Der Liedschatten (06): Jan & Kjeld "Banjo Boy"

Seit der letzten Folge befinden wir uns im Jahr 1960, die Dekade der 60er hat, richtet man sich stur nach Zahlen, begonnen, und mit ihr ein in Hinblick auf die Popmusik einmaliges Jahrzehnt.

Ein kurzer historischer Exkurs oder: „Einmaliges“ aus den Sixties

Ist jemandem etwas aufgefallen? Ja? Und was? „Einmalig, das ist doch Quatsch. Was soll denn bitte sehr nicht einmalig sein, mhm?“, mag der oder die aufmerksame LeserIn sich zu fragen gezwungen sehen, und ja, das stimmt natürlich, die Verwendung des Wortes „einmalig“ ist überflüssig und dumm. Dennoch bereitete sich, wenn es sich auch nicht gleich ereignete, so ziemlich alles, was Popmusik ausmachen sollte, in den 60er Jahren vor.

Sie selbst entwickelte sich und somit die Musik zur dominierenden Form des künstlerischen Ausdrucks, erhielt nach und nach eigene Medien, wovon eines die LP als Werk war, und entwickelte die verschiedensten Ansprüche, zum Beispiel den, politisch sein zu müssen oder es eben nicht sein zu brauchen. Die Idee der Jugendkultur als Gegenkultur fasste Boden, und unabhängig davon, wie emanzipatorisch sexuelle Revolution, Friedensbewegung und Drogenkonsum tatsächlich gewesen sein mögen oder ob sie  nur die Folgen von gesellschaftlichen Umbrüchen darstellten, die in einer liberalisierten, kapitalistischen und fordistischen Gesellschaft einfach notwendig waren, um Produktion, Reproduktion und Konsum zu ermöglichen: es war eine Menge los. Darüber darf man allerdings nicht vergessen, was Roger Behrens in einem Artikel auf beatpunk.org sehr klar auf den Punkt brachte:‎ „Solange die Menschheit weiter in diesen mörderischen Verhältnissen namens Kapitalismus lebt, ist es im Prinzip egal, mit welchen Etiketten die Versuche bezeichnet werden, sich einen kleinen, ein bisschen Glück versprechenden Alltag inmitten der herrschenden Tristesse einzurichten.“

Jan & Kjeld „Banjo Boy“, April – Mai 1960

Was sich in Sachen Popmusik nichtsdestotrotz alles anbahnte, machte sich in den Musikcharts der BRD bis 1964 kaum bemerkbar. In diesem Jahr hatten die Beatles ihren ersten Nummer Eins Hit, 1965 begegnen uns an dieser Stelle gar die Rolling Stones. Bis dahin aber müssen wir uns über weite Strecken erst einmal mit den Nachwehen der 50er Jahre auseinandersetzen. Und das wird manchmal richtig hart.

dalida

Sicher, die Vergangenheit lässt sich nicht anhand einer damals unbekannten Zukunft beurteilen, doch wenn sie in Form eines Liedchen wie Jan & Kjelds „Banjo Boy“ daher kommt, dann fällt es schwer, auch nur so zu tun, als wolle man Objektivität wahren. Mangelnde Qualität, fehlender Anspruch und Mittelmaß sind nichts, was mit den Moden kommt und geht, sondern, um es mit Tocotronic zu sagen, ein Unglück, dass  überall zurückgeschlagen werden muss.

Während sich also um 1960 herum in den Charts des amerikanischen Billboard Magazines ein Countrysong mit einer für damalige Zeit bemerkenswerter Überlänge von viereinhalb Minuten, ein zwar humoristisches, aber dennoch sehr gelungenens Rock’n’Roll Stück (Johnny Prestons „Running Bear“) sowie das morbide „Teen Angel“ Mark Dinnings finden lassen, in dem der Tod so explizit thematisiert wurde, dass eine britische Zeitschrift über den Song titelte „Blood Runs in the Grooves“ und er teilweise nicht ausgestrahlt werden konnte, begegnet uns auf Nummer Eins der Charts des deutschen Musikmarkts eine solche Belanglosigkeit wie „Banjo Boy“. Zwar war man zum Beispiel auch in Großbritannien zum selben Zeitpunkt nicht sonderlich rebellisch und innovativ, aber immerhin ein wenig kunstvoller (siehe Michael Hollidays „Starry Eyed“). Oder aber man zelebrierte dort gemeinsam mit Lonnie Donegan den Skiffle, der aufgrund seiner simplen Instrumentierung (z.B. Waschbrett und der sogenannte Teekistenbass) den Anstoß zu zahlreichen Bandgründungen gab, zum Beispiel die der „Quarrymen“, einer Vorform der Beatles.

Gewiss, auch das, was das skandinavische Brüderpaar Jan & Kjeld mit „Banjo Boy“ lieferte, war simpel, jedoch nicht motivierend einfach, sondern einfach schlicht. Zwei Kinder singen von einem Banjo spielenden Boy, der doch bitte sein Lied spielen möge, „Denn Musik, denn Musik, little Banjo Boy, Banjo Boy, ist unser Glück“, und das tut er jeden Abend „in der kleinen Stadt in Tennessee“. Dass man dort aber nicht irgendwelche musizierenden Kinder, sondern Lieder über den Tod (siehe „Teen Angel“) hörte, war egal, Hauptsache, irgendwo ist ein Idyll.

Nun gut, Kjeld und Jan Wennick waren auch noch keine 16 Jahre alt, und da sang man einfach keine doppelbödigen Texte, das verstand sich von selbst, schlimm genug, dass sie so früh arbeiten mussten und dem Stimmbruch am Ende mehr auf Verderb als Gedeih ausgeliefert waren.

Vielleicht aber war auch das noch besser, als die Schulen oder eine Lehre in der BRD zu besuchen, wo das sogenannte „Züchtigungsrecht“, also die körperliche Misshandlung von Kindern, noch nicht verboten war und es sehr klare Vorstellungen davon gab, was gehörig sei und was nicht. Alberne kleine Liedchen trällern gehört mit Sicherheit zu ersterem, ebenso wie in moralisch einwandfreien Filmen die niedlichen Bürschlein geben, so geschehen in dem österreichischen „Kein Mann zum Heiraten“, durch den auch schon Bill Ramseys „Souvenirs“ Absatz fand.

Über Jan Wennicks weiteren Werdegang ist nichts bekannt, Kjeld Wenninck blieb auch nach dem Ende des Duos der Musikindustrie erhalten und hat die Erfolge der Acts Laid Back („Sunshine Reggae“) und Ace Of Base zu verantworten. Bei der Kindheit kein Wunder.

6 Kommentare zu “Der Liedschatten (06): Jan & Kjeld „Banjo Boy“”

  1. sören sagt:

    ganz, ganz schlimm. diese affigen jungs gehen gar nicht. wirken latent behindert übrigens.

  2. Lennart sagt:

    hallo sören,

    es ist ja okay, sich ein wenig zu mokieren, ich mach‘ ja manchmal (gezwungenermaßen) auch nichts anderes, aber das mit dem „behindert“ im kontext einer bewertung will mir nich so recht behagen, da passt der ton nicht, sorry. so etwas wollte ich nicht provozieren.

  3. Michi sagt:

    Der eine sieht bisschen aus wie der von Deerhunter.

  4. Ich muss bei Banjo spielenden Jungen unweigerlich an ein quiekendes Schwein denken. „Deliverance“ hat dieses Instrument für immer für mich ruiniert fürchte ich.

    Die Charts und Auftritte in Schlagerfilmen scheinen ja damals eng miteinander verbunden gewesen zu sein, die ZDF Hitparade gab’s wohl noch nicht?

  5. Lennart sagt:

    @uli: das mit den filmen ist ein kapitel für sich, dam ich auch noch einmal ein solches widmen wollte… bis jetzt habe ich mich aber noch nicht dazu durchringen können, da ich von filmen noch weniger ahnung als von sonst irgendetwas habe. da liegt noch was brach (-:

  6. […] zu sein, die ZDF Hitparade gab’s wohl noch nicht?“, fragte Uli anlässlich des Textes zu Jan & Kjeld und berührte damit einen Bereich, der bisher nur sehr beiläufig Erwähnung fand, nämlich die […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum