Der Liedschatten (07): Heidi Brühl: "Wir wollen niemals auseinandergeh'n"

Kurze Frage: ewige Liebe gefällig? Na? Wie wär’s denn? Ja, „Muss das so sein? Immer nur Scheiden und Meiden, und immer nur Warten und Leiden?“, fragte der Komponist Michael Jary 1960 durch Heidi Brühl in „Wir wollen niemals auseinandergeh’n“, und welche Antworten werden die beiden wohl erhalten haben?

Ein kurzer historischer Exkurs oder: Gute Ehen und Homophobie

Schwer zu sagen, vermutlich und meist aber ein „Auseinandergehen? Wir sind doch verheiratet!“. Man schnappe sich ruhig einmal die Jahreszahl und fange an, die in sexueller Hinsicht mit Sicherheit größtenteils restriktiven Normen der damaligen Zeit anzuprangern und sich darüber auszulassen, wie schrecklich spießig die optimale Beziehung wohl ausgesehen haben mag. Ja, es wird keine feine Zeit für  Menschen gewesen sein, die ihr Leben nicht durch die allgemeine Vorstellung davon, welches Geschlecht seine Tätigkeit auf welche Seite der Hausschwelle zu beschränken habe, bestimmt sehen wollten. Ganz zu schweigen von Menschen, deren Liebe sich nicht so leicht in irgendwelche Schranken weisen lassen mochte.

So gab es zum Beispiel zwischen 1950 und 1969 über 100.000 Ermittlungsverfahren, die schwule Sexualhandlungen zum Gegenstand hatten, noch 1962 hieß es in einem Regierungsentwurf „Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde. […] Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“ Soso. Und weibliche Homosexualität? Die gibt’s nicht, ihnen wurde ja noch nicht einmal ihre Sexualität zuerkannt. Doch auch für den heterosexuellen Menschen dürften die akzeptierten Möglichkeiten zur Lebensplanung nicht frei von der restriktiven Intervention ihrer Eltern und derer Hirngespinsten in Sachen gesellschaftsdienlicher Reproduktion gewesen sein.

Fassen wir nun also einmal zwei potentielle damalige Antwortmöglichkeiten auf die Frage „Muss das so sein? Wollen wir denn nun auseinandergeh’n, scheiden, meiden, warten, leiden?“ zusammen.

1. Falls man verheiratet sein sollte: „Tja… was sollen die Leute dazu sagen? Gehört sich das? Das gehört sich nicht, und obendrein, wer ist denn dann schuld?“ (Anmerkung: bis 1977 musste im Falle einer Scheidung eineR der Ehepartner „schuldig“ sein, er oder sie bekam in keinem Fall das Sorgerecht und hatte keinen Anspruch auf Unterhalt.)

2. „Wenn man nicht verheiratet sein sollte: „Nein, wir wollen nicht auseinandergeh’n, aber wir könnten wohl, und das ist ja gut zu wissen… also, nicht dass ich… oder du vielleicht?“

Heidi Brühl „Wir wollen niemals auseinandergeh’n“, Juni – Juli 1960

dalida

Die Frage ist also, Sie haben es vielleicht bereits geahnt, eine rein rhetorische, in der Praxis konnte man sich entweder recht schwer trennen (die olle Ehe) oder aber man war halt ein Paar oder nicht, war man eins, hing’s davon ab, ob man noch verliebt ist oder sich liebt, devot, despotisch, oder sonst wie veranlagt ist … Da gibt’s ja die tollsten Konstellationen, und sie alle spielen in „Wir wollen niemals auseinandergeh’n“ keine Rolle, dort erstrahlt nur die reine Lehre: „Schenkt euch immer nur Liebe, schenkt euch immer Vertrauen, nichts ist so schön wie die Worte, die ewigen Worte: Mein Herz ist nur dein.“ Dafür ist der Schlager da, für die einfache Wahrheit oder das zotige Gründeln in kleinbürgerlichen Niederungen, auf die sich die Tyrannei des Mittelmaßes begründet.  Doch für den versöhnlichen Abschluss sei noch angemerkt, dass die gesangliche Leistung Heidi Brühls ohne mehr Schmalz als notwendig auskommt und durchaus kunstfertig ist, sie sich 1980 für den Playboy auszog und 1990 in der Jury der Mini Playback Show saß. Genug Strafe also für sie oder ihr Publikum, je nach Belieben.

Sollte ein Teil der für ihre Aufmerksamkeit zu lobenden Leserschaft nun immer noch nicht zufrieden sein und ihre Gedanken im unruhigen, trüben Fahrwasser des Wörtchens „Liebe“ verloren haben: George Harrison kennt sich damit bestens und damit auch besser aus, ebenso die grandiosen Lassie Singers.

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