The Sand Band / Bored Man OverboardAll Through The Night / Rogue
Tweet |
Referenzen:
Fleet Foxes, Midlake, Calexico / The National, Arcade Fire, Tindersticks
|
Autor: |
Bastian Heider |
Winterzeit, Zeit für gut abgehangenen Folk und melancholische Americana. Tatsächlich gibt es in den kommenden Wochen zwischen den Neuveröffentlichungen der Decemberists, von Iron & Wine und Bright Eyes einige Möglichkeiten, sich zu wärmenden Moll-Akkorden von all dem Matsch da draußen, den durchnässten Schuhen und verspäteten Zügen zu erholen. Neben den großen Namen sollten aber auch zwei Newcomer und deren über Monate im Eichenfass gereifte und nach sorgfältigster Qualitätskontrolle nun das Licht der Welt erblickende Debütalben nicht vergessen werden. Mit viel Liebe und Traditionsbewusstsein wird hier auf einem Gebiet brilliert, dem weder Minusgrade noch die gute, alte Krise der ach so hektischen Musikindustrie jemals etwas anhaben können, dem Songwriting. Pantoffeln vorwärmen, Earl Grey (natürlich mit Schuss) bereitsstellen und ab in den Ohrensessel!
David McDonnell und Scott Marmion, Kernbesetzung der Sand Band, stammen aus Liverpool. Auf ihre Musik jedoch hatte diese Tatsache anscheinend wenig Einfluss. Diese wirft nämlich gleichzeitig Bandnamen und dem Titel ihres Debütalbums gerechtwerdend mit stoischer Ruhe dunkle Schatten in den amerikanischen Wüstensand und holt einen irgendwo dort ab, wo man Conor Oberst zuletzt nur noch halbherzig folgen wollte. Alternativ mag man sich auch einmal die Fleet Foxes mit dickem Trauerklos im Hals vorstellen. Textlich schweift diese Melange aus Country, Folk und Gospel zumeist tief in die Vergangenheit. Da wird ein ums andere Mal der verflossenen, überlebensgroßen Liebe hinterhergetrauert, pathetisch gelitten und mit im wahrsten Wortsinn religiösem Eifer Erlösung herbeigesehnt, wobei man nicht immer so genau weiß, ob diese nun von der Angebeteten oder doch von himmlischen Mächten kommen soll.
Soviel Anachronismus und Spiritualität mag nicht jedermans Sache sein. Was „All Through The Night“ aber dennoch zu einer rundum überzeugenden und stellenweise traumhaft schönen Platte macht, ist schlichtweg die Eleganz, mit der hier die Form über den Inhalt triumphiert. Jeder der zehn versammelten Songs gibt sich zwar stets höflich und zurückhaltend, breitet aber dennoch seine Arme soweit es geht aus, umsorgt und beschützt, so dass man nicht viele Hördurchgänge braucht, um sich hier zuhause zu fühlen. Ob nun die aus der Ferne herüberwehende Pedal Steel in Songs wie „Set Me Free“ oder „Open Your Wings“ oder die omnipräsenten Harmoniegesänge, wirklich jeder Ton dieser Platte versprüht die Inbrunst tiefsten Souls, mit soviel Müh und Liebe wurde er bedacht. Und auch wenn man mit derartigem Perfektionismus, betonter Authentizität und Sentimentalitäten im allgemeinen so seine Probleme haben mag, sind es letzten Endes der Sinn fürs Detail sowie eine nicht anders zu umschreibende Herzenswärme, die auf „All Through The Night“ selbst die abgehangensten Klischees und naivsten Textzeilen mit neuem Leben füllen.
Label: Cooperative (Universal)
Referenzen: Fleet Foxes, Midlake, Calexico, Leonard Cohen, Neil Young, Conor Oberst
VÖ: 21.01.2011
Nicht aus Liverpool, sondern aus Stockholm kommen die sieben jungen Männer von Bored Man Overboard. Bei der Suche nach Inspiration haben aber anscheinend auch sie ziemlich lange über den großen Teich gelugt. Hat hier jemand gerade The National geflüstert? Die Ähnlichkeit des sanft leidenden Baritons von Sänger David Khan mit dem eines gewissen Matthew Berninger lässt sich jedenfalls kaum verleugnen und auch sonst strahlt die Musik ihres Albums „Rogue“ eine enorme Schwere aus, bei der man die bläulich-pelzigen Rotweinrückstände auf den Schneidezähnen schon förmlich zu spüren beginnt. Mit dem bandeigenen kleinen Fuhrpark an Bläsern und Streichern wird diese Schwere schließlich zu amtlichem Breitwandindie aufgeblasen, wie man ihn spätestens seit Arcade Fire immer wieder zu hören bekommt. Feinde von Pathos und großer Geste seien also an dieser Stelle vorgewarnt.
Was Bored Man Overboard dann aber doch etwas von ihren zahlreichen Vorbildern abhebt, ist das Vermögen – und das haben sie sich wahrscheinlich von ihren Postrock-Kollegen abgeschaut -, lange und wirkungsvolle Spannungsbögen aufzubauen, die einen Song wie das wunderbare „Vanishing Slow“ erstmal eine ganze Weile unter der Oberfläche brodeln lassen um den imaginären Höhepunkt, auf den man da scheinbar zusteuert dann doch nicht wie erwartet aus allen Wolken fallen zu lassen. Die Gefahr der Überdosierung an großen Effekten ist hier bei allem Schwulst jedenfalls kaum gegeben. Positiv hervorzuheben ist in dieser Beziehung wohl auch die Produktion Kaneoka Ones (auch schon mal für Daniel Johnston tätig), die, zwar ganz bestimmt nicht Lo-Fi aber eben auch alles andere als pompös, all die Streicher und Bläser mit einer leichten Patina im genau richtigen Licht erscheinen lässt. Insgesamt hätte man sich am Ende zwar vielleicht noch etwas mehr Abwechslung im Songwriting gewünscht, um voll und ganz an die Qualität der verheißungsvollen „Sinner Song“-EP aus 2009 anzuknüpfen. Der Tatsache, es hier mit zwei überaus empfehlenswerten Debütalben zu tun zu haben, für die das Wörtchen „zeitlos“ ein ausnahmsweise mal ganz unzweifelhaftes Lob darstellt, tut dies aber letztendlich kaum einen Abbruch.
Label: Hazelwood Vinyl Plastics
Referenzen: The National, Arcade Fire, Tindersticks, Get Well Soon, Broken Records, My Latest Novel
VÖ: 21.01.2011
[…] dem Boden schießen, ist sicherlich kein Geheimnis mehr und wurde auch hier bereits ausführlich thematisiert. Schwer wird’s dann für die arrivierteren Bands und Künstler, im eh schon hart umkämpften […]