Der Liedschatten (124)Wohin mit dem Hass?

„(…) With an eye like an eagle
And as tall as a mountain was he! (…)He was brave, he was fearless
And as tough as a mighty oak tree! (…)The rippin’est, roarin’est, fightin’est man
The frontier ever knew! (…)And he fought for America
To make all Americans free! (…)What a Boone! What a doer!
What a dream come-er-true-er was he! (…)If he frowned at a river
In July all the water would freeze! (…)But a peaceable, pioneer fella was Dan
When he smiled all the ice would thaw!
The singin’est, laughin’est, happiest man
The frontier ever saw! (…)“
Das also ist Daniel Boone, Held amerikanischer Folklore, Trapper, Pionier, Naturbursche und – aber hallo! – ganzer Kerl. Und der wird uns ein Lied singen? Scheint so.
Er hat mit Boone nichts zu tun: Daniel Boone
Selbstverständlich ist das aber nicht wahr, denn es geht ja gar nicht: Boone lebte, bevor Tonaufnahmen möglich waren. Was aber sehr wohl geht, ist die Annahme eines Künstlernamens, wie ihn sich der Sänger Peter Green aus Birmingham hier zulegte. Dass er auf dessen historischen Hintergrund nur durch einen (siehe das Video oben) Hintergrund hinwies, lässt diese Wahl eher auf Berechnung basierend erscheinen, ein Umstand, der angesichts des Liedes nicht verwundert.
„Beautiful Sunday“ macht es einem, ähnlich wie damals „In The Summertime“ von Mungo Jerry, sehr leicht. Gefällig im Übermaß ermöglicht es das Aufgehen in der eintönigen Schrammelei oder provoziert Abscheu ob der Offensichtlichkeit seiner Hookline und des wenig dezenten Gebollers. Und der Text, nein, den Text brauche ihn hier nicht einmal aufzuführen. Er ist nicht etwa schlicht, das wäre zum Beispiel „She Loves You“ in Perfektion, er ist … Genau genommen ist er gar nicht da. Er ist ein Nicht-Text und ruft nur vage Assoziationen von Sonne, Liebe und Freiheit (die Fahrt im Auto) hervor, triggert wenige Klischees an und macht sonst nichts weiter. Das ist so schön wie übertriebenes, nicht enden wollendes Kitzeln oder der Verzehr von einem halben Kilo Marshmallows auf einmal.
Nun, wie gesagt, es ist sehr leicht, sich über dieses Liedchen aufzuregen, aber … nein, kein aber. Dieser One-Hit eines One-Hit-Wonders braucht keine Relativierung, Entschuldigung, Verständnis oder gar Augenzwinkerei. Selbst so mancher Schlager ist dagegen der liebenswerte Ausdruck einer tiefen Künstlerseele, über den wir angeregt und lieber nachdenken, als obiges Lied noch einmal zu hören.
Peter Green scheint hier bekommen zu haben, was er nur zu offensichtlich wollte, nämlich den Hit, der ihm mit seinen bisherigen Projekten verweht blieb. Hätte er mal lieber mit seinen vorherigen Versuchen mehr Erfolgt gehabt. Die waren immerhin harmlos, aber weniger gezwungen, eben guter, schlichter Kitsch, siehe seine Songs als Peter Lee Stirling & The Bruisers.
Aber dafür war’s 1972 schon zu spät, da obsiegte das Kalkül und wir beziehungsweise Hörer privater Radiosender müssen noch heute sehen, wie wir und sie damit zurechtkommen. Sicher erschreckend gut, vielen Menschen gefällt ja alles, was nicht stört, also keine Aufmerksamkeit jenseits von unausgesprochener Zustimmung verlangt.
Manche von ihnen werden die in ihrem Übermaß drückende Stimmung des Liedes (vermeintlich fröhlich, luftig, hell, unbeschwert) für „typisch sonntäglich“ und damit alles andere als drückend halten. Dass es einen solchen idealen Sonntag nicht gibt und geben kann, stört da kaum, es verhält sich ja mit Liebe, Freundschaft, Treue, Ausgelassenheit und Freude nicht anders. Die gibt es selbstverständlich, aber kein Lied drückt die Freude aller aus. Ein Song kann sicher viele Menschen ansprechen, ruft dabei aber verschiedene Gefühle hervor, weil die Liebe, Trauer oder Freude des und der Einzelnen nie die aller zu sein vermögen. Das hier ausgedrückte Gefühl wäre in meinem Fall zum Beispiel näher an latent aggressiver Manie und verzweifeltem Rausch als an Freude. Und bevor ich mich diesen unschönen Zustände zur Gänze anheim falle lasse und nicht mehr weiß, wohin mit meinem Hass, mache ich für diese Woche erst einmal Schluss.
In der nächsten Folge: Christian Anders mit „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Demnächst erscheint das erste Album unserer Band TWISK, am 06.03.2014 wird deshalb in Hamburg mit Binoculers, Electric Ocean People und The Spaghetti Wings gefeiert.

Besten Dank für dieses volksmusikalische Abenteuer. Jedes Mal wieder der Höhepunkt meines Sonntages, auch wenn sich meine Mitbewohner stets über diese „befremdliche“ Musik die unter dem Türspalt meines Zimmers durchklingt beschweren.
Gern geschehen, wobei mein Anteil da ja sehr gering ist, ich arbeite nur eine Liste ab. Und Volksmusik, meinst Du?
Ansonsten eine sehr schöne Vorstellung, so etwas in einer WG zu hören, mehr oder minder.