Jenny Hval & SusannaMeshes Of Voice
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Label:
Susannasonata
VÖ:
15.08.2014
Referenzen:
Björk, Swans, Susanne Sundfør, Tim Hecker, Julianna Barwick, Laurie Anderson, Kate Bush
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Autor: |
Carl Ackfeld |
Ach ja, die Dunkelheit. Seit jeher nimmt sie Einfluss auf so manchen Musiker und Künstler. Mal schlingt sie sich dräuend um seine Gedanken und lässt bittere Schwere Einzug halten. Mal umgarnt sie ihn wie eine lüsterne Gespielin und schattiert die Welt in irisierendem Glanz. Und wieder und wieder bricht sie so plötzlich über einen herein, dass das Herz schwer wird und jeglicher Frohsinn gebannt wird. Auf „Meshes Of Voice“ hält die Dunkelheit Hof und befielt sich und ihren Spießgesellen, in zahlreichen Nuancen zu erscheinen. Zur Rechten und Linken sitzen Jenny Hval und Susanna Wallumrød und geben das Geleit.
Die beiden Musikerinnen wagen auf „Meshes Of Voice“ eine ganze Menge. Von Haus aus eher unbequem und zuweilen gar höchst experimentierfreudig ausgerichtet, erschaffen die beiden zusammen mit der Jazzvokalistin Anita Kaasbøll und Bassist Jo Berger Myhre auf dem Album nokturne Drones und glitzernden Nachtgesang. Das klingt sicherlich sehr gewöhnungsbedürftig und doch perlen durch das Dickicht aus Geräuschen und Schall Melodien, die immer unterschiedlich, aber eben doch eher dunkel gefärbt ans Ohr dringen. So beginnt „Black Lake“ gar wie ein altes Schauerstück und auch „I Have Walked This Body“ kommt als düstere Moritat daher. Die Stimmen der drei Sängerinnen flirren aneinander vorbei, bisweilen sogar so dicht, dass für Bruchteile Zusammenklänge von fragiler Atonalität entstehen, wie das stetig nach vorne gerichtete „A Mirror In My Mouth“ eindrucksvoll zeigt.
Doch immer wieder fallen diese seltsamen Klangwelten auf, die Ruhe heischen und dann doch Unheil versprechen. Viele Episoden auf „Meshes Of Voice“ bekommen so naturmystische Züge, die häufig durch manische Echoeffekte unterstützt werden. „Thirst That Resembles Me“ beginnt mit einem unruhigen Sirren, das das nervöse Untergerüst bildet, dann schälen sich die Stimmen ähnlich den A-capella-Variationen Björks harfenbegleitend aus dem Boden empor und münden schließlich in das gewaltige dronedurchzogene, ganz nah am Ohr vorbeirauschende „I Have A Darkness“, ohne auch nur einen Moment innezuhalten. Der härtere Duktus ist dabei sicherlich Hvals Verdienst, sorgte sie doch bereits auf „Innocence Is Kinky“ für das eine oder andere Störfeuer. Susanna Wallumrød bringt hier sicherlich eher die romantisierende Ebene ins Spiel, die auch auf den Alben als Susanna & The Magical Orchestra oder ihrem letzten Soloalbum „The Forester“ zu finden ist.
Zuweilen bekommt „Meshes Of Voice“ ein leichten Hang dazu, antiquiert zu wirken, wenn im kurzen „Honey Dew“ der Mitternachtszirkus öffnet, doch das trunkene und stolpernde Piano leitet geschwind über zum wundervollen „Medusa“, dem man fast eine gewisse Körperlichkeit attestieren könnte. Soviel Gehalt erzielen die schlichten Worte „Mouth Open, Mouth Open“, als sähe man die mystische Sagengestalt mit weit geöffnetem Mund, wirrem Schlangenhaar und wahnsinnigem Blick direkt vor sich. Hier entdeckt man dann auch die einzige Schwäche des Albums. „Meshes Of Voice“ zerrt so stark an den Befindlichkeiten und will so viel Aufmerksamkeit, dass die letzten Minuten kaum noch konzentriert wahrgenommen werden können. Das gespenstische „Running Down“ saugt quasi das letzte Bisschen an Auffassungsgabe aus den Köpfen und lässt auch dort die heraufbeschworene Finsternis zurück.
Doch ist der Kopf erst leer, kann er ja auch wieder gefüllt werden. Schließlich ist das vorletzte Stück „Dawn“, und so eine tröstende Morgendämmerung tut dann zum Schluss doch gut. Bis die Nacht wieder anbricht.