AUFTOUREN 2018Die Musikvideos des Jahres
Reicht ein einzelnes Musikvideo noch? In Einzelfällen kann eine unbekannte Nischenband mit einem kostengünstigen Trip-Clip sicher mal irre fünf Millionen Views einholen, doch für größere Albumkampagnen suchten viele dieses Jahr den gebündelten Effekt zusammenhängender Werke.
Seien es Lance Drakes Retro-Serie für Muse, Warren Fus Clip-Duo für The 1975, Dr D Footheads Animationstrilogie für Melody’s Echo Chamber, Colin Solal Cardos Clips für Christine And The Queens oder die Werke von Helmi, CANADA und Henry Scholfield für ROSALÍA: Auch wenn die Clips für sich allein funktionieren, bilden sie doch mit den darauf folgenden einen größeren inhaltlichen, konzeptuellen oder ästhetischen Bund, dessen Gipfel sicher Janelle Monáes Film auf Albumlänge darstellte.
Davon abgesehen gab es 2018 aber natürlich vor allem so viele großartige Musikvideos, dass eine Auswahl alles andere als leicht fiel. Lange Rede, kurzer Sinn: Film ab!
30
IU – BBIBBI
Regie: VM Project
Viel Interpretationsspielraum, noch mehr stylische Farbräume.
29
Beck – Colors
Regie: Edgar Wright
Wrights Choreographie in knalligem Blau-Gelb-Kontrast hätte sicher mehr als eine Million Youtube-Views angehäuft, wenn sie nicht ein halbes Jahr lang hinter der iTunes-Exklusivitäts-Schranke rumgedümpelt wäre, zu Jahresende vergessen sollte man sie dennoch nicht.
28
The Blaze – Heaven
Regie: The Blaze
Idyll im Grünen – so scheinbar einfach, so gekonnt wirksam inszeniert.
27
Justice – Love S.O.S.
Regie: Edouard Salier
Keine Frage, zum Poledance braucht es Muskeln – doch wofür diese auch noch von Nutzen sind, zeigt sich, wenn der Clip vom Grazilen ins Viszerale kippt.
26
Sigrid – Sucker Punch
Regie: AB/CD/CD
In vieler Hinsicht das Gegenteil von Ivana Bobics technisch ebenfalls herausragendem Liveclip, inszenieren AB/CD/CD mit punktgenauem Timing und ständigen Ortswechseln, ohne dass Schwindelgefühle aufkommen.
25
Col3trane – Language ft. Ebenezer
Regie: Felix Brady
Perspektivisch ähnlich geartet wie Cameron Dutras psychedelisiertes Verschwörungs-Panorama, inszeniert Brady einen trickreichen Rundblick um den Block.
24
Christine And The Queens – Girlfriend (feat. Dâm-Funk)
Regie: Jordan Bahat
Christine hatte ohnehin ein grandioses Musikvideo-Jahr, das sie vor der Cliptrilogie Colin Solal Cardos mit diesem Traumtanz unter errötetem Himmel eröffnete.
23
Tommy Cash – Pussy Money Weed
Regie: Tommy Cash
Dass der Estländer abgedrehte Bilder auch ohne Skandalfaktor produzieren kann, bewies er mit Rollstühlen, extravaganten Prothesen und Laufbändern.
22
Jack White – Corporation
Regie: Jodeb
Der einzige Musikclip des Kanadiers in diesem Jahr hat es in sich, mit einer surrealen Variante des Agatha-Christie-mäßigen Krimis, dessen Auflösung weniger wichtig wird als die Leben der einzelnen Verdächtigen.
21
GRAVEDGR – RAMPAGE
Regie: Paco Raterta
Als „Rampage“ könnte man auch trefflich die Reihe von Videoveröffentlichungen bezeichnen, die Paco Raterta Anfang Juni begann, mit jeweils zwei hoch intensiven Werken für GAIKA und The Prodigy – am fokussiertesten und damit härtesten trifft jedoch dieses Stück Slasher-Horror.
20
Snails & Space Laces – Break It Down (feat. Sam King)
Regie: Ernest Desumbila
Bereits der erste Teil war ein Highlights des letzten Jahres und auch in der Fortsetzung tritt Desumbilas hoch vergnüglich Real-Animation-Mischungs-Splatter kaum vom Gaspedal.
19
The 1975 – Sincerity Is Scary / It’s Not Living (If It’s Not With You)
Regie: Warren Fu
Eine große Musical-Revue noch nicht ambitioniert genug? Bitteschön, dann reicht Warren Fu eben noch eine „Stop Making Sense“-Hommage nach, die diese wiederaufgreift.
18
Jay Rock, Kendrick Lamar, Future, James Blake – King’s Dead
Regie: Dave Free & Jack Begert
Wie vielbeschäftigt der ‚andere‘ Dave in dieser Liste ist, wird vielen nicht einmal auffallen, taucht sein Name doch als Teil von the little homies (mit Kendrick Lamar als deren andere Hälfte) nicht immer in den Videocredits auf. Für „King’s Dead“ greift Free mal weniger auf die Kunstwerke anderer zurück, sondern situiert seine Protagonisten in Alltagsaufnahmen – von denen eine lustigerweise bereits als Inspiration für einen anderen Clip geborgt wurde.
17
SIAMÉS – Mr. Fear
Regie: RUDO Co.
Nicht nur ist die Animation ungewöhnlich flüssig, herausragend wird der Clip vor allem durch die Aufsplittung der Handlung in kleinere Comicpanels, gegenüber denen die große Action umso cinestischer wird.
16
BTS – FAKE LOVE
Regie: YongSeok Choi
Klar, mit genug Geld können die Carters den ganzen Louvre kaufen, denkwürdiger aber integriert Choi ein garantiert nicht echtes Kunstwerk in einen ohnehin schon vor überlebensgroßer Szenerie strotzendem Clip.
15
Tierra Whack – Whack World
Regie: Thibaut Duverneix & Mathieu Leger
Ein Musikvideo als visuelle Visitenkarte einer bis dato unbekannten Künstlerin und gleichzeitig umfassende Begleitung der Musik – da kann man auch schon mal seltsamst in die Vollen gehen.
14
Mitski – Geyser
Regie: Zia Anger
Als wäre es nicht Jahr um Jahr schon schwer genug, ihre besondere Qualität als Regisseurin in Worten zu vermitteln, trifft Zia Anger die goldene Mitte zwischen „Wuthering Heights“ und der Erwachsenenversion einer jugendlich verspielt überhöhten DIY-Choreographie.
13
Kali Uchis – After The Storm ft. Tyler, The Creator & Bootsy Collins
Regie: Nadia Lee Cohen
„Vintage, aber seltsam“ ist das Brot und Butter der britischen Bildkünstlerin, und so fällt die erste Minute des Clips für Eingeweihte noch nicht mal allzusehr aus dem Rahmen – bis plötzlich der Rasen zum Leben erwacht.
12
Fischerspooner – TopBrazil
Regie: Tom C J Brown
Mehr Heteros dürften Zev Deans‘ ähnlich körpernahen Disco-Clip für St. Vincent gesehen haben, doch Tom C J Browns ist nicht nur abwechslungsreicher belichtet, sondern fungiert zudem auch als Kommentar auf die unterschiedlich genormte Darstellung männlicher und weiblicher Lust in (Musik-)Videos.
11
Leningrad – Not A Paris
Regie: Fedor Kahn
Nicht nur in Russland, sondern weltweit sind Leningrad eine Bank für Bildspektakel. Neben Ilya Naishullers chaotischer Raumstation und Lado Kvataniyas Vampirverhör servierte dabei Fedor Kahn die Geschichte einer Superheldin, deren tägliche Arbeit unterschätzt wird, mit reichlich Spezialeffekten.
10
The Internet – Come Over
Regie: Syd
Nicht nur in der Handlung die Ensprechung eines der besten Songs des Jahres, sondern auch in Kolorierung, lockerer Stimmung und der Zugabe einer Prise verspielten Humors.
9
BLACKPINK – DDU-DU DDU-DU
Regie: Seo Hyun-Seung
Sorry Rest der Welt, Seo Hyun-Seung macht noch immer die knalligsten Mainstream-Popvideos. Discokugel-Panzer? Aber klar doch.
8
Jenny Wilson – RAPIN*
Regie: Gustaf Holtenäs
Wo das Darzustellende selbst mit CGI unmachbar wird, kommt die volle Kraft gezeichneter Bilder zur Entfaltung. Leicht anzusehen ist die surreale Darstellung sexueller Gewalt und deren Folgen dennoch nicht.
7
Rone – Wave Ft. Noga Erez
Regie: Greg Barth
Koitus Lag-Interruptus und Mario als Voyeur: Ein herrlich absurder und doch nur allzu realitätsnaher Kommentar auf Sex, Intimität und Privatsphäre online.
6
Ariana Grande – God Is A Woman
Regie: Dave Meyers
Ob für Ariana Grande, Maroon 5, Travis Scott, Janet Jackson, Kendrick Lamar und SZA (und nicht zu vergessen SZA) – unter spektakulär geht’s für Meyers kaum. Hier erreichte seine visuelle Ideenmaschine ihren ikonographischen Apex.
5
Flasher – Material
Regie: Nick Roney
Oder: Wir dekonstruieren ein Youtube-Video. Flasht.
4
Indochine – Station 13
Regie: Bouha Kazmi
Brutale, blutige Parabel in himmlischen Grautönen.
3
Childish Gambino – This Is America
Regie: Hiro Murai
Der Clip, über den dieses Jahr alle sprachen – mit Gründen.
2
ROSALÍA – MALAMENTE (Cap.1: Augurio)
Regie: CANADA
Dass die Spanierin einen derartigen Durchbruch feiern würde, war 2017 noch nicht abzusehen – sehr wohl aber ihr Auge für brillante Musikvideos.
1
Janelle Monáe – Dirty Computer [Emotion Picture]
Regie: Andrew Donoho, Chuck Lightning, Alan Ferguson, Emma Westenberg & Lacey Duke
Mehr als eine Sammlung von Musikvideos, mehr als ein Film, ja, da muss wohl ein neuer Begriff her. Gesehen haben muss man das Emotion Picture in jedem Fall.