Thurston Moore versucht sich bei seinem neuesten Alleingang als Wiedergänger, indem er seine versehrten Gedanken, bewusst oder unbewusst, in einer Art natürlichem Kunstwerk präsentiert.

„Simple pleasures strike like lightning“ singt der umtriebige Musiker auf „Benediction“, welches das neueste Solowerk Moores einleitet. Recht hat er damit, auf „Demolished Thoughts“ klingt vieles einfach und gefällig und besitzt trotzdem strahlende, ja aufblitzende Augenblicke. Etwa die Streichermomente in Cinemascope, die von Samara Lubelski intoniert als kontrastreicher Gegenentwurf zum brummelnden Gitarrentremolo Moores fungieren. Oder wenn selbst ein Quäntchen rauer Virtuosität zum lange anhaltenden Atem bei „Circulation“ wird, bei dem er vom mindestens halbseitig seelenverwandten Beck Hansen stimmlich unterstützt wird.

Anders als bei vergleichbaren Soloausflügen wie dem letzten Kozelek-Album oder, treffender, J Mascis’ Ausflug in die naturverbundene Harmonieseligkeit wirkt auf „Demolished Thoughts“ trotz der zeitlich gestreckten Titel nichts so, als würden Kunstpausen eingelegt. Auf unendlich scheinende Instrumentalpassagen folgen nur kurze Textskizzen, die keinen Stillstand, nein vielmehr den Sprung von Atemzug zu Atemzug markieren. Deutlich wird das beim niemals enden wollenden „Blood Never Lies“, das die Gratwanderung zwischen ausufernder Sonic-Youth-Methodik und zeitgeistiger Folkverbundenheit markiert. Womit sich dann auch die Frage nach der Inspiration Moores klären muss, die wiederum in vielen Fällen sicherlich bei Nick Drake enden kann.

Der vielerorts angedichteten Verwandtschaft zum heiligen Gral zeitgenössischer Folkmusik kann hingegen nicht vollends zugestimmt werden: Allein die dekonstruierten Verschachtelungen in Stücken wie „Orchard Street“ oder das in mystischer Stimmung vorgetragene „Mina Loy“ besitzen zu viele Freiheiten, um den in sich geschlossenen Stücken Nick Drakes nahe zu sein. Dass dessen Genius Moore aber nicht gänzlich unberührt gelassen haben muss, davon zeugt neben „Benediction“ vor allem „In Silver Rain With A Paper Key“ ausgezeichnet. Nicht nur, dass hier das Gitarrenspiel historisch anmutende Züge annimmt. Seine nebulöse Grundstimmung umfängt vielmehr die Szenerie wie ein Gespinst aus längst vergangener Zeit und lässt sie auch nicht mehr los.

Es ist unglaublich schwierig, den kunstvollen und virtuosen Stücken auf „Demolished Thoughts“ gerecht zu werden, die, obwohl inszeniert und kompositorisch ausgefeilt, wie ein Atemzug oder auch ein in Zeitlupe aufgenommener Blitz wirken, was beim ersten Blick auf deren jeweilige Spielzeit nahezu unmöglich scheint. Die natürliche Einfachheit jedoch, die jeden Moment der Platte umfängt, macht das Album so zu einem immerwährenden Blitzlicht.

78

Label: Matador/Beggars Group

Referenzen: Nick Drake, Sonic Youth, Samara Lubelski, Mark Kozelek, Jim O’Rourke

Links: Albumstream | Facebook

VÖ: 20.05.2011

3 Kommentare zu “Thurston Moore – Demolished Thoughts”

  1. […] die Redaktion darüber hinaus mit den aktuellen Werken von Fucked Up, Panda Bear, EMA, John Maus, Thurston Moore, Jamie Woon oder Bill Callahan, um nur mal einige zu nennen. Zählt man das in aller Ruhe zusammen, […]

  2. […] letzte sein könnte. Wie auch immer die Zukunft der Band aussieht, nach Moores letztjährigem „Demolished Thoughts“ stellt nun spätestens das erste Soloalbum von Mitgitarrist Lee Ranaldo klar, dass ihre […]

  3. […] sein Soloalbum „Demolished Thoughts“ noch sehr der Emanzipation vom großen Schatten Sonic Youth gewidmet, so ist „Chelsea Light […]

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