MGMTCongratulations

Vielleicht war es den Mitgliedern von MGMT ein zusammengeschnittener Mix in einer mäßigen TV-Serie zu viel. Oder einmal zu oft „Kids“ in einem Funsport-Arcade-Game. Vielleicht hat ihnen aber auch Nicolas Sarkozy und die ungewollte Politisierung ihrer Musik den entscheidenden Anstoß gegeben, neue Richtungen zu suchen. Letztendlich wollte man offenbar einfach nur noch surfen. Auch dazu hätte MGMTs 2007er Album „Oracular Spectacular“ gewiss die passende Untermalung geliefert. Rick Rubin lenkte die Band in poppige Gefilde, in welchen sie sich wohl fühlten, und in welchen sich ihre experimentellen Popsongs zu riesigen Hits entwickeln konnten. Das Album schlug (zurecht) immens hohe Wellen. Für unbeschwertes Surfen aber wohl zu hohe.

Man entschied scheinbar bewusst, etwas zu verändern. Der Nachfolger „Congratulations“ geht schon optisch andere Wege als sein Vorgänger und verwirrt mit dem vermutlich hässlichsten und knalligsten Cover des bisherigen Musikjahres. Darauf droht eine monströse Welle einen vergleichsweise kleinen Comic-Surfer zu verschlingen. Ein Verweis auf die Drucksituation vor dem Schreiben des neuen Albums? Ironie? Überinterpretation? Zumindest haben MGMT die Aufmerksamkeit erfolgreich umgelenkt. Das Album, der musikalische Teil, umkurvt sämtliche Hit-Gesuche links und rechts, gerät dabei nicht ein einziges Mal ins Schlingern. Die Erkenntnis setzt sich schnell und zunächst schwer: „Congratulations“ ist nicht die erwartete zweite Übersingle-Compilation. Für die nächste Erkenntnis braucht es dann schon etwas mehr Zeit, Zuhören und Geduld. Man ist sogar fast geneigt, MGMT eine zunächst bewusste Verschleierung ihrer Absichten, ja, ihrer Songs zu unterstellen. Letztendlich bleibt aber die bloße Gewissheit, dass „Congratulations“ ein sich entwickelndes, wachsendes Album geworden ist.

Der Opener „It’s Working“ ruft zunächst alte Helden des Surf-Genres in die Vorstellung, gibt diese Rolle aber deutlich kräftiger und ehrgeiziger. Die Drums knallen und haben Stimme, der Bass brummt störrisch und treibt den Song an. MGMT machen Surfpop und geben ihm einen Namen jenseits des Lo-Fi. Das aktuell immer stärker aufbrandende Surfpop-Revival brachte zuletzt tendenziell lediglich neue, im Sound reduzierte Plagiate alter Strandhelden hervor. Und genau an dieser Stelle zeigen MGMT mit dem kunterbunten „Song For Dan Tracey“, der eigenwilligen Single „Flash Delirium“ oder dem vermutlich noch am ehesten als solchen zu bezeichnenden Hit „Brian Eno“, wie dicht vermeintlich uninnovativer Surf-Pop sein kann. Nicht zu unterschlagen ist dabei, dass dieser Ansatz im Grunde eben genau das Gegenteil darstellt, Innovation in einem bereits zusehends langweilig gewordenen Retro-Genre.

Es ist MGMT hoch anzurechnen, dass sie nicht nach Hits gesucht haben. Dass dabei nach einigen Durchgängen dann doch immer mehr davon zu finden sind, bezeugt ihr außergewöhnliches Talent. Der Titeltrack zum Abschluss scheint sich der Stärke des Vorhergegangenen geradezu bewusst, und stößt das Floß endgültig vom Steg ab. Auf einer mondänen Yacht hört man langsam „Kids“ verklingen. MGMT treiben auf Holzstämmen in eine andere, neue Richtung. Und mit fast merkwürdiger Gewissheit scheint es die richtige zu sein.

79

Label: Columbia (Sony)

Referenzen: Yeasayer, Portugal.The Man, The Beach Boys, Super Furry Animals, Love, Empire Of The Sun, Four Freshmen, Tomorrow, The United States Of America

Links: Myspace, Homepage

VÖ: 09.04.2010

3 Kommentare zu “Rezension: MGMT – Congratulations”

  1. […] und gerade deswegen unglaublich griffig und die verzerrt-verwaschenen Stimmen erinnern an frühere MGMT, was auch nicht unbedingt die schlechteste Referenz ist. Und selbst der Klang der schwedischen […]

  2. […] in den Köpfen. Nun aber kommen eben genannte MGMT mit ihrem herrlich betitelten Zweitwerk „Congratulations“ und hinterlassen staunende Gesichter: Neun neue Songs sind es geworden, alle eng miteinander […]

  3. […] lieber verabschieden. Dass mit diesen MGMT ist nicht mehr zu rechnen ist, wurde bereits mit „Congratulations“ deutlich. Dessen Nachfolger „MGMT“ zeigt nicht nur durch den Titel Selbstbewusstsein, […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum