Von wegen Sensibelchen: Delicate Steve

Wer gegenüber nichtsingenden Sologitarristen und -gitarristinnen Vorurteile hegt, wird von einem mit dem Künstlernamen Delicate Steve wahrscheinlich überaus sanften, vorsichtigen Folk erwarten. Und könnte damit nicht falscher liegen: Steve Marions Gutlaune bereitendes Debütalbum „Wondervisions“ strotzt nur so vor belebter Spiel- und Farbenfreude.
Kein Wunder, schichtet der Batik-T-Shirtträger doch nicht nur seine sonnig hellen Melodien aufeinander dass sie Titeln wie „Butterfly“ alle Ehre bereiten und an Dirty Projectors oder Ponytail erinnern, sondern jagt sie auch noch durch einen Parkour von Effektgeräten bis ihr Klang in regenbogenbunte Wärme transformiert ist.
Spritzig-verspielt klampft Marion sich in „The Ballad Of Speck And Pebble“ über gemütlich voranwippende Perkussion, dezent umrandet von synthetischen Spitzen. Dass dabei bis zu vier Saiteninstrumente interagieren, gereicht zu keinerlei Schwere und lässt erst recht nicht den Eindruck von Verkopfheit entstehen. Das liegt auch daran, dass nicht alles so eng verzahnt ist wie beispielsweise bei den penibel konstruierten Arrangements eines Dave Longstreth. Mal werden Gitarrenmelodien nur zuhauf geschichtet weil alle im gleichen Taktschema gleich fröhliche, miteinander harmonierende Melodien aufführen, ohne dass der Verlust einer davon das Stück ruinieren würde. Anderswo hingegen spielen sich auf „Sugar Splash“ Akustik- und E-Sechssaiter die Tonfolgen zu wie Brasilianer den Fußball, präzise aber scheinbar anstrengunslos, verleihen so den einzelnen Segmenten der Melodie unterschiedliche Klangfarben. Flatternd slidet derweil „Butterfly“ über eine wetzende Drum Machine und gipfelt nach kurzer Träumerpause in einem polyrhythmisch-basslastigen Crescendo.
Rhythmisch geht es meist stetig und mit einem Touch Analog-R&B zu, so zum Beispiel im Titelstück, dessen hölzernes „Bummklatsch“ – Schlaginstrument für Schlaginstrument in Marions Schlafzimmerstudio aufgezeichnet – unwillkürlich zum Mitwippen animiert. Dazu wird der Sechssaiter so synthetisch verzerrt dass er gar nicht mehr als solcher zu erkennen ist. Zwischendurch serviert „Wondervisions“ immer wieder kurze Intermezzi, die es ebenso davon abhalten, auf Dauer zu grell zu werden wie seine knackig-kurze Spielzeit von knapp über 30 Minuten. Erst in diesen Momenten, in denen es einen Gang zurückschaltet, wird einem dann plötzlich bewusst dass es sich um ein nahezu gesangsfreies Instrumentalalbum handelt – bei all dieser warmen Energie wär’s beinahe nicht aufgefallen.
„Wondervisions“ erscheint am 01.04.2011 auf Luaka Bop
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Besten Dank, Uli! Ein wirklich schönes Album, ungefähr wie Dan Deacon in durchhörbar (-:
[…] „Ramona Reborn“, gleich mehrere Saitengesänge zu hören, wie bereits auf Delicate Steves Debüt so bunt verfremdet, dass sie mitunter schwer von ebenso farbenfrohen Synth-Sounds zu unterscheiden […]