Criminal Code: Verstärkerleck

Und dann ertrinkt alles im Rauschen.
Bis dahin stehen noch einzelne Gitarrenanschläge im Vordergrund, die „Capsules“ seinen melodischen Impetus verleihen, über wenige Akkorde und Einzeltöne ein wuchtig betrommeltes Songsegment vom nächsten unterscheidbar machen. Ein gewisses Grundrauschen, ein silbrig-industrielles Funkenmeer, durchzieht den Song konstant als würde es aus einem Leck im Verstärker sickern, ohne groß beachtet zu werden. Doch in der Mitte scheint es Überhand zu nehmen. Irgendwo darin schwimmt noch eine Melodie, wird immer leiser, scheint fast verschwunden, bis sie am Rande der Subtilität aus diesem Funkenmeer hinausgleitet und mit ihr der Sänger von Criminal Code erneut seine Stimme erhebt.
Sie ist kein sauberes Studioprodukt, die großartige erste LP des punkigen Quartetts aus Tacoma, die in ihrem energischen Streben so an frühe Hüsker Dü, überhaupt SST oder auch Wipers zu erinnern vermag und doch – so wie ihre nahen bzw. fernen Nachbarn Milk Music und Rational Animals – weniger nach Plattensammler-Rock klingt als das letzte The Men-Album. Sein roher Sound bedeutet nicht, dass „Cold Thought“ planlos wäre. Criminal Codes metallene Melodien sind knapp gefasst und auf den Punkt gespielt, duellieren sich gelegentlich, doch lassen nie ab, ein catchiger Riff folgt auf den anderen. Ihr kraftvoller Vokalist intoniert selten mehr als drei verschiedene Noten und klingt dabei, als würde er in ein Mikrofon an der Decke eines sehr hohen, leeren, kalten Kachelraumes rufen.
Doch so schnörkellos der Rest: Ihre wuchtvolle Dynamik beziehen Criminal Code aus abwechslungsreichen, dichten Trommelschüben. Die sind geradlinig und simpel, wenn in den Strophen der Gesang vollen Fokus bekommen soll, verengen sich druckvoll zum Refrain hin, brechen Intros barsch herunter oder katapultieren pointierende Shouts auf einer heftigen Windhose nach oben. Vor allem gegen Ende kreisen Criminal Code dabei über düsteren Abgründen, die jedoch nie dazu ansetzen können, die Musik in dichte Moraste runterzuziehen – zu schnell, scharf, schlank ist sie, windet sich aus jeder Umklammerung und rast alsbald schon wieder zum nächsten Song davon. Mit Rauschen.
„Cold Thought“ ist bei Inimical Records erschienen und über einschlägige Mailorder und Plattenläden als Import, bzw. auf Bandcamp als Download erhältlich.
Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen, Uli: Danke für den Tipp, prächtiges Werk!
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