Liebe und Verlust, Resignation und Wut, Kummer und doch Aufbegehren. Hoppla, gab es da nicht vor circa einem Jahr eine ähnliche Charakterisierung? Es wäre jedoch ein nahezu ein Unding, Elliott und Pearson miteinander in einen Topf zu werfen, so nahe ihre aktuellen Alben auch thematisch beieinander liegen.

Matt Elliott hat sich nach seinem „Comeback“ mit The Third Eye Foundation und dem bemerkenswerten, aber dann doch eher unbeachteten Album „The Dark“ und der wahnsinnigen Trilogie aus „Drinking, Failing And Howling Songs“ Zeit genommen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Elliott ist aber auch auf „The Broken Man“ längst kein Singer/Songwriter im eigentlichen Sinne, vielmehr schält er wie ein Bildhauer feinste Stückchen aus seinen zuweilen ausufernden Gitarrenarpeggios, kehrt diese Teile wieder zusammen, um sie anschließend vielleicht ein Stück versetzt an anderer Stelle in seine Klangskulpturen wieder einzusetzen. Mit seiner dunklen Stimme, die er zuweilen doppelt oder mit choraler Hintergrundbeschallung verstärkt, setzt er dazu die Akzente, um schärfere Ecken und Kanten in die repetitiven Sounds zu meißeln. Immer wieder verfangen sich aber auch hallende Todesseufzer in den Gebilden und lassen das Album vor allem im Herzstück „Dust, Flesh And Bones“ geisterhaft und verstiegen erscheinen. Matt Elliott singt hier vom Alleinsein, vom Gefühl, ganz bei sich und für sich zu sein. Umso spannender erscheint seine zum Ende hin immer grandioser wirkende Inszenierung: Die Chorstimmen fliegen wie Irrwische im Kreis um ihn herum, die Gitarre flirrt im gebrochenen Flamenco-Rhythmus und von ganz tief aus der Ferne bahnen sich Klangfetzen von Streichern und Blechbläsern ihren Weg in das Allerheiligste.

„If Anyone Tells Me ‘It’s Better To Have Loved And Lost Than To Never Have Loved At All’ I Will Stab Them In The Face” fängt die Stimmung des Albums mit traurigen, aber dennoch kraftvollen Klavierakkorden auf. Elliott mischt seinen Stücken auf „The Broken Man” ein geradezu pastorales Auftreten bei, Kirchenglocken inklusive. Wenn hier nach fast fünf Minuten Elliott zum ersten Mal beinahe quälend süßlich zu den gedämpften Pianotönen die Stimme erhebt, möchte man sich fast in Schwerelosigkeit ergeben und den schwermütigen Auftakt mit seiner bildhaften Melodik vergessen. Doch nach nicht mal zwei Minuten hat Elliott dann auch schon wieder der Worte genug gewechselt und lässt stattdessen der instrumentalen Improvisation freien Lauf. Er erinnert auf „The Broken Man“ mehr denn je an klassische Trauermusik, irgendwie spiegeln sich die Requien Verdis und Mozarts auf den Oberflächen der sieben Stücke, vermengen sich aber gleichermaßen auch mit den folkloristischen Elementen osteuropäischer und lateinamerikanischer Herkunft, die im Gegensatz zur vorangegangenen Trilogie nur noch silbrig schimmern.

Die anfangs noch in jeder Note verspürte Angespanntheit verliert sich im Laufe des Albums zusehends. Wirkte „Oh How We Fell“ noch wie der illegitime Bruder der gramgebeugten Stücke Josh T. Pearsons, vollzieht sich auf „The Broken Man“ zum Ende hin mehr als nur eine scheinbare Wendung. Allein die Tempoverschärfung bei „This Is For“ sorgt für Stimmungsaufhellung, die sich dann aber im abschließenden „The Pain That’s Yet To Come“ nicht vollends durchsetzen kann. Hier fliegen im wahrsten Sinne des Wortes noch ein letztes Mal die Fetzen, die den roten Faden des Albums ausgemacht haben und fügen sich so zusammen, wie es sich für einen Bildhauer gehört: gekonnt, aber mit genügend Unschärfe, um der Interpretation seines Schaffens genügend Spielraum mitzugeben.

75

Label: Ici d’Ailleurs

Referenzen: The Third Eye Foundation, DM Stith, Scott Walker, Boduf Songs, Lilium

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VÖ: 20.01.2012

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