Das diesjährige Dockville setzte – verglichen mit den Vorjahren – auf weniger große Namen, legte den Fokus deutlich stärker auf Newcomer und Geheimtipps. Für die Besucher sollte dies allerdings keinen Nachteil darstellen. MS Dockville – das ist mittlerweile eine Marke, die für sich funktioniert, ein kleines Festival, das geschmackssicher und friedfertig einen sturmfesten Gegenpol zu den omnipräsenten, überkommerzialisierten Sauffestivals darstellt.

Natürlich wurde auch auf dem Dockville gefeiert, doch die Stimmung war alles in allem angenehmer, humaner, die Musik und das künstlerische Rahmenprogramm stehen klar im Fokus. Allein das Festivalpublikum strahlte schon einen besonderen Charme aus: Wohin man blickte glitzerte, funkelte und leuchtete es, die Mädchen liefen mit Federn in den Haaren umher und auch die Jungs ließen es sich nicht nehmen, sich mal ein wenig Glitzergedöns ins Gesicht zu schmieren. Das bunte Treiben auf Camping- und Festivalgelände wirkte letztendlich nie aufgesetzt, sondern vermittelte viel eher den Eindruck einer großen Kindergeburtstagsfeier, auf der jeder auf seine Kosten kommt.

Nicht zuletzt überzeugte die malerische Lage: Hamburg ist ja ohnehin schon ein wunderbarer Ort, aber direkt an der Elbe, bei Nacht, wenn sich Mond und Industrieanlagenlichter im tintenschwarzen Wasser spiegeln, ja, da kam schon fast so etwas wie Romantik auf – zumindest die Art Festivalromantik, die sich gut anfühlt, weil man sich der Einmaligkeit jeden Augenblicks bewusst wird.

Musikalisch hatte das Dockville 2013 einiges zu bieten, wenn auch – wie eingangs erwähnt – die ganz großen Namen fehlten. Immerhin spielten hier in den letzten Jahren schon Flaggschiffe der Indie-Unterhaltungsbranche wie Tocotronic, Editors oder …And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Dieses Jahr standen also Foals an der Spitze des Tableaus und erwartungsgemäß lieferten sie auch eine routiniert-solide Show ab, wobei der Fokus auf der neuen Platte „Holy Fire“ lag. „My Number“ stach dabei stets als extrem tanzbarer Track heraus, die Stimmung bei der Darbietung dieses Stückes war schon beinahe am Siedepunkt. Nichtsdestotrotz bleiben die Songs der ersten Platte „Antidotes“ unerreicht. Mit dem exaltiert-rhythmischen „Olympic Airways“, dem hittigen „Red Socks Pugie“ und dem fest schon als traditionell zu bezeichnenden Rauswerfer „Two Steps, Twice“ kamen sodann auch Fans der ersten Stunde auf ihre Kosten.

Mac Miller hingegen spielte eine saturierte, aber dennoch feierliche Show, wobei das Hauptaugenmerk auf der neuen Platte „Watching Movies With The Sound Off“ lag. Wenig aufregendes boten die gutgelaunten Lumineers, die mit ihrem unterkomplexen Folkpop natürlich offene Türen einrannten, aber mehr als ein kräftiges „Ho Hey“ blieb letztendlich einfach nicht hängen. Wesentlich interessanter waren


HAIM

die drei Schwestern von HAIM, die ihre fantastischen Stücke live dekonstruierten und umformten, wobei sie stets eine deutlich rockigere Seite offenbarten als auf Platte. Dass Danielle, Este und Alana auf der Bühne wahre Maniker sind, ist hinlänglich bekannt (Let me google that for you: Este Bassface), ihre Spielfreude überträgt sich ohne Umwege auf das Publikum. Erwähnenswert auch, dass die drei auch abseits der Stage wahnsinnig positive und zuvorkommende Persönlichkeiten sind, mit denen man auch mal nett plaudern kann.


CHVRCHES

CHVRCHES, die neue Band von Iain Cook, der ehemals bei Aereogramme spielte, offenbarte ebenso überzeugend ihre Live-Qualität. Ihr hymnischer Elektropop brachte das Publikum zum Tanzen und die süßen Ansagen von Sängerin Lauren Mayberry – teilweise auf Deutsch – ließen Herzen höher schlagen. Die folgenden Poliça hatten zunächst mit ordentlichen Soundproblemen zu kämpfen, wovon aber ohnehin nicht all zu viele Leute Zeuge wurden, da der just einsetzende Platzregen eine Massenflucht in Bewegung setzte. Glücklicherweise war das unwirtliche Unwetter nicht von Dauer und so gesellten sich nach und nach wieder mehr Menschen ins Publikum, um dem hypnotischen Indie-Pop zuzuhören. Zwei Drummer sorgten dabei für den entsprechenden Druck, so dass das Set durchaus zu überzeugen wusste. Neben den durchweg starken Songs des Debüts „Give You The Ghost“ waren auch neue Stücke zu hören.


Austra

Zu den positiven Überraschungen zählten sicherlich Austra und MS MR – beide Bands spielten entfesselte, bunte Konzerte, besonders Austras „Lose It“ verzückte in der Live-Version, was nicht zuletzt der hervorragenden Gesangsperformance von Katie Stelmanis zu verdanken war. Die Rheinland-Pfälzer von Sizarr gaben sich hingegen als volksnahe Sympathen; ihren Songs kann man ja ohnehin kaum widerstehen: „Run Dry“, „Purple Fried“ oder natürlich „Boarding Time“ – so international klang die pfälzische Provinz selten. Zum hyperaktiven Electropop von Totally Enormous Extinct Dinosaurs wurde die Crowd besurft, zwei Damen animierten mit ausladenden Hüftbewegungen zum Tanzen. Als ob die Tracks nicht schon alleine genug Verve mitgebracht hätten.

Letztendlich überzeugte das Dockville 2013 vor allem durch einen breiten musikalischen Mittelbau und durch die konstant positive Atmosphäre, die in den drei Tagen zu spüren war. Der Spagat ist gelungen – nicht nur zwischen den Genres Indie, Electro und HipHop, sondern auch zwischen den Kunstformen. Das Dockville bleibt somit das Paradebeispiel für ein interdisziplinäres Festival.

Bilder: Moritz Piehler (Festival, Austra, CHVRCHES), Thomas Quack (HAIM)

Ein Kommentar zu “Dockville 2013 – Glitzer, HAIM und nasse Füße”

  1. […] ist, als hätte diese Band zwei Gesichter. Live besitzen HAIM einen druckvollen Rocksound, tauchen tief in ihre Grooves mit minutenlang […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum