Josh T. Pearson in Köln: "Hey Düsseldorf"

Keine Frage, der Kerl ist durch. Allein ein Blick auf die gemächlichen, wackeligen Schritte am Ende des Konzerts in diesem beschaulichen Wohnzimmer von einem Club lässt erahnen, dass Drogen nicht unbedingt zu dem zählen, was Josh T. Pearson in seinem Leben nicht ausprobiert hat.

Auf der Bühne des Studio 672 in Köln ein einziger Bart. Der gebürtige Texaner, nur mit Gitarre und Mikro vor den schüchtern Abstand haltenden, geschätzten knapp 40 Zuschauern positioniert, soll an diesem lauen Frühlingsabend fünf Songs spielen. Und später zurecht behaupten, dass seine Besucherzahlen in Deutschland durchaus noch Luft nach oben haben. Dabei gibt er sich alle Mühe. „Hey Düsseldorf!“ sind seine ersten, spitzfindigen Worte – doch die Kölner lassen sich nicht so leicht ärgern.

Leises Zuprosten statt klirrendes Anstoßen

Seine Stimme so dunkel, als würde sie durch sämtliche Barthaare gefiltert. Er ist schwer zu verstehen. Ein Typ, der gern nuschelt. Der Songs wie das brillante „Country Dumb“ seines nicht minder brillanten Albums “Last Of The Country Gentlemen” auch gern noch über die 10-Minuten-Marke ausdehnt, Geschwindigkeit rausnimmt, komplette Leerstellen einfügt und wenig später flüsternd ins Mikro haucht. Das Publikum schaut gebannt nach vorn, zollt dem in sich gekehrten Musiker vor ihm den nötigen Respekt. Selbst die geselligen Herren mit Bier zeigen Anstand: leises Zuprosten statt klirrendes Anstoßen.

Manchmal wird es kurzfristig doch etwas schneller – und vor allem lauter. Dies sind die Momente, in denen der Zeitweise-Berliner seine Gitarre beinahe vertrimmt. Der leicht übermütige Kollege rechts neben mir interpretiert das auf seine ganz eigene Art und ist sogar gewillt zu pogen. Überlegt es sich dann aber doch recht schnell wieder anders. „Woman When I’ve Raised Hell“ hat auch ihm den Zahn gezogen, sein plötzlicher Aktionismus wird von dem dunklen Blau des Raums geschluckt. Der Blick von vorne: mindestens mahnend.

I’ll play another smash hit

Pearson verliert seinen Humor trotz raumfüllender Melancholie zu keiner Zeit und kündigt sein letztes Stück mit einer Spur Zynismus an: „I’ll play another smash hit.“ Man glaubt ein kurzes Grinsen über das Gesicht huschen zu sehen. Das Publikum lacht. Und ist dankbar für einen kurzen Moment der Leichtigkeit. Wirklich bewusst wird den Zuschauern die Ansage wohl erst, als im abschließenden “Thou Art Loosed” die niederschmetterndste Interpretation von “Rivers Of Babylon” eingebettet wird. So hat diesen Song vorher sicher noch keiner gespielt. Was immer dieser Kerl durchgemacht hat seit Auflösung seiner Band Lift To Experience – er scheint an einem Punkt angekommen zu sein, an dem er nicht mehr so viel zu verlieren hat. Als er sich später zwischen die kleine Menge von Zuschauern mischt, möchte man ihn am liebsten stützen.

(Bilder vom Abend: Thomas Brill)

6 Kommentare zu “Josh T. Pearson in Köln: „Hey Düsseldorf“”

  1. Carl sagt:

    puh, das klingt, als wäre ich gerne dabeigewesen!

  2. Pascal Weiß sagt:

    Ja, Carl, echt schade, dass Du nicht dabei sein konntest. Aber irgendwie liegen wir hier ja langsam alle flach.

  3. Ann-Kathrin sagt:

    Sind es die Drogen, die ihn fertig machen? Oder ist es der Kummer? Oder ist es beides?

  4. Pascal Weiß sagt:

    Ich persönlich glaube ja, dass diese beiden Sachen in aller Regel voneinander abhängen. Allerdings kann der Kummer genauso gut Auslöser für den Konsum der Drogen sein wie es umgekehrt funktioniert;)

  5. Fridtjof sagt:

    Wunderbar wiedergegeben, genau so war es. Aber trotzdem ein netter Mann…

  6. Thor sagt:

    Trotzdem ein Super Musiker!
    Hier gehört das erste mal gehört:
    http://soundcloud.com/atlanticam/four-pigeons-vs-six-seagulls

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