Der Liedschatten (119)Groovy Kitsch

Daisy Door: „Du lebst in Deiner Welt (Highlights of My Dreams)“, Januar – Februar 1972
Die meisten Blogposts, und davon sind die des Liedschattens nicht ausgenommen, dürften auf Halbwissen basieren. Handelt ein Text von einer neueren Band, ist das nicht weiter schlimm, denn viele der insgesamt wenigen Leser wollen ja nicht mehr als einfach wissen, dass es deren Musik überhaupt gibt. Obendrein ist das Schreiben über Pop eh angewandtes Halbwissen, man denke nur einmal an Genrebezeichnungen.
Daran dürfte sich also niemand stören. Bei älterer Musik ist es schon schwieriger, wenn auch nicht gleich schlimmer, der unmittelbar und einzig durch mangelnde Kenntnisse in Sachen Pop angerichtete Schaden dürfte nicht allzu groß sein. Jedenfalls gibt es für ältere Musik langjährige Fans und vielleicht sogar Experten, die einen Blogpost allerdings erst einmal entdecken müssten, um ihn zu kritisieren oder zu korrigieren. Sie könnten das von mir aus an dieser Stelle hier gerne tun, die Kritik würde ich entweder gut gebrauchen oder gut verkraften, je nachdem. Schließlich folge ich nur stur der Chronologie der #1-Hits in den Charts der BRD, nicht meinen Vorlieben oder gar Kenntnissen.
Deshalb treffe ich hin und wieder auf Songs, für die mir Wissen und Verständnis fehlen. Daisy Doors „Du Lebst In Deiner Welt (Highlights Of My Dreams)“ ist ein solches Lied.
Nichts, nichts verstehe ich, gar nichts, freue mich aber, dass die Sonne für mich noch nicht SO tot ist, sondern anders. Oder nur ein bisschen.
Seinen Erfolg verdankt es nämlich dem Vorkommen in der Krimiserie „Der Kommissar“, die sich ab Ende der 1960er großer Beliebtheit zu erfreuen schien. Der einzige Hit der Sängerin mit dem bürgerlichen Namen Evelyn van Ophuisen aus Duisburg wurde durch eine Folge dieser Fernsehsendung mit dem Titel „Als Die Blumen Trauer Trugen“ bekannt.
Nun sagt mir „Der Kommissar“ nichts weiter und ich werde das auch nicht für diese Reihe hier ändern, denn ich mag keine Krimis und Krimiserien schon gar nicht. Keinesfalls werde ich heute auch nur eine Stunde mit dem Ansehen einer solchen zubringen. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als den für den Song sicherlich sehr wichtigen Umstand seiner Verbreitung über das Fernsehen außen vor zu lassen, was auch die Person seines Produzenten, Peter Thomas, betrifft.
Der nämlich schrieb nicht nur Lieder, sondern vor allem Filmmusiken, zum Beispiel für Edgar Wallace und „Raumpatrouille – Die Phantastischen Abenteuer Des Raumschiffs Orion“, und mit Filmen kenne ich mich nicht aus.
Obiges Stück, „Bolero On The Moon Rocks“, wurde übrigens in Pulps „This Is Hardcore“ gesamplet.
Dass Thomas‘ Musik einigen als Kitsch gilt, leuchtet ein. Auf mich wirkt sie recht charmant, ihre Opulenz, Buntheit und der leicht schmierige Groove schmeicheln geschickt, was den Vorwurf des Kitschs selbstverständlich nicht entkräftet, denn genau das soll er ja tun. Der swingende Groove aber scheint prägend für das Werk des Komponisten zu sein, er findet sich auch in Daisy Doors „Du lebst In Deiner Welt (Highlights Of My Dreams)“, das mit seinen Synthesizern und dem ziemlich harschen Break ein geradezu progressiver Schlager ist. Von seinem Text lässt sich das kaum behaupten, der ist mehr als nur genretypischer Nonsens mit emotionalen Phrasen, es sei denn, er würde durch die Handlung der Serie erklärt werden. Doch selbst dann wäre das kryptische „Highlight Of My Dreams“, dessen Zusammenhang mit dem restlichen Text sich aus dem Lied heraus nicht ergibt, noch höchst seltsam. Wenn das ein Highlight ist, wie sehen dann die anderen Träume aus?
„Highlights, highlights
Noch nie war so bleich ein Morgenrot,
noch nie war die Sonne für mich so tot.
Du sprachst von Verzeihen,
ich wollt dich befreien,
wir konnten zusammen nicht sein
Du lebst in deiner Welt
in deiner weissen Welt,
in deiner so weissen Welt,
Highlights of my dream
highlights what I mean,
that is your white, white world.“
Zugegeben, gerade das Absurde macht hier Spaß und eben dieses Absurde zeichnet auch andere Schlager der Sängerin aus, von denen ich Euch an dieser Stelle zwei herausragende Beispiele des bedenkenlosen Pragmatismus in Sachen Lyrik nicht vorenthalten möchte.
Ebenfalls von Peter Thomas stammt die Titelmelodie zu „Der Neue Schulmädchenreport II. Teil.“, mit den bemerkenswerten Zeilen
„Schulmädchen müssen so sein,
uns muss es geben.“
Dass der Film ebenso bemerkenswert ist, halte ich für unwahrscheinlich, wobei ich die Filmreihe nur dem Namen nach kenne. Dennoch bezweifle ich die Notwendigkeit, sich solche frivolen, albernen Softpornos mit, das legen Beschreibungen nahe, stets willigen, jungen Frauen anzusehen.
„Wenn Du Popcorn isst, dann sei auch vor der Liebe auf der Hut“: „Auch“? Wovor denn noch?
Das grandiose Instrumental „Popcorn“ von Gershon Kingslex in einer weniger grandiosen Verion mit einem Text über die Gefahren des Popcorns und der Liebe gelangte – wie sämtliche weitere Singles der Interpretin – nicht in die Charts. Ihre Karriere endete 1975 nach einer seltsamen, aber nicht ganz so kuriosen, da für den Schlager aus der BRD höchst typischen Adapation des Volksliedes „Im Wald, Da Sind Die Räuber“, worüber zumindest ich gerade nicht sonderlich traurig bin. Peter Thomas aber hat mein Interesse geweckt.
In der nächsten Folge: Middle of the Road mit „Sacramento (A Wonderful Town)“.
Wird die Rubrik nicht mehr weitergeführt? Wäre sehr schade.
Hallo Peter,
vielen Dank für Dein Interesse! Gerade pausiere ich ein wenig, aber ich hatte nicht vor, die Reihe abzubrechen. ich will nicht ausschließen, dass ich gerade in den Herbst- und Wintermonaten wieder eher dazu komme als gerade eben.
Liebe Grüße
Lennart
Ok, lese ich nämlich gerne.
Mhm, ich denke, ich schreibe mal wieder einen. Der sollte morgen dann online gehen.