Es gibt Werke wie aus einem Guss, stringent durchgezogen und mehr oder weniger vorhersehbar – und dann gibt es welche, die sind abwechslungsreich, hangeln sich von Genre zu Genre und bieten keine Möglichkeit zum Zurücklehnen. Wer Bibios Musik nach sieben Alben schon kennt, ist von seiner Zugehörigkeit zu letzterer Kategorie wahrscheinlich nicht mehr überrascht. Allen anderen dürfte beim Durchhören von „A Mineral Love“ nach und nach die Kinnlade runterfallen.

Nach Perlen wie der rauen Single „Take Off Your Shirt“ (2011) oder der EP „À Tout À L’heure“ (2013) entschleunigt die erste Vorabsingle „Petals“ schon mit melancholisch hallender Instrumentierung aus Gitarre und Computer und greift „À Tout À L’heure“ teilweise auf. Verträumt und wie eine Wolke aus der Nebelmaschine verbreitet sich das Stück zur Albumeröffnung in den Ohren, aber Bibio wäre nicht Bibio, wenn damit irgendein verlässlicher Anhaltspunkt für den weiteren Verlauf gegeben wäre. Statt nach „Petals“ tiefer in Traurigkeit zu versinken, zeigt das Titelstück im Anschluss eindrucksvoll, was alles möglich ist.

In der ersten Albumhälfte orientieren sich die Songs zwischen Nicholas Krgovich, S. Carey und Gotye. „A Mineral Love“ taucht in kalifornische Cabrio-Softeis-Palmen-Träume ein und reist mit diesem Feeling weiter ins traurige „Raxeira“. Das folkpoppige „Town & Country“ wird von Vogelgezwitscher eingeleitet und verströmt mit cheesy Keys und verzerrten Gitarren etwas Fahrstuhlmusikatmosphäre. „The Way You Talk“, eine Kollaboration mit Gotye („Somebody That I Used To Know“, „Eyes Wide Open“), klingt wie eine nicht mehr ganz intakte Aufnahme aus den 90ern, die Bibio neuentdeckt hat.

Danach wird es elektronischer. Breakbeats und Deep-House-Versatzstücke machen aus „With The Thought Of Us“ den besten Song des Albums. Ähnlich wie Magnus International bewegt sich Gastsänger Olivier St. Louis danach durch die knallbunte Kaugummiwelt von „Why So Serious“. Auf die Herzrhythmusstörungen von „C’est La Vie“ folgen einmal mehr locker-leichte Synthiewellen („Gasoline & Mirrors“) und zuletzt die frechen Claps von „Light Up The Sky“, wo Nicholas Krgovich einmal mehr mit Softeis aus dem Cabrio winkt.

Die Inkonsistenz von „A Mineral Love“ ist so interessant wie anspruchsvoll. Wo kein Song wirklich Halt gibt, braucht es Durchhaltevermögen. Song für Song wirft Wilkinson jeglichen stilistischen Zusammenhang über Bord und schreibt seine Vielseitigkeit in großen Lettern an die Wände. Aber trotz seines Werkschaucharakters ist Bibios neuestes Werk vor allem eines: musikalisch hochwertig und nachhaltig beeindruckend. Mit „A Mineral Love“ unterstreicht Wilkinson einmal mehr seinen Stellenwert in der Musikwelt.

2 Kommentare zu “Bibio – A Mineral Love”

  1. Das vierte schöne Album in Folge. Wobei man das erste hierzulande gar nicht wirklich kennt. Schade eigentlich. https://www.youtube.com/playlist?list=PL030C796BAAF748D2

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