Der Liedschatten (15): Ralf Bendix "Babysitter-Boogie"

Ein Exkurs oder: Popmusik und Innovation, ein ewiges Gerangel

Ohne Frage sind die Beatles eine der wichtigsten Bands, vielleicht sogar, und diese Meinung  vertritt der Autor, die wichtigste Band überhaupt, eine regelrechte Band-Band. Klar, damit rennt man offene Türen ein, und nicht wenigen mag eine solche Feststellung deshalb überflüssig erscheinen, zu etabliert, vielleicht sogar opportunistisch und am Ende gar unbegründet.

Denn was hätten die Beatles schon gemacht, mögen sie dann einwenden, was außer gutem Marketing mit ein paar hübschen Gesichtern und deren gefälligen Liedchen? Diese seien dann auch, betrachte man die ersten Veröffentlichungen der Band als The Beatles, im Vergleich zum Radiophonic Workshop der BBC, der Musik des Jazz, Avantgarde, Musique Concrete und ähnlichem nicht wirklich innovativ gewesen.

Mag sein, aber: Popmusik ist weder Messe noch Workshop für Innovationen und nicht nur die Seele, sondern auch der Erfolg ist eine dumme Pottsau und kennt weder Scham noch  Loyalität. Und Gerechtigkeit schon gar nicht, die gibt’s nicht, auch nicht in der Musik, sonst könnten sich The Lucksmiths endlich mal eine Vinylausgabe ihrer Diskographie leisten. Und was sollte Gerechtigkeit am Ende schon gar mit Innovation und deren Wertschätzung zu tun haben? Ein Album für schlecht befinden, weil es „nichts Neues“ sei, ist eh eine verdruckste und  halbgare Sache, vor allen Dingen, da dieser Einwand meist ­­­­nicht unbedingt von Menschen mit einem „neue Musikzeitung“-Abonnement  geäußert wird, sondern denjenigen, die lieber auf Bewährtes, einst als revolutionär Gefeiertes zurückgreifen, in der Art „Ach, Radiohead? Das haben Pink Floyd alles schon einmal gemacht.“

Wenn aber irgendwer ein Werk von Qualität schafft, spielt es letztendlich keine Rolle, welche Attribute es von einer unbeholfenen Öffentlichkeit zu- oder abgesprochen bekommt, obgleich man sehr wohl darüber diskutieren kann und sollte. Es gibt immerhin Eigenschaften, anhand derer sich auch Popmusik bewerten lässt.  Ausgangspunkte für eine Beurteilung dieser bieten zum Beispiel Erwartungen an ihre Funktion und Verwendung, die sich sehr wohl infrage stellen lassen, was zu fruchtbaren, weiterführenden Diskussionen über (Pop)musik führen kann. Man muss und sollte sich deshalb keinesfalls in Resignation und Beliebigkeit flüchten und dem metaphysischen Totschlagwörtlein „Geschmack“ aufsitzen. Popmusik ist einfach zu omnipräsent, als dass man sie übergehen könnte und dürfte, sie muss deshalb nicht nur geliebt und gehört, sondern auch diskutiert werden.

Wem diese Begründungen zu ungenügend und gar ausweichend erscheinen und wer dadurch den hohen Stellenwert der Beatles keinesfalls gerechtfertigt sieht, möge sich bitte nun noch einmal vor Augen führen, womit wir es bisher zu tun hatten, wovon die Charts bisher dominiert wurden. Von Unterhaltungsmusik nämlich, meist ziemlich schlimmen, langweiligen, lebensfremden, belanglosen Stücken, die „I Want To Hold Your Hand“ wie eine Offenbarung erscheinen lassen. Und dieser Song erschien erst 1963, bis dahin bevorzugte die an Popmusik interessierte Öffentlichkeit Songs wie den „Babysitter-Boogie“, wie sollten da jugendliche ZeitgenossInnen nicht von den Beatles begeistert gewesen sein?

Ralf Bendix und die kleine Elisabeth „Babysitter-Boogie“, Mai 1961

bendix

Wir kennen das Prinzip Neuinterpretation schon viel zu gut, um heute Neues darüber lernen zu können, nehmen wir also damit vorlieb, unserer Kenntnis des abgründigen Schlagers ein klein wenig mehr Tiefe zu verleihen. Uns begegneten schon einige junge Menschen, die von ehrgeizigen Eltern in diese gestoßen wurden, doch lernten sie dabei bisher wenigstens ein Instrument.

Buzz Cliffords einziger Hit „Baby Sittin‘ Boogie“ wurde von Ralf Bendix weitestgehend sinngemäß als „Babysitter Boogie“ ins Deutsche übertragen, das taten andere AutorInnen und InterpretInnen auch schon. Dieses Stück jedoch,  das wohl Rock’n’Roll oder Vergleichbares sein soll, aber nicht ist, beinhaltet in beiden Versionen das Gebrabbel eines Babys, und schon wird’s ein Hit. Wie schrecklich, nicht schrecklich niedlich, sondern geradezu erdrückend schrecklich. Da fällt einem gar nichts mehr ein, nichts weiter, man kann nicht einmal sagen, das Original sei besser gewesen.  Das Prinzip aber konnte etabliert werden.

Merken wir uns also: Kinder und Popmusik, das verträgt sich zwar, ist aber meist unerträglich, egal, ob es sich dabei um Popmusik für Kinder, Kinder machende Popmusik oder Popmusik über Kinder handelt. Klar, Lieder über eine gerne auch idealisierte Kindheit müssen nicht per se schlecht sein, man nehme nur einmal das komplette „The Kinks Are The Village Green Presevation Society“-Album, als Thema taugt es immer etwas. Aber Lieder von, über, für und mit sehr jungen Menschen als solche, nein, das lässt fast immer ratlos zurück (aktuell hat man zum Beispiel Rebecca Blacks „Friday“ auszustehen). Ausnahmen sind höchstens Kinderlieder und/oder Songs des Kalibers „Bad Boy“ vom Rock’n’Roll-Pimp und Little-Richard-Drogenkumpan Larry Williams.

Generell aber sollte eine Anwendung des Begriffes „kindgerecht“ mit der Aufgabe eines marktwirksamen Prädikats im Bereich der Popmusik nichts verloren haben, eher empfiehlt sich ein Umgang mit dieser, wie er in der US-amerikanischen Serie Pancake Mountain kultiviert wird, einer Show für Kinder, in der zum Beispiel bereits Built To Spill, Daniel Johnston, The Walkmen, The Melvins und Deerhoof spielten. Erklärt das mal Euren öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern.

Ein Kommentar zu “Der Liedschatten (15): Ralf Bendix „Babysitter-Boogie“”

  1. […] Sogar das gemeinsame Kind, ebenfalls Elisabeth geheißen, brabbelt verkaufswirksam im Hit „Babysitter Boogie“. Da dürfte einiges an geschäftlichem Wissen vorhanden gewesen sein, um Roy Black trotz Beat, […]

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