Der Liedschatten (24): Nichts mit Brille

Nana Mouskouri mal wieder. „Warum ‚mal wieder‘, ist es nicht erst ihr zweites Erscheinen in dieser gar manngifaltigen Kolumne? Höre ich da ein müdes Augenrollen heraus?“, magst Du, sehr verehrteR LeserIn, Dich nun zu fragen gezwungen sehen. Dir aber sei frei heraus entgegnet: Dein Gedächtnis in Ehren, überhaupt bist Du gewiss eine oder aber ein stets für ihren (und seinen) Scharfsinn zu lobendeR ZeigenossIn, mit Gedanken, fein wie Marmoradern, aber hier irrst Du. Denn nein, ein Augenrollen ist nicht zu hören, wie sollte das denn gehen? Auch knirscht der Autor nicht mit den Zähnen, keine Kiefer schlagen aufeinander, und flattern die Hände? Nein, sie flattern nicht. Alles ist in der besten Ordnung. Aber müde, müde ist er der Frau Mouskouri schon.

Und das ist schlimm: Er kennt kein einziges Album von ihr und nur einige Stücke, ist aber dennoch davon überzeugt, dass ihm auch Liedersammlungen wie „Turn On The Sun“, „Lieder, Die Die Liebe Schreibt“ und „Ich Hab Gelacht – Ich Hab Geweint“ keine neuen Facetten ihres künstlerischen Schaffens mehr offenbaren dürften. Dieser Zustand hat etwas von einer Verbitterung, das ist doch sehr, sehr, sehr unschön, denn wer mag schon gerne zum hadernden Persönchen werden? Aber bleibt denn in einer Welt, in der sich ein nicht unbeachtlicher Teil der Musik konsumierenden Menschheit (immerhin wurden um die 250 Millionen Tonträger der Sängerin verkauft) sich gegenseitig zuzwinkert und im schönsten Einvernehmen weiß, wenn es um ein Staunen ob dieser verrückten Brille geht, mit der sich die Sängerin stets zeigt, etwas anderes übrig? Nun ja, das ist aber auch eine exzentrische Person, eine schwarze Brille! Für die Augen! Drumherum schwarz und mit Gläsern drin … kann man so etwas tragen? Die Frage scheint von Belang zu sein und beschäftigt auch die Presse, „Norbert Röttgen hat jetzt Nana-Mouskouri-Brille“ schrieb zum Beispiel einst der Berliner Express.

Ist es dann ein Wunder, wenn die Dame hinter ihrem Sehbehelf ein wenig gesichtslos wirkt? Zwar macht die Brille nicht die Musik, das ist klar, aber die Musik macht die Brille. Wie das zu verstehen ist, zeigt Nana Mouskouris Hit von 1962, „Ich schau den weißen Wolken nach“.

Nana Mouskouri “Ich schau den weißen Wolken nach”, Juni – August 1962

nana_wolkeSollte dieses Lied exemplarisch für ihr Gesamtwerk stehen, dürfte die Künstlerin Nana Mouskouri ihren Erfolg einer dem Publikum schmeichelnden Blässe verdanken, einzig der Rahmen der Brille sorgt hier für Konturen. Und nein, auch die Phrase von der „guten, einmaligen“ oder sonstwie „unglaublichen Stimme“ einer Frau, die „aber singen“ könne kann nicht als Argument dienen, um ihre Person zu einer herausragenden zu machen. Vielleicht trifft am ehesten noch das kleine Wörtchen „ehrlich“ auf sie zu, dahingehend, dass hier über keine Leere hinweggetäuscht werden soll, sondern diese vielmehr einladend und friedlich angeboten wird.

Die beworbene Warenform „Tonträger einer Sängerin“ aber macht das darauf befindliche Material noch lange nicht zu Aufmerksamkeit verdienender Musik. Künstlerische Qualität lässt sich nicht anhand irgendwelcher wirtschaftlicher Kennzahlen zu- und abschreiben, handwerkliche hingegen schon, und nichts anderes als eine gut und nur zu sauber ausgeführte Arbeit liegt uns hier vor. Diese brauchen wir aber, zumindest solange sich die Menschen wenigstens theoretisch mit etwas Besserem beschäftigen können, nicht lobend hervorzuheben.

Falls sich nun aber irgendwer dazu veranlasst fühlen, milde lächelnd die Unduldsamkeit des Autors mit einem sanften Kopfschütteln zu bedenken, sich am Ende gar gezwungen sehen sollte, etwas wie „Wenn das so und so vielen Menschen gefällt, dann muss daraus aber dieser und jener ideeller / ästhetischer Wert resultieren oder aber das und das angesprochen werden, deshalb wäre ein wenig Achtung / Anerkennung angebracht“ zu äußern: Falls die breite Akzeptanz und Kenntnis eines Produktes tatsächlich etwas über seinen künstlerischen Gehalt, ja über die Berechtigung zur Existenz aussagen sollte, haben wir es bei Anzeigen, Fernsehspots, Radiowerbung, Außenwerbung und Sportveranstaltungen mit der denkbar größten Kunst zu tun. Und diese würde auch erst dann für unerreichbar geglaubte Gipfel erklimmen können, wenn eine Gesellschaftsform möglichst gleichgeschaltet und totalitär gestaltet ist. Es ist also besser, sich von dem Argument, irgendetwas könne ja aber nicht falsch und schlecht sein, wenn es so und so vielen Menschen gefalle, nicht beeindrucken zu lassen.

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