„Digital ist besser“ schien einst durchaus schlüssig als Zukunftskonzept, die Präzision von Mathematik, die unverfälscht reproduzierbare Klarheit und das fast grenzenlose Potential in Bits kodierter Klänge wirkten alten analogen Aufnahme- und Produktionstechniken so selbstverständlich überlegen, dass deren Aussterben nur noch eine Frage der Zeit sein konnte. Doch mit der Zeit wurde nicht nur deutlich, dass mehr technische Möglichkeiten allein noch nicht zu künstlerischer Innovation führen, es dafür wie eh und je des nötigen kreativen Geistes und handwerklichen Geschicks bedarf.

Auch erleben gegen Ende dieser ersten Dekade im 21. Jahrhundert Analog-Ästhetiken ein Mini-Revival nach dem anderen, ob Polaroid-Fotosauthentisch oder als digitaler Effekt – , Digitalfilme mit Kornartefakten, Vinyl- und Kassetten-Tonträger oder eben auch Musik, die selbst dann an archaisch anmutende Produktionsmethoden erinnert, wenn sie überwiegend am Computer entsteht. Oft liefern sicherlich die Einfachheit und leichter erfassbare Kapazität der Werkzeuge einen Anreiz, unbestreitbar sind es aber auch die vage als „warm“ empfundenen Klangtexturen des nur begrenzt präzisierbaren, unvollkommenen, ja fehlerhaften Endprodukts, die auch jene ergreift die mit perfekt identisch kopierbaren CDs und MP3s aufwuchsen.

Vielleicht ist es auch innerhalb dieser Entwicklung zu betrachten, dass das für seine digitalen Zukunftsvisionen bekannte Label Planet Mu zuletzt neben den analog angehauchten Debüts von Oriol oder Tropics auch dem irischen Duo Solar Bears seine ersten Veröffentlichungen bereitet. Besonders die Verwendung von Vintage-Synthesizern und der Einsatz alter Mehrspur-Tonbandrekorder verleihen dessen nahezu gesangsfreier Musik einen traumartig verwaschenen Appeal; „She Was Coloured In“ entfaltet sich dabei wie ein technicolor-utopischer Treffpunkt diverser retroverwurzelter Ansätze der letzten Jahre: Die Skandi-Spacedisco von „The Quiet Planet“, das balearisch entschleunigte „Hidden Lake“, der kosmisch-harmonische Synthflug „Head Supernova“, das à la Quiet Village in schwülen 70er-Soundtracks schwelgende „Primary Colours At The Back Of My Mind“, das Emeralds-psychedelisch Arpeggi verwebende „Twin Stars“, oder das grenzkitschige Titelstück, vernebelt durch geschickt platzierte Gitarrenslides, die auch das an New Order erinnernde „Neon Colony“ zum Höhepunkt bringen.

Kritisieren ließe sich dabei, dass es den Solar Bears, obwohl sie genug Vermischung betreiben um Epigonentum zu vermeiden, an einer klaren eigenen Identität mangelt; es lässt sich kein Stück heraus nehmen, das eine unverkennbare Handschrift des Duos trüge, „She Was Coloured In“ könnte fast genau so gut eine Compilation sein. Allerdings eine sehr gute, denn die Stücke sind durchweg hervorragend und lassen sich, oft wegen über kleine Umwege ausmachbarer Verwandtheiten, alle ziemlich prima unter einen Hut bringen. So kann man auch einfach mal für ein paar Stücke in die sanfte Welt des, wohlgemerkt mit Bedacht sequenzierten, Albums eintauchen.

Von der zuvor veröffentlichten EP „Inner Sunshine“ könnte man nun Ähnliches erwarten, doch die zeigt sich belebter und ungleich widerborstig. Innerhalb der vier Stücke – gefolgt von zwei ganz netten Remixen – reiben Solar Bears weiter voneinander entfernte Spielarten aneinander: Das krautig-motorisch groovende „Trans Waterfall“ läuft in umflötetes Akustikgitarrenspiel, welches in „Kill On“ und „Photo Negative Living“ nach sanften Anfängen von shoegazig dicken Gitarrenwänden und heftig klatschendem Schlagzeug usurpiert wird. Hier erwirken Solar Bears Brüche, die sich auszahlen und andeuten, dass sich das Duo in Zukunft durchaus noch weiter aus dem Stilfenster lehnen darf.

She Was Coloured In:

Inner Sunshine EP:

Label: Planet Mu

Referenzen: Tangerine Dream, Von Spar, diskJokke, Tropics, Quiet Village

Links: Myspace, Label

VÖ: 05.10.2010 / 09.08.2010

2 Kommentare zu “Rezension: Solar Bears – She Was Coloured In / Inner Sunshine”

  1. Sven sagt:

    Ich sehe das Album sogar noch etwas stärker. Ein Identitäts-Makel besteht tatsächlich. Ist aber zugegebenermaßen auch schwer sich im seichtem Electronica markant hervorzuheben.

  2. […] Plinkern, Sonnenschein sind die Stärken von „Supermigration“, anders als noch auf seinem Debüt wirkt das irische Duo mit Rockigem und Dance („Happiness Is A Warm Space Station“) oder […]

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