SebastiAnThirst

Ich will ganz ehrlich sein: Das, worauf ich 2019 am wenigsten gewartet habe, ist ein neues SebastiAn-Album. Für mich ist der französische Produzent aus Boulogne-Billancourt sehr eng assoziiert mit der Mitte der 00er-Jahre und der Hochphase eines extrem rockenden Electrohouse-Sounds. Diesen hat er auf Ed Banger Records mit Labelkollegen wie Justice maßgebend mitgeprägt. Auf einmal passten White Stripes, Kills und Rage Against The Machine (am besten natürlich in seinem Remix) direkt hinter „Rocker“ von Alter Ego, „Mückenschwarm“ von Oliver Koletzki, „I Feel Love“ von Donna Summer oder Klicker-Klacker-Minimal von Ricardo Villalobos und öffneten die Clubkultur einmal mehr für Indiedisco und die Strokes-Kids. Es war eine spannende Phase, in der scheinbar alles ging. Aber wie es immer so ist bei Trends und Entwicklungen, die aus einem enthusiastischen, scheuklappenfreien, musikverliebten Untergrund kommen, waren auch die Freunde des schnellen Kommerzes geschwind zur Stelle und die anfängliche Euphorie wich Ernüchterung. Eigentlich kam schon SebastiAns Debüt „Total“ 2011 zu spät (Justice waren 2007 mit „†“ durch die Decke gegangen und tourten die großen Konzerthallen der Welt) und nun kommt acht Jahre später der Nachfolger „Thirst“. Hat er sich auf dem Cover von „Total“ noch selbst geküsst, haut er sich hier selbst auf die Backen. So, wie dies durchaus als trotzig interpretiert werden kann, klingt auch das ganze Album irgendwie trotzig, aber aus der Zeit gefallen? Gibt’s irgendeinen Grund zum Lästern? Absolut nicht. Der Trotz klingt frisch und die versammelten Gäste tun ihr übriges. „Thirst“ unterhält ganz großartig, ist abwechslungsreich und wirkt durch SebastiAns Produktion dennoch wie aus einem Guss. Eine der Überraschungen des Jahres.

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