Interview: Bohren & Der Club Of Gore

Montagmittag, Mülheimer Vorwahl, kurzes Klingeln. Ein einfaches „Hallo“ am Anfang, es klingt mehr wie eine Frage denn eine Begrüßung. Interview mit Morten Gass von Bohren & Der Club Of Gore – laut Text in der neuen Platte zuständig für: Organ, Mellotron, Baritone Guitar, Piano. Vor wenigen Tagen erschien „Piano Nights“, das achte Album der in Mülheim an der Ruhr gegründeten Band, die Mini-LP „Beileid“ mit eingerechnet. Ihre Musik hat an Leichtigkeit gewonnen, die ganz große Schwere ist nicht mehr vorhanden, obwohl Bohren & Der Club Of Gore ziemlich sicher weiterhin genug Menschen vor den Kopf stoßen mit ihrem Sound zwischen Horrorjazz und Ambient.

AUFTOUREN: Erst einmal Glückwunsch zu dem ganzen Medienrummel um eure neue Platte – Besprechung in der Süddeutschen, Ankündigung bei Pitchfork, Interviews mit dem Deutschlandfunk und 1 Live. Habt ihr es jetzt geschafft?

Morten: (Lacht.) Den Durchbruch meinst du jetzt? Nee, ich glaube nicht. Aber das ist auch nicht schlimm. Ich glaube, das verpufft auch alles wieder sehr schnell.

Aber wie erklärst Du dir die ganze Aufmerksamkeit gerade für eure Musik? Bei eurer Platte davor war das ja nicht ganz so viel, oder?

Ehrlich gesagt, weiß ich es gar nicht. Die Frage habe ich mir gestern auch noch gestellt. Ich glaube aber, es ist ähnlich gewesen. Eigentlich war es ja immer so. Ein bisschen Tamtam und dann legt sich die Sache wieder. Ich habe ja keine andere Band, ich kann es nicht einschätzen, ob es normal ist, wenn man als alteingediente Band eine Platte rausbringt, dass man da etwas mehr Aufmerksamkeit kriegt, als wenn man seine erste Platte veröffentlicht.

Eigentlich ist es doch genau andersrum. Die Debüts sind immer hochgelobt.

Stimmt, da hast du auch wieder Recht. Das ist immer der hippe Scheiß, ausverkaufte Show hier und da. Dann lösen die sich auf oder werden scheiße. (Lacht.) Keine Ahnung. Aber es wäre schön, wenn es so wäre, dass wir es geschafft hätten. Nur irgendwie glaube ich es nicht, dass wir es geschafft haben, die Weltherrschaft endlich an uns zu reißen.

Ist euch die ganze Aufmerksamkeit denn geheuer? Wenn ich mir Interviews mit euch anhöre, habe ich manchmal das Gefühl, dass es für euch nicht ganz so angenehm ist, ganz vorne im Rampenlicht zu stehen.

Sagen wir mal so: Wir haben die Band ja sozusagen als extreme Band gegründet – eben auch mit dem Vorsatz, dass das, was wir da spielen, sehr viele Menschen vor den Kopf stößt. Diesen Vorsatz hat man natürlich nach wie vor. Wenn man jetzt kurz mehr in den Medien ist, klar, ist einem das nicht besonders geheuer. Aber ich sehe das jetzt auch nicht so, dass wir da dick in den Medien sind. Ich sehe immer andere Bands, wo man denkt: Warum wird denn da so fett drüber berichtet? Und über uns geniale Typen wird immer der Mantel des Schweigens gelegt! (Lacht.) Aber ich beschwere mich da nicht drüber, eigentlich liegt es ja in der Natur unserer Musik, dass die immer im Untergrund rumschwirrt. Aber klar, gerne im Rampenlicht stehen wir natürlich erst recht nicht. Das kommt auch noch hinzu.

Seid ihr bei den Aufnahmen zu euren Alben eigentlich langsam? Viele Fans hätten es ja gerne, wenn ihr viel öfters eine Platte veröffentlicht oder auf Tour geht.

Wir bringen nicht oft eine Platte raus und viele Konzerte spielen wir auch nicht. Das kann man dann schon als langsam bezeichnen.

Aber eigentlich habt ihr doch in der letzten Zeit alle drei Jahre ein Album rausgebracht.

Wir haben vor „Piano Nights“ eine Mini-LP rausgebracht, zwischen den richtigen Alben liegt jetzt dann schon … keine Ahnung, wann kam die raus? 2008 kam unser letztes richtiges Album raus. Dann haben wir „Beileid“ aufgenommen, das wir so dazwischengeschoben haben, weil wir schon wussten, dass die Fertigstellung von „Piano Nights“ ein bisschen dauern wird. Dass es jetzt so lange gedauert hat, ist auch ein bisschen hart. Aber das dauert auch einfach so lange. Erstmal muss dir ja was einfallen, was nicht unbedingt original dasselbe ist, andererseits will man seinen Stil nicht groß verändern. Wir geben uns da nach wie vor große Mühe mit den Platten. Da wir alles im eigenen Studio aufnehmen, musst du dir auch alles selbst besorgen. Wenn du einen schönen Analoghall haben willst, dann musst du ihn dir kaufen. Oder du musst erstmal wissen, was diesen Klang macht. Wir sind ja alle keine Toningenieure oder haben in die Richtung studiert. Wir müssen uns das anlesen, was wir dann dafür nehmen. Alleine das dauert schon ewig. Das hat bestimmt schon zwei Jahre gedauert, bis man alle Instrumente für die Platte zusammen hatte, die diesen Klang dann ergeben. Und dann muss man es ja leider auch noch einspielen.

Was habt ihr bei „Piano Nights“ denn verändert? Im Pressetext steht ja, dass das Klavier mehr im Vordergrund steht, aber das empfinde ich gar nicht so, um ehrlich zu sein.

Nein, das Klavier steht auch nicht im Vordergrund. Wir hatten vorher einen Fender Rhodes, den haben wir einfach für die Platte nicht verwendet, sondern ein akustisches Klavier benutzt, weil wir für den ganzen Sound, der ja auch etwas schlageresk oder easy-listening-mäßig klingen sollte, unser Vibraphon eingesetzt haben. Das hatten wir zwar schon vorher, aber das konntest du auf der Platte kaum vom Fender Rhodes unterschieden. Das hast du kaum gehört, außer du wusstest, dass es spielt. Das Piano spielt da jetzt keine übertrieben große Rolle. Du kannst den Titel ja auch als „leise Nacht“ bezeichnen, der ist jetzt nicht so sehr aufs Piano bezogen.

Seid ihr denn zufrieden mit dem neuem Album?

Ich bin eigentlich sehr zufrieden und am meisten überrascht, dass das genau so gelaufen ist, wie man sich die Platte am Anfang vorgestellt hatte, als man noch nichts hatte als den Titel. Dass das im Grunde genommen so geklungen und so funktioniert hat, da bin ich wirklich stolz drauf.

Also hattet ihr den Titel schon, bevor ihr das Album überhaupt eingespielt habt?

Ja, ja, das haben wir aber meistens. Bis auf „Dolores“ war das jedes Mal so. Der Titel gibt meistens bandintern die Fahrtrichtung des Albums vor. Das ist wie so ein Insiderwitz, wo jeder eigentlich weiß, was gemeint ist. Da geht der Weg dann lang.

Wie geht ihr mit Erwartungshaltungen um? Mit „Sunset Mission“ und „Black Earth“ habt ihr ja zwei Überalben hingelegt, die sehr viele positive und überschwängliche Reviews bekommen haben. Lest ihr Rezensionen? Interessiert euch das?

Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Klar, man kriegt es irgendwie mit, aber letztendlich machen wir die Musik ja für uns selbst. Du fummelst nicht drei, vier Jahre an einem Album rum, um irgendwelche Erwartungshaltungen zu erfüllen, sondern du willst einfach das machen, was dir da gerade im Kopf rumgeistert. Ich kann mir schon vorstellen, dass nicht jeder von dem neuen Album so begeistert ist. Vielleicht wollen manche lieber so ein Geisterfaustbrett haben und nicht so leichtfüßiges Rumgeschleiche hören. Man kann es ja auch nicht allen recht machen. Das wird aber auch jeder Musiker so sagen, das ist so eine Blabla-Antwort, die ich hier jetzt gebe. Ich könnte Dir jetzt ein Kotelett an die Backe labern und es würde gar nicht stimmen. Wenn ich so eine Antwort von einem Musiker lese, denke ich auch immer: „Laber du nur, du Arsch, ich höre mir trotzdem nur Deine alten Platten an.“ (Lacht.) Von daher ist es echt schwierig, was ich dazu sagen soll.

Viele Künstler sagen ja immer, dass sie so eine Situation auch ein wenig blockiert und da manchmal auch Zweifel aufkommen, ob der eingeschlagene Weg richtig ist.

Das ist das Einzige, was ich wirklich sagen kann: Zweifel kommen uns da überhaupt nicht auf. Das ist aber vielleicht auf die Entstehung unserer Band zurückzuführen. Am Anfang haben wir uns da so abgegrenzt und Erwartungshaltungen gebrochen, dass uns danach immer alles wurscht war. Wir haben ja vorher so Hardcore-Punk gespielt und waren zig Jahre noch mit Bohren in der Szene unterwegs. Wenn du dann da in irgendeinem AZ mit Deinen Schleichnummern aufgelaufen bist – das kannst Du dir ja vorstellen. Vor dir haben Supertouch gespielt und du hast dann da deine Schleicherstücke gespielt. Das war schon seltsam. Da hast du ein dickes Fell bekommen. Wir wollten es ja aber auch nicht anders. Es ist uns letztendlich egal.

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Ein Kommentar zu “Interview: Bohren & Der Club Of Gore”

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