Alles harmonisch an der Küste: Hundreds im Interview

Jetzt, wo die Tage unangenehm kurz und das Klima so richtig fies zu werden beginnen. Wo man aufpassen muss, beim unausweichlichen Tritt in die nächste Pfütze nicht direkt am Boden festzufrieren, macht es doch umso mehr Freude in Erinnerungen zu schwelgen und an die zwar auch nicht gänzlich trockene, aber zumindest sommerlich warme vergangene Festivalsaison zurückzudenken.

Dazu gehörte neben den altbekannten Fixsternen wie Melt! und Haldern in diesem Jahr bereits zum dritten mal auch das Bootboohook zu Hannover. Hier sorgten nicht nur feine Konzerte von Hochkarätern wie The Notwist (einer ihrer besten und spielfreudigsten Auftritte seit langem), The Go! Team oder Hot Chip vor der Hauptbühne für einigermaßen ausgelassene Stimmung, sondern auch die Hamburger Newcomer von Hundreds für melancholisch kühles Ambiente bei gefühlten 80°C im nicht weit davon entfernten winzigen Mephisto-Club. Zu ansprechenden Visuals und elektrifizierend pluckernden Beats musste man sich hier entscheiden, ob man nun lieber tanzen oder schwelgen wollte. Dem zurückhaltenden Charme von Sängerin Eva konnte man sich aber in beiden Fällen kaum entziehen. Wir trafen sie kurz vor dem Konzert noch zu einem kurzen Plausch über große Geschwister und die noch viel größere Anziehungskraft des Meeres.

Du machst mit deinem Bruder zusammen Musik – vielleicht nichts Ungewöhnliches, aber für viele, die ebenfalls Geschwister haben, nur schwer vorstellbar. Habt ihr euch schon immer so gut verstanden?

Also ich fand Philip schon immer toll. Er ist ja auch sechs Jahre älter. Da fällt es einem leichter seinen großen Bruder toll zu finden, obwohl ich glaube, dass ich ihn zeitweise auch ganz schön damit genervt habe. Der Vorteil war wahrscheinlich, dass er schon relativ früh, damals war ich 12, von zu Hause ausgezogen ist und so sind wir dann ziemlich schnell Freunde geworden. Ich durfte ihn dann immer besuchen, als er schon Klavier studiert hat. Wenn er noch länger zuhause geblieben wäre und wir beide pubertär, weiß ich allerdings nicht, was passiert wäre.

Habt ihr denn das Gefühl, dass ihr anders zusammenarbeitet, gerade weil ihr Geschwister seid?

Ja, ich denke schon, dass das so ist. Bei Phillip und mir läuft ziemlich viel auf nonverbaler Ebene, auch weil wir uns beide sehr ähnlich sind in unserer Sicht auf die Welt und die Dinge, worüber wir uns in der Vergangenheit auch schon sehr viel ausgetauscht haben. Deswegen müssen wir viele Kämpfe, die andere Bands so haben, erst gar nicht untereinander ausfechten. Dass man sich beispielsweise streitet, wie ein Schlagzeug jetzt klingen soll oder so, dafür ist bei uns bei uns einfach kein Potential, auch weil die musikalischen Vorstellungen sich mit der Zeit sehr stark aneinander angenähert haben.

 Und dir war es auch nie unangenehm, eine Band mit deinem Bruder zusammen zu habe?. Für viele ist es ja zum Beispiel viel schlimmer, auf Festen vor der Familie Gitarre spielen zu müssen, als vor einer großen Halle mit lauter anonymen Gesichtern.

Also ich fand die Familienfeste früher auch schlimm. Das ist ja auch auf jeden Fall eine Tortur. Aber nein, es ist mir nicht unangenehm.

Ihr seid als Hamburger Band auf Sinnbus, einem Label, das man sehr stark mit Berlin assoziiert. Wie kam es dazu?

Unser Management, zwei gute Freunde von uns, sitzt in Berlin und ist auch mit dem Umfeld von Sinnbus befreundet und die haben uns dann fleißig empfohlen nach dem Motto: „Hört euch doch mal Hundreds an!“ Was sie dann natürlich erstmal nicht gemacht haben. Und dann gibt es da diese Geschichte, dass sie die CD von uns schließlich doch noch irgendwo gefunden haben und daraufhin zu einem wirklich winzigen Konzert von uns, das eigentlich nur für Freunde gedacht war, nach Hamburg gefahren sind. Und da saßen sie dann nachher auf dem Sofa und haben uns ihre Zusammenarbeitet angeboten. Für mich war das ein ganz großer Moment, weil ich schon immer gerne zu Sinnbus wollte. Das ist eben so ein Liebhaber-Label, wo es tatsächlich nur um die Musik und nichts anderes geht.

 Sinnbus steht ja für einen ganz bestimmten Sound, irgendwo zwischen Postrock und Elektropop. Ein anderes Label hier in Deutschland wäre da natürlich auch Morr Music. Ihr werdet manchmal mit Lali Puna verglichen. Seht ihr euch da in einer bestimmten Tradition?

Ja, würde ich schon sagen. Wir haben beide früher sehr viel The Notwist gehört und das zweite Album von Lali Puna liebe ich auch total. Ich höre natürlich auch ganz viel anderes Zeug aber wenn man nach Deutschland schaut, fallen solche Vergleiche logischerweise leicht, weil es in dem Bereich auch nicht so viel anderes gibt.

 Die Unterwasseraufnahme auf eurem Albumcover, Songtitel wie „I Love My Harbour“ oder „Song For A Sailor“. Welchen bestimmten Bezug habt ihr zu diesen maritimen Themen oder dem Thema „Wasser“ an sich?

Das auf dem Cover bin übrigens ich und als diejenige, die auch die Texte schreibt, bin ich selbst jedenfalls sehr versessen auf das Meer. Ich bin zwar leider viel zu selten dort aber von Hamburg braucht man ja nur eine Dreiviertelstunde und da fahr ich dann manchmal einfach an einem Samstag- oder Sonntagmorgen los um mich ans Meer zu setzen und zu schauen. Es übt einfach eine besondere Anziehungskraft auf mich aus, wie ins Feuer zu starren, das wirkt ja nach einer bestimmten Zeit auch hypnotisierend. Und das Meer strahlt einfach so eine Ruhe und Weite aus, dass man gut zum Nachdenken kommt. Es hat natürlich auch einen Grund das wir beide nach Hamburg gezogen sind. Der Hafen und diese Weite, ja das spielt ganz bestimmt eine große Rolle bei uns.

 Und dann schreibst du deine Texte auch ganz klischeehaft romantisch, wenn du von einem langen Tag am Meer zurückkommst?

Nicht unbedingt. Da kann ich auch gar keine Regelmäßigkeiten feststellen. Das fällt mich meistens an, was auch mal um zwei Uhr nachts im Halbschlaf passieren kann.Ich habe halt immer bestimmte Themen, die mich beschäftigen. Das können Probleme von Freunden, Bilder im Kopf oder ein Buch, das ich gerade lese, sein. Die trage ich dann eine Zeit lang mit mir herum und schiebe sie im Kopf hin und her und meistens entsteht daraus dann irgendwann ein Songtext.

Und wenn ihr danach zu zweit an den Songs sitzt, seid ihr euch sofort einig? Es gibt wirklich keinerlei Diskussionen oder Kämpfe?

Nein, das klingt zwar relativ öde, ist aber wirklich so harmonisch. Also wir haben ja alles zuhause aufgenommen und da saßen wir dann schon auch oft zusammen und haben diskutiert aber wirklich uneins waren wir uns nie. Philip meint auch immer, wenn er mal nicht weiter wüsste, käme ich und würde das ganze in die richtige Richtung biegen. Andersherum hilft er mir aber auch oft weiter, wenn ich mal irgendwo dran verzweifle. Die Lieder basieren ja im Prinzip auch nur auf Klavier und Gesang. Da gibt es dann auch gar nicht soviel Grundlage für Streitigkeiten.

Hundreds – Let’s Write The Streets | Live at Babylon, Berlin

 Das selbstbetitelte Debütalbum von Hundreds ist bereits Ende April bei Sinnbus erschienen. Zu den hundert damals von uns aufgelisteten Gründen, diese Band zu mögen, sind seitdem bestimmt noch einige hinzugekommen.  Wer sich davon live überzeugen will, dem seien zusätzlich folgende Termine ans Herz gelegt:

  • 08.12.10 (Mi) in Stuttgart (Wagenhallen)
  • 09.12.10 (Do) in Leipzig (Centraltheather)
  • 10.12.10 (Fr) in Jena (Kulturbahnhof)
  • 11.12.10 (Sa) in Dresden (Scheune)
  • 17.12.10 (Fr) in Hamburg (Kampnagel)
  • 01.01.11 (Sa) in Berlin (Volksbühne)

 

Ein Kommentar zu “Alles harmonisch an der Küste: Hundreds im Interview”

  1. […] auf jeden Fall auf die Bands hinweisen, die auch bei Sinnbus sind. Charlotte: Absolut! Bodi Bill, Hundreds, I Might Be Wrong. Ter Haar, die lohnen sich […]

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