Es gibt diese perfekten Gegenstände, die, Jahrtausende bewährt, aus unserer Alltagskultur nicht wegzudenken sind. Das Messer beispielsweise: Ein rituelles Werkzeug, was mit seiner einfachen Gestaltung die Funktion fest im Blick hat. Die Kühle des feingeschliffenen Stahls, die durchdringende Spitze, die gnadenlose Klinge. Dabei ist die Ambivalenz unverkennbar: Ein friedliches Instrument bei Tisch – und eine tödliche Waffe, wird das Messer gegen andere gerichtet.

Two Fingers würden The Knife heißen, wäre nicht ein schwedisches Ehepaar ein paar Jahre früher darauf gekommen, dass es eine prima Idee ist, die über allem schwebende Düsternis und subtile Gefahr auch im Bandnamen zu tragen. Two Fingers verkörpern nämlich in herausragendem Maße alle Eigenschaften eines Messers: Kalt, hart, schnell und jederzeit unberechenbar.

Der Elektro-Experimentalist Amon Tobin steckt hinter diesem Pseudonym und weil Two Fingers derer zehn haben, darf auch Joe “Doubleclick” Chapman mitmachen. Zusammen mit dem Londoner MC Sway, der über das Gros der Song seinen Wortschwall loslässt, haben sie ein extravagantes, zigbödiges und rasantes Album abgeliefert, auf dem sich HipHop und Elektro herzhaft gegenseitig auf die Schultern klopfen. Hier bedingt eins das andere, überspringt in gekonnter Haltung die Genregrenzen und lädt zudem die angesagten Globalisierungsbeats auf einen Energydrink ein: Dub, Grime und Orienta dürfen auf dem distanzierten, aber ultraheißen Elektrountersatz verglühen. The floor is lava – auch wenn das bei aller fokussierten Coolness nicht gleich offensichtlich wird.

Auf ihrem Debüt nimmt das Triumvirat gekonnt alle herumliegenden Stränge der Popkultur auf und verflicht sie zu einem aktuellen Ganzen. Gleich mit ihrer ersten Single „What You Know“ beweisen sie, dass Innovation noch möglich scheint: Die Beats rasseln, die Ästhetik wankt ins Futuristische und spiegelt sich in den glatten Glasflächen der urbanen Kapitalpfeiler. Sway rappt über die fehlende Selbstreflexion von Rappern, später über die Tugend der Ehrlichkeit und den fehlenden Fokus auf die wirklichen Probleme der (schwarzen) Welt. Sein Wortfluss bleibt dabei immer angenehm männlich, nie zerrissen, fordernd oder aufgesetzt. Das würde bei diesem intelligenten Entwurf des Jetztzeit-Pops auch nicht ins rechte Format passen. Und Anschlussmöglichkeiten für Vocals bietet die rasante Elektronik zu Genüge. Eine wilde Mixtur aus dumpfen Bassgebirgen, klirrenden Störern und progressiven Experimenten erwartet den Hörer, die zwar nie wüterisch wirken, jedoch in ihrer Blade Runner-Optik für Schauder und Untiefen sorgen. „Moth Rhythm“ erinnert dabei besonders an frühere Entwürfe Amon Tobins, ist Dub-lastig und wenig organisch. „High Life“ hingegen ist ein irrer Tanz auf Rasierklingen, „Straw Men“ eine klappernde Hymne der Überlegenheit. Düster und mysteriös.

Gerade diese Tracks sind die herausragenden Momente einer Platte, die nicht arm an herausragenden Momenten ist, wobei die Dancehall-Lala von „Bad Girl“ (feat Ce’cile) die Opposition markiert und die Hörgewohnheit geradezu einnehmend herzt. Das mag aus Gründen der Vielfältigkeit legitim sein und ändert auch nur wenig an der konzeptuellen Geschlossenheit, die fast klaustrophobisch wirkt. Der Gemütlichkeit wird sich über weite Strecken totalverweigert, ein pauschales Gefühl ästhetischer Kälte macht sich breit – bis man begreift, dass es nur das Überraschungsmoment ist, das hier irritiert.

8.3 / 10

Label: Big Dada

Spieldauer: 39:37 Min

Referenzen: Amon Tobin, Deadelus, Sway, Roots Manuva, Coldcut, Squarepusher, DJ Shadow, Wagon Christ

Links: MySpace, Big Dada

VÖ: 10.04.2009

3 Kommentare zu “Review: Two Fingers Feat. Sway – Two Fingers”

  1. […] die Two Fingers nur von der Kollaboration mit Sway kennen, werden von dem muskulösen Electro-Jungle auf „Stunt Rhythms“ vielleicht böse auf dem […]

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