Danny BrownOld

Denkt man an Danny Brown, hat man sofort das Bild des zugedröhnten Rappers mit der asymmetrischen Frisur vor Augen, der einem durch seine Zahnlücke hindurch die Zunge entgegenstreckt. Doch schon „XXX“ war mehr als ein ausgelassenes Mixtape über Drogen, Party und versauten Sex, weil es auch die Schattenseiten dieses hedonistischen Lebensstils beleuchtete. Auf dem Nachfolger „Old“ nutzt Brown nun die klassische Aufteilung in A- und B-Seite, um beiden Aspekten gerecht zu werden – mit einer nachdenklichen und düsteren ersten sowie einer EDM-befeuerten zweiten Albumhälfte. Doch trotz dieser strikten Trennung erzählt „Old“ von Anfang bis Ende eine Geschichte – nämlich die, wie aus dem Jungen, der für seine Mutter Einkäufe erledigen soll und dabei brutal ausgeraubt wird, der „dirty old man“ Danny Brown wurde.

Zunächst taucht das titelgebende „Old“ aber in einer ganz anderen Bedeutung auf. Denn mit „Side A (Old)“ und „The Return“ antwortet Brown jenen eingefleischten Fans, die sich den „alten Danny Brown“ zurückwünschen, der über Dilla-Beats von seinen Erfahrungen im Drogengeschäft berichtet. „The Return“ mit Freddie Gibbs ist dabei eine Hommage an Outkasts „The Return Of The G“, die 1998 mit ähnlichen Vorwürfen ihrer Hörerschaft zu kämpfen hatten. Zwar tut Danny Brown jenen Fans den Gefallen und arbeitet in der ersten Hälfte des Albums seine Vergangenheit sehr detailliert auf, macht mit „Side B (Dope Song)“ aber klar, dass er mit diesem Thema abgeschlossen hat und es endgültig hinter sich lassen möchte. „Long time ago, I don’t do that shit no more. This the last time I’mma tell you“, heißt es dort zunächst, später spielt Brown mit der Doppelbedeutung des Wortes „dope“: „Not my last dope song, but my last dope song.“

Auch wenn Daniel Dewan Sewell fest entschlossen ist, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, hat sie ihn bisher noch fest im Griff, wie er in „Torture“ gesteht. Der Song handelt von all jenen Dingen, die er miterlebt hat und die ihn nun nicht mehr schlafen lassen. So erwischte er mit sieben Jahren seinen Onkel beim Versuch, sich am Herd seine Crackpfeife zu entzünden oder sah einen Drogenabhängigen im Park, der einem Widersacher mit einem Hammer den Schädel einschlug. Noch lebendiger wirken diese Bilder in „Wonderbread“, weil hier das Leben in Linwood direkt aus der Sicht des jungen Danny Brown geschildert wird. Der Flow erinnert an einen Abzählreim und der Erzählstil an ein Märchen (als Vorbilder dienten die Geschichten des Kinderbuchautors Theodor Seuss Geisel alias Dr. Seuss), die Handlung ist dagegen gar nicht kinderfreundlich. Das Viertel, durch welches der Protagonist wandern muss, wird wie ein verwunschener Märchenwald beschrieben, in dem an jeder Ecke Gefahren lauern. Am Ende wird Danny Brown wegen eines Brotes, das er mit den Lebensmittelmarken seiner Mutter gekauft hat, zusammengeschlagen – eine Situation, die er schon auf seinem Mixtape „XXX“ im Song „Fields“ schilderte: „Mommy gave me food stamps told me to buy wonder bread. On the way these niggas jumped me, left me with knots on my head.“

Auf „XXX“ war es noch irgendeine Dame, der in den Songs „Nosebleeds“ und „Party All The Time“ das allzu ausschweifende Partyleben zum Verhängnis wurde. Auf „Old“ versteckt sich Danny Brown aber nicht mehr hinter einem fiktiven Charakter, sondern entblößt seine eigenen Verfehlungen in „Clean Up“ auf exhibitionistische Weise – er bereut das Geld, das er in teure Designerklamotten investierte, statt es seiner Familie zu schicken oder die Tage, die er zugedröhnt in Hotels verbrachte und dabei sogar die SMS-Nachrichten seiner eigenen Tochter ignorierte:

„A whole week done went past, I don’t go nowhere.
Hotel rooms crushing pills and menus.
Daughter sending me messages saying: ,Daddy, I miss you.‘
But in this condition I don’t think she needs to see me.
Ain’t slept in four days and I’m smelling like seaweed.
Problems of my past haunt my future and my present.
Escaping from reality got me missing my blessings.“

Nach solchen Geständnissen würde man nicht unbedingt erwarten, dass „Old“ in der zweiten Hälfte beinahe ausschließlich aus Molly- und Gras-geschwängerten Party-Hymnen wie „Dip“, „Kush Koma“ oder „Smokin‘ And Drinkin‘“ besteht. Dass dieser Übergang relativ reibungslos gelingt, liegt vor allem daran, dass Danny Brown den Drogenkonsum nie verherrlicht. In „Dip“ wird betrunken in das Waschbecken einer Hoteltoilette gekotzt, der Versuch, die inneren Dämonen mit Gras zu bekämpfen, endet in „Kush Koma“ schließlich im völligen Delirium. Doch natürlich geht es auf der B-Seite inhaltlich weit weniger ernst zu und mit „Handstand“ darf sich Danny auch endlich wieder von seiner versauten Seite zeigen.

Nicht nur wegen der Aufteilung in zwei Hälften ergibt „Old“ musikalisch keine echte Einheit – zu unterschiedlich sind die Einflüsse und Kollaborateure der 19 Songs. Doch dieser musikalische Flickenteppich wird durch das thematische Konzept zusammengehalten und erinnert so an Kendrick Lamars „good kid, m.A.A.d city“. Die Instrumentals der A-Seite stammen von Paul White, Oh No, dem kanadischen Witch-House-Duo Purity Ring und SKYWLKR, auf der B-Seite dürfen sich Labelkollege A-Trak, Rustie und Darq E Freaker austoben. Einzig „Dope Fiend Rental“ und „Dubstep“ können die hohe Qualität der übrigen Beats nicht halten – Letzterer wird aber durch einen exzellenten Gastauftritt des britischen Grime-MCs Scrufizzer gerettet.

„Float On“ greift zum Abschluss die ruhige Stimmung der ersten Hälfte noch einmal auf, allerdings ohne deren bedrückende Düsternis. Stattdessen verbreitet der Song dank des ruhig dahinplätschernden Instrumentals von BADBADNOTGOOD und der sanften Stimme von Charli XCX Wohlbehagen, auch Danny lässt sich von dieser positiven Atmosphäre anstecken und wagt sogar einen kleinen Ausblick auf seine Zukunft als alter Mann:


„Pray I get old just to hear rap in the future.
Just to see my influence in this genre of music.“

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