Der Liedschatten (12): Blue Diamonds: “Ramona”

„Die Charts und Auftritte in Schlagerfilmen scheinen ja damals eng miteinander verbunden gewesen zu sein, die ZDF Hitparade gab’s wohl noch nicht?“, fragte Uli anlässlich des Textes zu Jan & Kjeld und berührte damit einen Bereich, der bisher nur sehr beiläufig Erwähnung fand, nämlich die Versuche zahlreicher MusikerInnen der 50er und 60 Jahre des 20. Jahrhunderts, SchauspielerInnen zu mimen.


Ein Exkurs oder: Der Schlagerfilm, Hort der Schnulzen

Die natürliche Ordnung der Dinge war dabei wie folgt: erst kam der Film, dann der Hit. Ein solcher war zwar auch ohne Film denkbar, aber besser noch war ein Werk mit mehreren Songs, die zu Hits werden konnten. Schlagerfilme waren sozusagen die Alben der 50er Jahre.

Das Vorkommen in einem solchen machte vor allen Dingen dann Sinn, wenn ein möglichst großes Publikum erreicht werden sollte, und eine andere Motivation dürfte es für die Herstellung der Musik, die wir bisher an dieser Stelle hören durften, nicht gegeben haben. Überhaupt ist der „Hit wider Willen“ ein Mythos, dessen Lausigkeit spätestens seit dem Alternativrock der 90er bekannt sein dürfte. Und wer einen Schlager komponiert und behauptet, es ginge dabei um „Gefühle“ und ähnlichen Quark, hat den Glauben an die Würde des Menschen verloren, ist einE ganz übleR Zeitgenosse respektive Zeitgenossin und gehört aus der Gemeinschaft derer, die sich auch über eine flüchtige Umarmung aufrichtig freuen können, ausgeschlossen. Pfui und Schande über Euch, ihr Zwingherren, die ihr so hübsche Wörter wie „einsam“ und „sehnen“ zum Tingeltangel durch die Dörfer treibt, von der in die Debilität geklingelklangelten Liebe einmal ganz zu schweigen! Euer Bett sei aus Terrakotta, Euer Laken nicht vorhanden und das Nachthemd die feuchte Luft!

So. Das musste mal sein.

Filme boten also neben dem Rundfunk bis in die 60er hinein die beste Möglichkeit, um Musik bekannt zu machen. Musikabspielgeräte (Automaten ausgenommen) oder Fernsehen, das obendrein noch ausschließlich öffentlich-rechtlich war und gar kein Geld einbringen konnte, hingegen waren noch nicht weit genug verbreitet, um ausschlaggebend marktrelevant sein zu können. Bevor man nun also den Versuch startet, ein Lied einzeln und nur als Lied zu bewerben, nimmt man mehrere, baut eine Handlung um sie herum, dreht die ganze Chose und lässt sie per Filmverleih in den Kinos verbreiten. Formal orientierte man sich dabei an der Operette, der „kleinen Oper“, einem Bühnenwerk mit Musik. Anfangs bezeichnete der Begriff noch Einakter, die keine Rezitative, sondern Dialoge aufwiesen und aufgrund eines verhältnismäßig niedrigen Anspruchs auch durch reisende SchauspielerInnen aufgeführt werden konnten. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist die Operette jedoch eine eigenständige, populäre Form des Singspiels. Inhaltlich hatte sie bis dahin eine Entwicklung durchgemacht, die man als eine Art „Verbürgerlichung“ beschreiben könnte und die weg vom Frivolen und einer recht liberalen Moral hin zum Sentimentalen, Nationalistischen und überhaupt Reaktionären und Schlüpfrigen, in dem sich Lustfeindlichkeit als Verballhornung der Erotik darstellt,  führte. Nach dem ersten Weltkrieg ging die Form dann auf in musikalischen Lustspielen, dem Kabarett, Revuen, noch später schließlich in Musicals und auch Filmen.

Und damit wären wir dann wieder in den 50ern und beim damals überaus populären Genre des Schlagerfilms angelangt. Im Folgenden werden Sie Zeuge eines leicht anmaßenden und nicht übermäßig respektvollen Versuchs: Es werden einige Titel filmischer Werke dieser Spielart genannt, und da diese meist eh nur irgendeine Liebesgeschichte zur Handlung haben, müssten Sie nach dem Überfliegen folgender Namen genug über diese Art von Filmen wissen, um endlich mit dieser unappetitlichen Sache für heute Schluss machen zu können.

Also, da hätten wir: „Gitarren der Liebe“, „Mandolinen und Mondenschein“, „Freddie und das Lied der Südsee“, „Tausend Takte Übermut“, „Conny und Peter machen Musik“, „Ja, so ein Mädchen mit 16“, „Hula-Hoop Conny“ und „Laß’ die Sonne wieder scheinen“.

Blue Diamonds “Ramona“, Februar – März 1961

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Die Blue Diamonds fallen in ein, uns bereits durch Jan & Kjeld geläufiges, Schema: zwei Brüder, in diesem Fall Niederländer, werden von ihrem Vater zum Spielen eines Instruments angehalten, fein rausgeputzt und schließlich die jugendliche Zierde der Hitparaden.

Ihre Karriere begannen die Blue Diamonds mit den Songs der Everly Brothers, was ihnen, auch so etwas begegnet uns nicht zum ersten Mal (siehe Ted Herold), den Titel „die niederländischen Everly Brothers“ einbrachte. Die wirklichen Everlys hingegen untersagten es den beiden bald darauf, ihre Stücke zu covern, warum, ließ sich leider nicht ermitteln, man muss sich also damit begnügen, eine Geschichte zu vermuten, die aber mit Sicherheit unterhaltsamer sein wird als die im folgenden Song dargebotene.

Wohlan: „Ramona, zum Abschied sag’ ich dir ‚goodbye’“, ein Song, der so beginnt, hat schon gewonnen, er legt die Karten auf den Tisch  und zeigt: es kann ja nur noch besser werden. Außderdem sehr schön an diesem Stück: Menschen, die unter einer irrationalen Furcht vor dem Sound einer E-Gitarre („Laut! Schneidend! Ahhhh!“) leiden, finden hier Heilung, alle anderen einen seltsam schepperigen Schellenkranz, sicherlich ein originelles Sample, wenn das nicht ohne die Zustimmung der Rechteinhaber eine Straftat darstellen würde und wir hier deswegen ausdrücklich davon abraten täten.

Ramona also wird verlassen, „Verzag nicht / und frag’ nicht / denn in Gedanken bin ich bei Dir“, und nein nein, da braucht sie doch nicht traurig sein, in einem Jahr kommt er wieder, hat ein paar Blumen dabei und alles ist dufte. Ganz kurz also: „Tschüß, frag’ nicht, psst!, Mund halten, bin in einem Jahr wieder da, bring’ Blumen mit.“. Dabei handelt es sich um einen ziemlichen dreisten Chauviquatsch, zumindest dann, wenn man schimpfen mag. Falls nicht, könnte ein solcher Song auch aus Helge Schneiders Meisterwerk „Johnny Flash“ stammen, dem besten Werk der Gattung „Schlagerfilm“ überhaupt.

Ein Kommentar zu “Der Liedschatten (12): Blue Diamonds: “Ramona””

  1. […] an Vergnügungssucht festmacht, aber was soll man anderes von einem Lied erwarten, das einem Schlagerfilm („Café Orientale“) entstammt, dessen Inhalt sich wie folgt angeben lässt: „Ein von […]

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