British Sea PowerValhalla Dancehall
Wegen ihres Faibles für außergewöhnliche Spielorte jenseits von Großstadtpflastern und ihrer Faszination für Meeresvögel und Landschaftsdokumentationen werden British Sea Power schon mal gerne als geschlossener Verbund von Naturexzentrikern aufgefasst. Doch nicht nur würde eine derartige Vergröberung eher von der mondänen Profillosigkeit aller übrigen britischen Bands zeugen, sondern würde dies auch die inneren Diskrepanzen einer Gruppe unterschlagen, die auf ihrem bislang heterogensten Album oft einen bezaubernden Spagat zwischen Himmel und Erde vollzieht.
Der Großteil der Songs auf „Valhalla Dancehall“ stammt aus der Hand von Martin Noble und „Yan“ Scott Wilkinson. Ihrer Hauptaufgabe als Gitarristen der Band fast schon klischeehaft entsprechend bestimmen sie den rockig-energetischen Teil des Werkes. Wobei British Sea Power auch auf ihrem fünften Album ihr musikalisches Standbein zumeist dazu nutzen, um im popkompakten Songformat mit ausgebreiteten Armen den Abflug zu erproben: Wie in den eröffnenden „Who’s In Control“ und „We Are Sound“ wird auf große Refrainausbrüche hingearbeitet, während die Sechssaiter hymnisch weit hallen.
British Sea Powers Sänger hingegen, der jünglinghafte Wilkinson-Bruder Hamilton, scheint mittlerweile in anderen Höhenlagen zu residieren. Nachdem er auf „Do You Like Rock Music“ noch selbst die meisten Stücke beisteuerte, beläuft sich deren Anzahl diesmal lediglich auf vier Songs – die in ihrer meditativen Mitteltempo-Ausgedehntheit dafür mit dreißig Minuten die halbe Gesamtspielzeit des Albums ausmachen. Im Gegensatz zu Yans immer wieder zu bäuchiger Fülle findender Stimme sänftelt Hamiltons Organ derart kehlig, dass es meist einem melodischen Seufzen gleicht. Diese helle Zartheit betonend ist dann auch in „Cleaning Out The Rooms“ und „Baby“ keine elektrisch verzerrte Gitarre, sondern die Geige oder die singende Säge von Abi Fry stimmungsbestimmend.
Scheinbar ist also Valhalla Dancehall ein innerlich zerrissenes Album, doch eine große Stärke des Werkes sind seine Produktion und sein Sounddesign. Während ein Umhang aus Field Recordings, Drones, sphärischem Blubbern und hellen Engelschören die beiden Seiten der Band klanglich vereint, sorgt die konsequent ausformulierte Dynamik dafür, dass die verschiedenen Charakteristika der Songs klar wirken: Laut ist laut, leise ist leise, hart ist hart, zart ist zart. Das funktioniert in der gemischten zweiten Albumhälfte hervorragend, wenn aufs stimmungsvolle „Baby“ die deutlich lautere Single „Living Is So Easy“ den Pop-Puls höher dreht oder zwischen den beiden längsten das kürzeste der Stücke für Auflockerung sorgt: Die 01:50-Dissonanz „Thin Black Sail“, die erstmals wieder die Pixies-Vergleiche ihres Debüts verständlich macht.
Dramaturgisch weniger schlüssig gestalten sich die Übergänge zwischen den ersten Stücken, deren ständiger Vorwärtsdrang-Rock mit „Stunde Null“ und dem monochromen „Mongk II“ in melancholische Tiefen überzugehen scheint, ohne diese jedoch auszuloten wieder zu munteren Handklatschern und strahlenden Chören übergeht. Zum Ende setzen British Sea Power mit dem herrlichen „Once More Now“ dann noch einmal zum zarten Küstenflug an, nur um mit „Heavy Water“ wieder zurück am Boden zu enden. Denn bei aller Lust zu großen Gesten, ihnen einen Willen zum massenattraktiven Stadionrock zu unterstellen, ist verkehrt. Dies ist keine Band, die einen affekt- und effektgeladenen 3D-Konzertfilm drehen würde, dies ist die Band, die mit ihrem letzten Album eine Schwarzweiß-Mockumentary von 1934 über Haifischer vor der irischen Küste soundtrackte. Küstenrock statt Stadionrock. Auch wenn sie damit wohl doch ein wenig exzentrisch sind.
Label: Rough Trade/Beggars Group
Referenzen: Brakes, Manic Street Preachers, Doves, The Verve, Pixies
VÖ: 14.01.2011
[…] kratzende oder sie gar überschreitende Werke wie „Do You Like Rock Music?“ und „Valhalla Dancehall“. Mit dem Vorsatz, es diesmal strenger bemessen zu halten, dampften British Sea Power zweieinhalb […]