Metal-Mania – nein, Black-Metal-Mania oder Post-Black-Metal-Mania muss man wohl sagen – macht sich breit. Die Amis haben es vorgemacht und langsam, langsam nimmt man auch hierzulande Notiz von der Energie und vor allem von der Wandlungsfähigkeit, die dieses Genre bieten kann, wenn man sich erst einmal die Schminke vom Gesicht gewaschen und die Engstirnigkeit aus dem Kopf geschlagen hat.
Sicher spielen Todesmetaphern, Naturromantizismen, Soziophobie und Welthass immer noch eine große Rolle, aber arisch-paganer Satan-Wotan-Odin-was-weiß-ich-ismus, offenes Kokettieren mit dem Nationalsozialismus, Rassismus, Misogynie und andere Formen des Chauvinismus sind merklich in den Hintergrund getreten. Ich möchte hier nichts beschönigen, die Abgründe sind immer nur ein paar Klicks entfernt, aber neue (Post-)BM-Bands vertreten ebenso gern anarchistische, antikapitalistische oder vegane Ansichten. Gruppen wie Alcest, Wolves In The Throne Room, Liturgy, Blut Aus Nord, Krallice und viele mehr haben den Grundstein gelegt, aber die Dämme endgültig zum Brechen gebracht haben 2013 Deafheaven. Die wahren Jünger werden angesichts dieser vermeintlichen Profanisierung des Gottlosen drei umgedrehte Kreuze in die Luft malen und Gift und Galle spucken, aber was soll’s. Alle, die ein offenes Ohr haben und die sich auch über Vauras Aneignung erfreuen konnten, können getrost weiterlesen. Auch alle anderen sind eingeladen, denn es gibt Einiges zu entdecken im Reich der Finsternis, aus dem ich an dieser Stelle ein paar meiner persönlichen Highlights kurz vorstellen möchte. Ob sich aus diesem Rundumschlag so etwas wie eine, in loser Abfolge erscheinende, Kolumne entwickelt – wer weiß?
Anfangen will ich mit Griefloss. Das Trio aus Washington, D.C. ist nämlich schon der erste große Spalter in dieser illustren Runde. Sind sie nun eine Black-Metal-Band, die zuviel Shoegaze und Screamo gehört hat, oder sind sie eine (Power-)Shoegazeband, die sich dreist bei Black Metal bedient? Mir ist das im Grunde sowas von Schnurz, die sechs Songs auf ihrem Debüt „Ruiner“ sind jedenfalls von allererster Güte. Die einzelnen Stücke werden über ihren zeitlichen Verlauf meist von im Tempo variierendem, schwer rollendem Schlagzeugspiel, das passagenweise von furiosen Blastbeats zerhackt wird, und massiven Bassgewummer vorangetrieben. Den Gesang teilen sich zwei Bandmitglieder gemäß ihrer Rollen: Black-Metal-typisches Heulen, das oftmals in puren Sound überführt wird steht neben Klargesang, tonal recht nah an Indie oder Emo. Zu alledem sägt, dröhnt und walzt die Gitarre. Die Gesamtheit der einzelnen Dinge erzeugt, wie nebenbei, eine nahezu diabolische Melancholie – eine Wehmut, der man sich kaum entziehen kann, die beinahe haptisch, gleißend hell im Raum steht, insgesamt wunderbare 43 Minuten lang.
A Pregnant Light sind sowas wie das Aushängeschild des kleinen, bemerkenswerten Cassettenlabels Colloquial Sound Recordings. Der Sound ist – labelimmanent – extrem dreckig und auf Ü-Raum gebürstet, das Klangbild und die Abmischung wirken erst einmal recht gewöhnungsbedürftig. Das Schlagzeug springt einem streckenweise direkt in die Fresse, die Gitarre dudelt in einer Tour Solos, der Bass grummelt und den Sänger haben A Pregnant Light, damit er nicht permanent Rückkopplungen erzeugt, kurzerhand ins geflieste Kühlhaus verbannt. In dieser Konstellation torkelt die Band durch ein haarsträubendes Gemenge aus Black Metal, Post Punk, Hardcore, Noise und Rock’n’Roll. Man hört A Pregnant Light in jeder Sekunde die Inbrunst an, mit der sie ihre Musik unter das geneigte Volk bringen wollen und wenn dann schon im zweiten Song voller Enthusiasmus „Join the lilajugend“ intoniert wird, bleibt auch noch genug Raum zum Schmunzeln. Sicher nichts für Puristen, aber mit Sicherheit ganz groß und in meinen Augen eine weitere Entdeckung des Jahres.
Harakiri For The Sky – Aokigahara (Art Of Propaganda)
Harakiri For The Sky kommen aus dem oftmals für beschaulich gehaltenen Österreich und auf ihrem zweiten Album “Aokigahara” dreht sich textlich alles um das Unverstandensein, Todessehnsucht und Selbsttötungsfantasien. Googelt man kurz den Albumtitel, fügt sich alles zu einem nahezu perfekten Konzept zusammen: Der Aokigahara ist ein in Japan berühmt-berüchtigter Wald am Fuße des Fuji, so dicht bewachsen dass man dort seit jeher Geister und Dämonen beheimatet sah. Auch heute dient er vielen als bevorzugter Ort, um aus dem Leben zu scheiden, dafür gehen manche gehen so tief in den Wald hinein, dass ihre sterblichen Überreste erst Jahre später aufgefunden werden. Musikalisch setzt das Duo aus Wien und Salzburg dieses Sujet mit der Hilfe einiger befreundeter Musiker als dicht gewobenen Trip aus schweren Riffs, Doublebass-Blastbeats, Shoegazegitarren und emotional ergreifenden Melodiebögen um. So kann es durchaus vorkommen, dass eine Gitarre fast über die gesamte Songlänge solo spielt, aber eben nicht als Selbstzweck, sondern als verschleppt-melancholische Unterstreichung der Songtexte, quasi als akustischer Verstärker von Emotion. Die Darbietung des Gesangs ist an Screamo, Hardcore oder Sludge geschult und daher für gängige Genreverhältnisse eher klar in die Musik eingebettet, als in ihr unter- oder aufzugehen. Für mich ebenfalls eine der Entdeckungen des Jahres, für die ich mich bei dem kleinen Label Art Of Propaganda aus dem ebenfalls beschaulichen Seesen (welches sich gerne als „Tor zum Harz“ bezeichnet – in Deutschland ein gleichsam mit Mythen beladener Ort) bedanken möchte.
Nach diversen Tapes und Splits, zum Beispiel mit den ebenfalls großen Unru, haben Sun Worship ihr erstes Album „Elder Giants“ vorgelegt. Strukturell bewegen sich die Berliner dicht am klassischen Black-Metal-Paradigma aus Blastbeats, ebenso schnellem Gitarrenspiel und bösem, gefauchtem Geschrei, wozu sich aber erfreulich körperbetonte Bassgewalt und Dichte gesellen. Besonders großartig, beinahe erhaben zu nennend werden Sun Worship immer dann, wenn sie völlig kitschfrei melodieartige Hooks zulassen oder ihr Spiel abbrechen, um im Wiederaufbau feist und staubtrocken alten Helden oder klassischem Hard Rock wie Deep Purple zu huldigen. Dabei weist die Darbietung der Musik ein nicht zu unterschätzendes Maß an Professionalität auf. Die Band möchte schon zeigen, wie gut sie spielen kann, allerdings – und das ist immer löblich – kippt ihre technische Versiertheit nie in Muckertum. Ferner meint, man im Spiel immer auch eine Hardcore- und Punk-Sozialisation wahrzunehmen. Sun Worship zeigen über ihre Veröffentlichungen hinweg eine Entwicklung auf, die noch Einiges erwarten lässt.
Einstürzende Neubauten fragten 1984 in „Wasserturm“: „Wie hört man sich das denn an?“ Genau dies ist auch die erste Frage, die einem hier beim ersten Klang, der aus den Boxen dringt, durch den Kopf jagt. Wold veröffentlichen bereits seit 2001 Musik und wenn sie das nicht schon seit 2005 bei Profound Lore machen würden, könnte man sich durchaus fragen, ob sie überhaupt irgendwas mit Metal zu tun hat (obwohl sich Hardliner diese Frage vielleicht auch bei so mancher anderen hier besprochenen Veröffentichung fragen könnten). Die Musik, die Wold auf „Postsocial“ in die Welt entlassen, hat zwar in den Tiefen der Textur hörbar ihren Ursprung in Gitarren und Riffing, aber alles wird dermaßen heftig prozessiert, geloopt, verzerrt, gefiltert und geschreddert, dass am Ende ein alle Sinne herausfordernder Brocken schwarzer Materie geboren wird. Manisch, schamanisch.
Zum Schluss noch zwei Empfehlungen in der Ultrakurzform:
Drei Songs hat das Quintett aus Kapstadt eingespielt und ich wage es einmal zu behaupten: Von Wildernessking wird man noch hören. Schon allein das eröffnende „Lurker“ ist feinster Balsam für die geschundene Seele und absolut hörenswert, auch die restlichen zwei Songs machen eine gute Figur. Das Debütalbum ist für Ende des Jahres geplant, mal sehen, was es uns bringen wird. Ich bin gespannt.
YAITW veröffentlichen auf dem Label von Converges Texter und Sänger Jacob Bannon und sie liefern mit „When Life Comes To Death“ in meinen Augen das, was der amerikanische Musikjournalismus gerne als „Blackened Hardcore“ bezeichnet: Aggressiven, nihilistischen Hardcore mit einer Tendenz zum Dunklen.
Hey, Danke für diese interessante Auswahl an neuen Bands! A Pregnant Light ist ja echt mal eine Entdeckung – gefällt mir ausgesprochen gut. Griefloss kannte ich schon. Was mich dort stört ist der Cleangesang, der das gut Gesamtbild stört. Der weckt bei mir leider Assoziationen zu schrecklichstem New Metal Klagegesang. So, jetzt mal den Rest antesten :-)
Übrigens Eure Seite ist toll. Auch die Mischung aus verschiedenen Genres solltet Ihr unbedingt beibehalten. Daumen nach oben.
Wird diese „Kolumne“ in Zukunft evtl. noch fortgesetzt werden?
Ja, geplant ist das. Teil II befindet sich in Arbeit…
Super!
Und danke für die schnelle Antwort.