ZombyDedication

Das Label 4AD ist auf seine alten Tage noch einmal in Bewegung gekommen, die Koordinaten wurden erneut ein wenig verschoben. Längst ist das britische Projekt ein „Elder Statesman“ unter den einflussreichsten Indierock- und -pop-Bastionen und nach einer kleinen Schwächephase in den letzten Jahren spätestens seit 2010 mit Bon Iver, The National, Gang Gang Dance, Twin Shadow oder Deerhunter wieder breitbeinig und fest auf der Landkarte des Pop verankert. 2011 markiert nun eine Wende. Mit Inc. signte man jüngst einen den Prince-Funk dekonstruierenden Act aus Kalifornien, mit Joker und Zomby zwei Produzenten, die sich seit Jahren mit unzähligen Singles in der Bassmusik verdient gemacht haben: Zwischen Grime, Dubstep und Electronic.

Im Falle von Zomby war das bislang ebenso überbordend ravey wie tosend bunt. „Dedication“ zeigt hingegen einen gereiften Ansatz, konzentriert sich auf Nuancen und verliert dabei das große Ganze nicht aus dem Fokus. Zwar darf die Acid-Rave-Fanfare zwischendurch noch einmal ran, letztlich rückt sein Zweitling aber einen Schritt näher ans Heute und verliert sich hemmungslos wunderbar in den Möglichkeiten, die das Zeitalter, nennen wir es Post-Dubstep, so bietet. Bei aller Beat-Lastigkeit ist „Dedication“ keine Aufforderung an den Körper, es ist zuvorderst eine Aufforderung an den Kopf – und damit bricht Zomby sein eigenes Paradigma endgültig auf.

Diese Neuausrichtung gab vor wenigen Monaten bereits das ätherisch verschleierte „Things Fall Apart“ mit Panda Bears Waschmaschinen-Vocals vor, das aber nur in der klickerigen Kleinteiligkeit der Arpeggien seinen Stellvertretungscharakter für das Album findet. Dieser völlig unterkühlte digitale Rollsplitt, das fast schon metallisch blitzende Stieben ist die nahezu vollständige Absage an die Gefühligkeit, vielleicht sogar oberflächlich eine Absage an das Gefühl generell. Zomby ignoriert bewusst oft, dass die kürzeste Verbindung zwischen Song und Hörer von Empathie, Sympathie und melodischem Affekt geprägt ist und verlagert diesen Kanal unter die Oberfläche, tief hinein in die erstaunlich aufgeräumten Relais seines Laptops. Er sucht das Menschliche in den sublimen Verschachtelungen, die das Maschinelle und Digitale an die Oberfläche spülen.

Zomby – Natalia’s Song

Das narkotisch-betäubte 8-Bit-Stück „A Devil Lays Here“ zeigt diesen Twist aufs Herausragende, aber auch das verflochtene „Digital Rain“ spielt mit diesen Unterschwelligkeiten, die zum Ende des Albums hin mit Klaviersamples sukzessive zur Eindeutigkeit aufgebrochen werden. Stimm-Samples bleiben hingegen rar gesät. Und nie wird auf deren Verfremdung verzichtet, so dass sie entweder sehnsüchtig und unerreichbar scheinen oder sich fast flehend verzehren, wie das stimmliche Gewöll bei „Natalia’s Song“, das scheinbar ungewollt in die Höhe geworfen wurde und so eine beklemmende Atmosphäre schafft, die eisige Schauer über den Rücken jagt.

Das Vage markiert hier fast durchgehend einen Ankerpunkt, es sind Ahnungen des Nie-Ankommens, die das Album durchziehen. Zomby experimentiert mit verschwommenen Skizzen und einer stilistischen Choreografie, die sich einer Festlegung verweigert. Space-Feel, 2-Step, Grime, Electronic, Dubstep oder Ambient – „Dedication“ setzt sich mit großem Schwung zwischen die Stühle und erlabt sich an sprudenden Synthies und der euphorischen Berauschung („Black Orchid“ mit seiner tumben C64-Spielsucht) ebenso wie der melancholischen Schwere. Nur in den schwächeren Momenten genügt sich das Werk mit Subbass-Vibrationen als akustisches Stimulanzmittel. „Dedication“ rauscht dann nur so vorbei, vielleicht manchmal ein wenig zu unmerklich. Aber gerade in diesem Strom, der durch viele Zwischenspiele und Miniaturtracks ermöglicht wird, die das vielköpfige Werk nahtlos zusammenschmelzen lassen, liegt auch eine neue Kraft: Die Gewissheit, dass im elektronischen Bereich gerade die spannendsten Evolutionen stattfinden.

77

Label: 4AD

Referenzen: Untold, Ramadanman, Blawan, Kode9, Rustie, xxxy

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VÖ: 08.07.2011

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