Die besten Musikvideos | Juli-September 2009

Unser Zeitgeist ist überlastet: In einer Welt der unendlichen Möglichkeiten ist es schwer, Trends und Häufungen auszumachen. Entsprechend herrscht auch bei den Musikvideos eine stilistische Offenheit wie nie zuvor. Mit dieser kleinen Serie bringen wir euch einmal pro Quartal die erstaunlichsten, kreativsten und überzeugendsten Musikkurzfilme näher. Hier geht es zu den besten Videos von Januar bis März, hier zu unseren Favoriten von April bis Juni.

PLATZ 10: Dirty Projectors – Stillness Is The Move

Kein verstecktes Lama. Die Indie-Kuttenträger verzaubern mit einem urwüchsigen Video, dessen Stärke die Unaufdringlichkeit ist. Nah an der Natur wird musiziert, die unterkühlte Stimmung auf einem Berg in Vermont gerät zu etwas Magischem. Beste Szene: Wenn das Lama seinen Hals streckt und frech in die Kamera grinst.

PLATZ 09: Bloc Party – Signs

„Basic Instinct“ ging aufgrund einer einzigen Einstellung in die Filmgeschichte ein. Regisseur Hiro Murai spielt mit diesem Voyeurismus und verpackt den treibenden Groove des durchschnittlichen Remixes in eine Grunge-Atmosphäre, deren verstörende Morphings technisch sauber produziert sind. Und die Autofellatio-Analogie ist entsprechend simpel wie visuell lustig.

PLATZ 08: The Hickey Underworld – Blonde Fire

Die belgischen Indierocker versuchen sich mit fragwürdigen Mitteln Gehör zu verschaffen. Statt auf Musik setzen sie auf ein Schockvideo: Ein zauseliger Frankenstein baut sein Interieur: Aus Kadavern zu Menschen. Moral ist hier nur am Rande ein Thema – wobei die Parallele zu den von der Musikindustrie ersonnenen und erbauten Castingbands überdeutlich wird.

PLATZ 07: Antlers – Two

Die freundliche Alternative. Ein quietschbuntes, fröhliches Werk in mixed media. Recht konservatives Graphikverständnis trifft auf hunderttausend Seifenblasen. In ihrer visuellen Kraft durchaus berauschend und an das fabelhafte „Heartbeat“-Video von José Gonzalez erinnernd.

PLATZ 06: Dan Deacon – Padding Ghost

Ein kindlicher Rausch, eine simple Handarbeit, die Witz auf einem charmanten Niveau hantiert. Monsterwellen? Check. Moment der Starre, bevor der Held in die Tiefe fliegt? Check. Plüschkamel und Piratengeist? Check. Spinnerte Null Budget-Unterhaltung vom Feinsten.

PLATZ 05: Fever Ray – Seven

Man fragt sich schon: Was macht die Oma im Kuhstall? Nachdem Fever Ray mit ihrer wirren, düsteren Ästhetik schon mit den ersten beiden Videos gepunktet hat, setzt sie auch mit diesem ein Ausrufezeichen in selbiger Machart (trotz anderem Regisseur). In herrlicher Ausstattung und Maske bringt dieses Video Leben und überformte Erinnerung auf bedrückende Weise in Einklang. Kameraeinstellungen mit Kraft.


PLATZ 04: HEALTH – Die Slow

Zersplitterte Ebenen, Hektik, Kraft, Wirr und totaler Freakout. Da eben nur live live ist, behelfen sich HEALTHmit mörderischen Schnitten, wirbelnden Haaren und viel Schweiß auf digitalem Zelluloid. Um die epileptische Gefahr etwas zu mildern, setzen sie entrückte Ruhepole mit stoischem Sänger. Direkt auf die Gesichter der Ekstase.


PLATZ 03: Imogen Heap – Canvas

Das Schwarz verhüllt die Schnitte und so gerät dieses Video zu einer überraschenden Reise. Intim und herzzerreißend melancholisch. Kontraste sind die Essenz dieses schwarz-weiß Videos, das mit behutsamer Entschleunigung auf den Winter einstimmt. Letztlich gerät die naturromantische Öffnung etwas zu kitschig und dennoch: Die Atmosphäre korrespondiert mit dem Song und beide verschmelzen zu einer untrennbaren Masse.


PLATZ 02: Major Lazer – Pon De Floor

Nichts unterstreicht die Ambitionen eines Spaß-Projektes mehr als dazugehörige Videos. Geriet das Video zu „Keep It Going Louder“ zu einer fantastischen Parodie des Hedonistischen (geschlagen mit den eigenen Mitteln), treibt dieses Video in wild-bunter Manier so ziemlich alles auf die Spitze: Kamasutra und erotischer Leistungssport im sekündlichen Stellungswechsel. Ein enthemmter Spaß, der sich seinem Trash-Charakter in jeder Einstellung bewusst ist.

PLATZ 01: Múm – Sing Along

Ein singender toter Hirsch (mit Verband), Schmetterlingsmetamorphosen, eingeschlagene Fensterscheiben – kindliche Überformungen waren schon immer das Metier dieser isländischen Truppe. Mit dem Video zu ihrer ersten Single treffen sie ins Schwarze. Eine obskure Geschichte über das Jagen, über Leid, Krankheit und Freude, die Platz für Assoziationen und mögliche Zusammenhänge lässt. Geht es um dämonische Kräfte oder das Schicksal? In Kontrast zum sowieso irrsinnigen Song entsteht ein Werk voller Brüche und Möglichkeiten mit einem unzarten Finale. Nichts will zusammenpassen, aber das großartigst!

4 Kommentare zu “Die besten Musikvideos | Juli-September 2009”

  1. Schick‘ gemacht, Markus! Mein Favorit war und ist ja das Flying Lotus Video…

    http://www.youtube.com/watch?v=0acXbjOp6e4

  2. Markus sagt:

    Hab ich im Februar verpennt – auch alle anderen irgendwie. Ist ja erst im September in den meisten Blogs verlinkt worden. Dennoch ist das natürlich ein ganz hervorragendes Video. Ich kann mich momentan an diesem Múm-Video aber noch weniger sattsehen. Das find ich wahrlich sensationell!

    Überhaupt: Seitdem es die HD-Funktion gibt, machen auch youtube und vimeo endlich richtig Spaß.

  3. […] Während Massive Attack eine alte Dame ihre Pornokarriere Revue passieren lassen und dabei ein durchaus stimmiges Portrait zeichnen, was aber so weit vom eigentlichen Song wegführt, dass sie damit gleich die Kategorie „Musikvideo“ hinter sich lassen (Achtung: Video enthält explizite Szenen) und Flaming Lips-Oberhaupt Wayne Coyne sich an Geburtsszenen und einer Wagenladung Nudisten erfreut (ebenso hier: Geschlechtsteile im Bild), kommt unsere Selektion der Monate Oktober bis Dezember ganz ohne konstruierte Sex-Elemente aus. Hier befinden sich übrigens unsere anderen Quartalsfavoriten: Januar bis März, April bis Juni und Juli bis September. […]

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