IceageBeyondless

Kaum zu glauben, dass das ungestüme Debüt „New Brigade“ schon sieben Jahre alt ist und selbst das letzte, erstaunliche Werk „Plowing Into The Field Of Love“ bemerkenswerte vier Lenze zählt. Iceage aus Dänemark um den misanthropischen Sänger Elias Bender Rønnenfelt haben sich für ihr viertes Album nach einigen sehr gelungenen Nebenprojekten (Marching Church, Vår) allerhand vorgenommen und intensivieren ihre sehr eigene Auffassung einer Art von Post-Punk mit erheblichem Bläser- und Streichereinsatz.

Rønnenfelt klingt verzweifelt, unstet, zornig und gleichzeitig fürchterlich gelangweilt. So weit, so gut und auch auf den bisherigen Alben Iceages nicht von der Hand zu weisen, doch führen die vier auf „Beyondless“ deutlich mehr im Schilde, als sich auf das Organ Rønnenfelts zu verlassen. Der eingeschlagene Weg führt auf dem neuen Werk deutlich weg vom Lärm, dafür reißen Iceage andere, bisher im verborgenen gebliebene Tanzbereiche an und ziehen die Songs in anderes Licht. Wie sonst lässt sich der torkelnde Honky-Tonk-Rhythmus in „Thieves Like Us“ erklären? Doch nicht nur Countryeskes oder gar Poppiges, wie im von Sky Ferreira und einem Big-Band-Bläsersatz veredelten „Pain Killer“ finden sich auf „Beyondless“, vielmehr fühlen Iceage sich nahezu überall wohl (oder eben unwohl) und lassen das Album so ungewohnt reichhaltig erscheinen.

So energetisch das eröffnende „Hurrah“ auch daher kommt, so deutlich wird aber auch, dass sich die trüben, nihilistischen Gedanken Rønnenfelts nur wenig geändert haben, vielleicht gar noch eine Spur existenzialistischer geworden sind: „’Cause we can’t stop killing/ and we’ll never stop killing/ and we shouldn’t stop killing/ Hurrah“. Kryptisch wird es im zerstückelten, an Nick Caves Blutspredigten erinnernden „Under The Sun“, vehement bei „The Day The Music Dies“, dem durch die opulente Ausgestaltung mit Bläsern und nach vorne preschenden Drums mehr Ironie zuteil wird, als Iceage beabsichtigt haben könnten. „Plead The Fifth“ zitiert gleichsam das artverwandte Frühwerk Cult Of Youths und „A Horse With No Name“.

„Catch It“ verhängt eine regelrechte Wall Of Sound vor dem quengelenden Sänger und gönnt sich ein fabelhaftes psychedelisches Hardcore-Geplänkel im Mittelteil, ehe der schleppende Sog des Songs wieder aufgenommen wird. Grandios, was schlechte Laune doch für eine Anziehungskraft haben kann! So vielfältig das Spektrum auf „Beyondless“ erscheint, so dicht wirkt die Platte in ihrer Gesamtheit. Rohe, kantige Töne ist man dabei ja von Iceage gewöhnt, gerade im letzten Drittel stolpert aber vor allem mit der wundersam instrumentierten Ballade „Take It All“ ein Störer ins Bild, der wie ein hässliches Entlein im Kontext allein durch Streicher und das Piano zumindest zum heranwachsenden Schwan wird. „Showtime“ ist die betrunkene Jazznummer, die bei Marching Church untergegangen wäre, während der beschließende Titelsong ein rauschhaftes Finale heraufbeschwört.

Kaum ein Song, der nicht auch alleine für sich stehen könnte und doch ist „Beyondless“ keine Nummernrevue geworden. Konsequent, wenn auch ungewohnt, unbequem, wenngleich erstaunlich zugänglich und experimentierfreudig, wenn auch retrospektiv. Doch lässt sich das tatsächlich auf einem Album so vereinen? Iceage liefern mit „Beyondless“ den eindeutigen Beweis.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum