Der Liedschatten (131)Bam Wam, Hmpf.

„Wig-Wam Bam“? Wie meinen? Falls es Geboller sein sollte: Nein danke, Geboller mag ich nicht und hoffe deshalb, der Titel „Wig-Wam Bam“ von The Sweet ist kein „sprechender“ Name.
Wobei, wäre es nicht schön, wenn er lautmalerisch zu verstehen ist und – anders als in etwa „Co-Co“, der erste #1-Hit der Briten in der BRD – keinen Vertreter eines imaginären, exotischen Volkes, hier vermutlich der „Indianer“, vorstellt? Wäre nicht auch das hier möglich:
Wir treffen auf einen gewitzten, wunderhübschen und wohlriechenden Menschen, woraufhin, „Wig-Wam Bam“!, wir Hals über Kopf – besser noch: wie Brett an den Kopf, einmal links, einmal rechts, Bam! – verliebt sind. Kennt Ihr das nicht? Nein, und wenn, dann klingt das nicht so oder anders? Gut, auch mir scheinen die Laute dafür unangemessen.
Könnte man sich nicht aber auch noch den fröhlichen Schwank vom garstigen Lehrer Grobelstolz erzählen? Dem groben Stoffel, dessen labrige Gestalt die Schulbänke abschreitet, die vom Tabak bräunlich verfärbten, schmandigen Finger hinter dem gekrümmten Rücken verschränkt, einen ranzigen Geruch nach Filterkaffee und Kondensmilch verströmend? Weder Wohlsein noch Wohlwollen vermag er zu empfinden, er triezt die die Schüler, bis sie trotzen, und dann: „Wig-Wam Bam“! Er schwingt den Rohrstock im Zorn, doch er schwingt ihn mit erschöpften Armen (er verbrachte die Nacht damit, Spottverse auf seine Person von der Wand der Turnhalle zu schrubben), und dann: „Wig-Wam Bam“, weit ausholend schlägt er sich die eigene Perücke, eben „wig“, ha, ha, vom Kopf? Ebenfalls nicht? Nun ja, auch ich habe nie von ihm gehört.
Wovon dann? Von „Crash! Boom! Bang!“ (Roxette)? Kann schon sein, gewiss, und „Biff! Bang! Pow!“ setze ich eh als bekannt voraus.
Das war schön, nicht? Rückblickend und mit ein wenig Abstand betrachtet sind auch „Co-Co“ und „Littly Willy“ von The Sweet gar nicht allzu schlecht. Hätte Sänger Brian Conolly ein wenig undeutlicher gesungen, dann taugten sie gar zum guilty pleasure, sollte es so etwas noch geben. Doch weil die Texte der von den Produzenten Mike Chapman und Nicky Chinn geschriebenen Songs in ihrer die Aufmerksamkeit geradezu verhöhnenden Qualität verständlich sind, sind es nur mäßig erfreuliche, reichlich alberne Lieder. Bedenkt dabei bitte, dass selbst erfreuliche alberne Lieder, zum Beispiel „Ob-La-Di-Ob-La-Da“ von den Beatles, keinesfalls Lieder sind, für deren Existenz wir dankbar sein sollten, dabei wird dort immerhin noch von Menschen, nicht Abziehbildchen gesungen. Aber nur Geduld, noch haben wir nicht alle #1-Hits von The Sweet gehört, noch ist eine Steigerung möglich. Wagen wir uns also an die dritte #1 des Jahres 1972.
Was hören wir hier? Aufgefrischten Rock’n’Roll, stampfig gespielt und mit einem im Vergleich zu den 1950ern monumentalen Sound. Leider hat das nichts weiter zu bedeuten, die Härte ist Anfang der 1970er für Rock, und gerade seine glamouröse Spielart, üblich. Heavy Metal-Bands wie Black Sabbath oder Led Zeppelin hatten schon Vorarbeit geleistet. Wir sehen plumpe Anzüglichkeiten ausführende Männer in lustigen Anziehsachen, die – anders als bei Bowie oder Bolan – nicht außerweltlich, sondern auf eine biedere Art karnevalesk anmuten, „frech“ und „flippig“, aber nicht hip oder gar sexy, das konnte Bolan besser. The Sweet führten damals aktuelle Klischees des Glam Rock auf, albern bis lächerlich, aber nicht charmant, und sangen das hier:
„Hiawatha didn’t bother too much
‚Bout Minnie Ha-Ha and her tender touch
Till she took him to the silver stream
Then she whispered words like he had never heard
That made him all shudder inside when she said
Wig-wam bam, gonna make you my man
Wam bam bam, gonna get you if I can
Wig-wam bam, wanna make you understand
Try a little touch, try a little too much
Just try a little wig-wam bam.“
Sucht man online nach „Hiawatha“, findet man allerlei Einträge zu einem Irokesenhäuptling gleichen Namens und einige vom ihm inspirierte Werke. Er und seine Geliebte Minnehaha sind klassische Gestalten nordamerikanischer Folklore, von ihnen handeln Filme, Gedichte, Opern und Songs, sie tauchen in der bildenden Kunst ebenso wie auch in Cartoons auf.
Sollte „Wig-Wam Bam“ also in der Absicht veröffentlicht worden, den Charterfolg von „Little Willy“ in den USA (Platz 3 der Single-Charts) durch die Verwendung eines legendären Namen zu wiederholen, dann schlug dieser Plan fehl, der Song schaffte es nicht einmal in die Top 100. Der Erfolg der Gruppe blieb auf Europa beschränkt, nahm aber, anders als dieser Text hier, ein beachtliches Ausmaß an, weshalb wir The Sweet in den kommenden Wochen noch vier Mal begegnen werden.
In der nächsten Folge: Wums Gesang mit „Ich wünsch‘ mir’ne kleine Miezekatze“.