Chet Faker offeriert eine gewaltige Portion Entschleunigung. Sein Debütalbum „Built On glass“ mutierte schon im Vorfeld zum Geheimtipp, vor allem natürlich wegen Fakers eigenwilliger Interpretation des Blackstreet-Klassikers „No Diggity“ (nicht auf der Scheibe enthalten), die schon 2011 von ihm hören machte. Der folgten unter anderem ein Feature und eine kollaborative EP mit Flume, jetzt demonstriert Faker auch auf Albumlänge, dass guter Pop nicht allzu viele Zutaten braucht.

Das ist gewiss im Moment keine Lektion der Art, wie sie The xx mit ihrem damaligen Debüt der überladenen und -produzierten Popwelt bescherten. Die Liste an Soulpop-Interpreten mit Hang zum Reduktionismus setzt sich gerade nach James Blake immer weiter fort, allen voran aktuell mit SOHN oder auch James Vincent McMorrow. Faker reiht sich hier problemlos ein, ohne dabei so melancholisch gebrechlich wie Blake und introvertiert verschlungen wie SOHN zu klingen. Selbst Klagelied-Zeilen wie „Running circles into my brain, oh my loneliness will take no part in this“ (aus dem Duett „Melt“ mit Kilo Kish) klingen hier weniger melodramatisch als tiefenentspannt wie eine Nackenmassage. Aber: Der smoothe Wasserbett-Sound hat es in sich.

„Release your problems“, fordert der junge Australier im auch so betiteltem Eröffnungsstück zu dezentem Klavier und Schildkrötenbeats. Die Single „Talk Is Cheap“ mit ihrem unaufdringlich soft-pornösem Saxophon-Part und analogem Synthesizer überzeugt ebenfalls. Stimmlich hört man einen präsenten Faker, der im Refrain ein wenig lüstern, aber immer noch nüchtern „I wanna make you move with confidence/ I wanna be with you alone“ hauchzt und seine eigenen Soulseufzer dabei selbst – ganz in Blake-Tradition – geloopt hat; in „Blush“ elektrifiziert er seine Vocals auch mal und versieht sie mit ein paar Effekten. Übrigens gelingt auch hier die Fusion von warmen Tasten und elektronischen Klängen. Faker überzeugt alles in allem durch sehr gelungene Arrangements, die sich mit ihren Minimal-Melodiekonturen sowohl in die R´n´B- als auch Jazz-Lounge wagen.

Auch gediegenere Nummern gelingen Faker: „To Me“ ist die heimliche Soulballade des Albums geworden, das Faker in Eigenregie aufgenommen hat. Auch produktionstechnisch nimmt sich Faker also das, was inmitten der Schnelllebigkeit des Pops so oft fehlt: Zeit. Wobei, eigentlich könnte es auch einfach Perfektionismus sein. Mit „1998“ versucht sich Faker auch in leichtem, samplereichem Deep-House und lädt so zur wohl dosierten Slow-Motion-Disco ein.

Auch hier: Nichts muss, alles kann. Weniger ist mehr. Einige Zeit vernimmt man fast nur seine Stimme, dann dominieren die Beats, bevor der Song sich auf luftigen Synthjams ausruht. Eine glasklare Struktur ist das nicht, doch trotzdem gehen die zwanglosen Songs runter wie Butter, bis das Schlusslicht „Dead Body“ mit Akustikgitarre ausblendet. Makellose Kompositionen, die zwar nicht an die Genialität von Blake heranreichen, sondern sich ein wenig subtiler präsentieren und sich auf Albumlänge nicht einen Fehler erlauben – das schafft bekanntlich nicht jedes Debüt.

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