Während hierzulande sogar schon der Rückgriff auf 90er Jahre Crossover und pathostriefende Befindlichkeitslyrik als bahnbrechende Erneuerung gefeiert wird und man sich am Rande zum Westküsten-Underground immer noch darüber streiten kann, ob Tylers Exzesse nun die Rettung eines Genres oder nur die geschmacklosen Fantasien eines Spätpubertierenden abbilden, ist im amerikanischen Mainstream-Hip-Hop auch 2011 weit und breit kein Herausforderer zu sehen, der den beiden unstrittig größten Platzhirschen im Business derzeit gefährlich werden könnte. Schon gar nicht, wenn sich diese Beiden nun auch noch zusammentun um in Sachen Thronverteidigung gänzlich auf Nummer sicher zu gehen.

Was in der freien Marktwirtschaft wie ein klarer Fall für’s Kartellamt klingt, wirkt im Hip Hop zunächst einmal zutiefst vorhersehbar, denn ausnahmslos jeder zwischen 16 und 35 dürfte heutzutage wissen, was er von diesen beiden Schwergewichtern auch im Zusammenspiel erwarten kann. Wo Jay-Z den unverwundbaren und übermenschlichen Superman gibt, dessen überbordendes Selbstbewusstsein sich vor allem in größtmöglicher Souveränität und den besten Rapskills weit und breit ausdrückt, ist KanYe West eher ein mit allerhand technischen Gadgets aber auch allzu menschlichen Schwächen und Traumata ausgestatteter Batman mit latentem Hang zum Größenwahn. Die Widersprüche, die sich aus dieser Kombination ergeben, nehmen die beiden jedoch locker auf sich.

Tatsächlich ist auf „Watch The Throne“ weitestgehend drin, was drauf steht. Jedoch, und das ist die wirklich gute Nachricht, ohne allzu große Kompromisse in Richtung Radiopop zu machen oder nur auf den großen Singlehit zu schielen. Eine Tatsache, die das Album erfrischenderweise sogar ein Stück weit von KanYes letztendlich etwas zu sehr in höchste Popolymp-Höhen gelobten „Beautiful Dark Twisted Fantasies“ aus dem letzten Jahr abhebt. Die Beats pumpen hier nicht mehr ganz so bombastisch wie zuletzt und die Gästeliste fällt um einiges kürzer aus, als man das von den beiden Hip-Hop-Dons gewohnt ist. Im Gegenzug atmet vieles wieder den – natürlich dreist bei alten Legenden geborgten – Soul früherer KanYe-Produktionen, was mit der clever gesampleten Hommage „Otis“ gleich schon mal zur besten Jay-Z-Single seit langem führt. Noch besser ist „Murder to Excellence“, das den üblichen auf diesem Album zelebrierten Muskelspielen mit seiner klaren Botschaft eine ungewohnt ernsthafte Note verleiht und nur dadurch etwas abgewertet wird, dass anschließend mit „Made In America“ neoliberaler Siegerpathos der schlimmsten Sorte folgt. Da helfen auch Frank Oceans Gastauftritt und die wiederholte Anrufung der Brüder Martin, Malcolm und Co nichts. An anderen Stellen beweisen Jay-Z und West wiederum und einmal mehr erstaunliche Weitsicht über den eigenen Tellerrand hinaus, etwa wenn sich im lustigen Zotengedresche von „Ni**as in Paris“ plötzlich Dubstep-Elemente einschleichen. Das ist vielleicht nicht wirklich innovativ, beweist aber abermals wie nah am Zahn der Zeit sich die beiden, Arroganz hin, Größenwahn her, auch weiterhin bewegen.

Natürlich kommt auch „Watch The Throne“ nicht ohne die genreüblichen Machismen und Widersprüche aus. So fragt man sich be „That’s My B**ch“, ob einem musikalisch uneingeschränkt tollem Track inhaltlich mit etwas anderem als plumpen Sexismus nicht weit mehr geholfen wäre oder warum vor zwei Jahren ausgerechnet Jay-Z einen Track seines letzten Albums „Death Of Autotune“ nannte. Aber wer über solche Ambivalenzen nicht zumindest zeitweise hinwegsehen kann, der dürfte mit den Protagonisten dieser großangelegten und überwiegend ziemlich grandiosen Leistungsschau eh längst abgeschlossen haben. „Watch The Throne“ ist konventionelles aber handwerklich perfekt gemachtes Blockbusterkino und lässt als Mainstream-Hip-Hops State of the Art bis auf weiteres keinen Zweifel daran, dass die Thronverteidigung für diese beiden Herren eine mehr als sichere Angelegenheit darstellt. Ernstzunehmende Herausforderer werden immer noch händeringend gesucht.

78

Label: Roc-A-Fella / Def Jam

Referenzen: Kid Cudi, Big Boi, Nas, Lupe Fiasco, Pharrell, Lil‘ Wayne

Links: Homepage, Jay-ZKanYe West

VÖ: 12.08.2011

 

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