmusik seit bereits über zwanzig Jahren einigen. Bolan und T. Rex schienen daran nichts ändern zu wollen, selbst wenn der Ausdruck des Begehrens oft eine seltsame Form wie „Well you’re built like a car/ You’ve got a hub cap diamond star halo“ fand.
Neu war hingegen die musikalische Untermalung dieser Texte, dichter, warmer und weicher Boogie-Rock voller Streicher, Chöre und Overdubs, lasziv aber zielstrebig gespielt, gefällig groovend und lockend. Pop wurde in Worten und Klang vollkommen umarmt und das Format der Single nicht über Gebühr strapaziert. Marc Bolan schrieb für T. Rex dreiminütige Songs, die auch heute noch mit gleicher Berechtigung auf Schlager- und Oldieradios wie der heimischen Anlage laufen können, sie eignen sich zur Beschallung stupender Lohnarbeit ebenso wie zum weltvergessenen Tänzeln.
Trotzdem machen sie keinesfalls den Eindruck, als hätte es Bolan darauf angelegt, Gefallen zu finden, im Gegenteil. Das Gefallen am eigenen Leben und Treiben, also Selbstbewusstsein, ist Teil des Sounds. Das wird sogar dann verständlich, wenn der Text weit davon entfernt ist, einen klaren Zustand der Bewusstheit auszudrücken.
„Metal Guru is it you
Metal Guru is it you
Sitting there in your armour plated chairOh yeah, metal Guru is it you
Metal Guru is it true
All alone without a telephoneOh yeah, metal Guru could it be
You’re gonna bring my baby to me
She’ll be wild, you know,
A rock’n’roll child […]“
Was fangen wir nur damit an? Nichts weiter, und dass Bolan laut Wikipedia den Song mit den Worten „Is a festival of life song. I relate ‚Metal Guru‘ to all Gods around. I believe in a God, but I have no religion. With ‚Metal Guru‘, it’s like someone special, it must be a Godhead. I thought how God would be, he’d be all alone without a telephone“ beschrieb, können wir auch ohne Quellenangabe ruhig glauben, es hilft uns eh nicht weiter. Gott als Kuppler ohne Telefon, was ließe sich dafür oder dagegen sagen? Nennen wir es Poesie, kommentieren wir sie nicht anders als mit einem „Soso“ oder vielleicht „Naja“.
Bolan war nicht nur Musiker und Texter von Popsongs, er veröffentlichte 1969 den Gedichtband „The Warlock of Love“, dessen Texte mich nach kurzer Recherche zwar nicht dümmer als vorher zurückließen, doch schlau wurde ich aus ihnen auch nicht. Offenbar hilft nichts und niemand, Bolan zu verstehen.
Dennoch werde ich dem bereits vor seinem Tod 1977 entrückt wirkenden Künstler, also seiner Musik, weiterhin zuhören. Ich fand Gefallen am Sound von T. Rex, allein schon das Schlagzeug … was könnte ich noch mehr verlangen? Wobei, ein wenig Ringo Starr wäre schon gut.
„Some people like to rock. Some people like to roll. They do, they do honestly. They really, really do. All over the floor.“
In der nächsten Folge: Mouth & MacNeal mit „Hello-A“.
Klasse, dass es endlich weitergeht mit der Rubrik! Dachte schon, das wäre eingeschlafen. Hoffentlich jetzt wieder in kürzeren Intervallen!
Besten Dank! Probieren möchte ich’s auf jeden Fall.