GonjasufiMU.ZZ.LE

Mit seinem 2010 erschienenen Debüt „A Sufi And A Killer“ stellte der in der Mojave-Wüste residierende Yogalehrer Gonjasufi den Rezipienten vor einige Herausforderungen. Mit 20 Stücken in einer knappen Stunde bot das Album eine nur schwer zu kategorisierende Legierung, die sich nie zwischen ihren Hauptbestandteilen HipHop, TripHop und Downbeat entscheiden wollte und zudem einige Ausflüge in Bereiche wie Disco und Punk unternahm. Angereichert wurde das Ganze zusätzlich durch zumeist gesampelte Versatzstücke aus Roots Music, Ethnopop, Soul und Psychedelic.

Diese stilistische Flexibilität ist sicherlich auf die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus San Diegos HipHop-Szene hervorgegangenen DJ The Gaslamp Killer zurückzuführen, dessen Veröffentlichungen eine ähnliche Bandbreite an popkulturellen Referenzen aufbieten. Ganz im Sinne der von Simon Reynolds beschriebenen Retromania wanderte „A Sufi And A Killer“ durch den Irrgarten der Allusionen und mündete in der Fragmentierung der Vergangenheit. Nur einen YouTube-Klick vom nächsten musikalischen Bezugssystem und Jahrzehnt entfernt wirkte Gonjasufi sowohl aus der Zeit gefallen als auch klar im damaligen Heute verankert. Eine Gratwanderung, die wohl nicht zuletzt durch die Unterstützung von Flying Lotus ermöglicht wurde, der beispielsweise dem durch Harfensamples geprägten „Ancestors“ mit Hilfe von Sidechain-Compressing einen kontemporären Anstrich verlieh. Genau am Fehlen dieser Komponente krankt nun „MU.ZZ.LE“, das neue Mini-Album Gonjasufis.

Formal gesehen ist das Konzept das gleiche geblieben, auch diese Platte schafft es mit 10 Stücken auf gerade mal 25 Minuten Spielzeit. Doch diesmal hat Sumach Ecks, so Gonjasufis bürgerlicher Name, weitestgehend im Alleingang produziert. Die Stücke entstanden auf der letztjährigen Tour und verarbeiten die laut Warp Records durch Adrenalin, Aggression und Wut bestimmte Gefühlswelt Ecks. Auch wenn die genannten Emotionen nicht wirklich heraushörbar sind, wirkt das neue Material deutlich düsterer und introvertierter. Inhaltlich, so lässt Ecks verlauten, geht es ihm um eine “huge message“, die seine sozialen und politischen Anliegen vermittelt. Doch von einer spirituellen Überfütterung der Kunstfigur Gonjasufis abgesehen offenbaren sich auch diese nur schwerlich. Besonders, da Ecks‘ bekannte Mischung aus charmant-schiefem Singsang und kryptisch-bekifftem Gemurmel oftmals stark verzerrt eingesetzt wird und er sich insgesamt auf wenige, metaphorisch wirkende Sätze beschränkt.

Das Musikalische betreffend spricht Ecks in Interviews von einer Verdichtung dessen, was ihn als Künstler ausmache. Tatsächlich ist der stilistische Rahmen auf „MU.ZZ.LE“ ein wenig enger gezogen als auf dem Vorgänger. Konzentriert er sich doch, angefangen mit dem einige Bpm zu langsam abgespielten und durch einen Phaser verwischten „White Picket Fence“, über weite Strecken auf eine verhallte Lo-Fi-Ästhetik, die nicht selten so klingt als habe Ecks seine Plattensammlung zu lange im sonnebeschienenen Mojavesand liegengelassen. Samples aus Psychedelic Pop, Soul, Americana und Jazz legen sich in Form bruchstückhafter Reminiszenzen vergilbter Popkultur in dichten Rauchschwaden auf die schleppenden Beats und evozieren so nicht selten die Assoziation mit einer verspulten Version britischen TripHops (bspw. „Timeout“, „Skin“ oder „Blaksuit“). Dieser leicht anachronistisch wirkende Einschlag ginge soweit in Ordnung, würde nicht das Skizzenhafte der zumeist unter drei Minuten langen Stücke deren Raum zur Entfaltung beschneiden. Wo das Element des Fragmentarischen den Unterhaltungswert des Debüts aufgrund stilistischer Vielfalt noch deutlich steigern konnte, bleibt hier das Gefühl des Unfertigen.

Wohl auch deswegen funktioniert „MU.ZZ.LE“ in den Momenten am besten, in denen Ecks verhältnismäßig geradlinig agiert. Das mit einem rudimentär-stoischen HipHop-Beat unterlegte „Nikels And Dimes“ und das dezent-groovige „Blame“ setzen auf einfache harmonische Abfolgen flächiger Sounds und erzeugen vielleicht deshalb eine unvermittelbare, leicht verständliche Melancholie und Tiefe, die man in den verrauschten Skizzen ansonsten vergeblich sucht. So bleibt „MU.ZZ.LE“ eher eine verschwommen wirkende Momentaufnahme als das beständige künstlerische Manifest, das uns versprochen wurde.

64

Label: Warp

Referenzen: Tricky, Portishead, Flying Lotus, The Gaslamp Killer, Dan The Automator, DJ Shadow

Links: Homepage | Facebook

VÖ: 20.01.2012

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum