Krumm und dunkel: Grinderman & Anna Calvi in Köln (15.10.)

Was seltsamerweise nicht mit in die Berechnungen aufgenommen wurde: Das BVB-Spiel, das man ärgerlicherweise heute verpassen sollte, ist – natürlich, in Köln. Abwechslungsreiches Programm liefert somit schon die Bahnfahrt, hat einer glatt das „falsche“ Bier in der Hand – und hey, bei solch sensiblen Themen sollte man doch nun wirklich etwas toleranter sein – so wird gleich mit Prügeln gedroht. Aber darüber wird an diesem Abend nur spöttisch gelacht. Schließlich wartet mit Grinderman ein Ungetüm, das es vermutlich sogar mit Keyser Soze aufnehmen würde. Pitschnass wird das E-Werk mit einem kleinen Umweg (mein etwas arg gemütlicher Kollege hat einfach nicht rechtzeitig auf den „Öffnen“-Knopf gedrückt) erreicht. Aber von nun an ist Schluss mit lustig.

Denn Anna Calvi läutet einen morbiden, dunklen Abend ein. Kein Wunder, dass Domino sich rechtzeitig um die Dienste der etwas anderen jungen Dame und ihrer beiden Weggefährten Daniel Maiden-Wood und Mally Harpaz gekümmert hat: Selbstbewusst und eigenwillig, wie sie die Gitarre spielt, zudem dieser auffallend knallig rote Mund als Markenzeichen – und dazu auch noch eine Art teuflischer Indie-Tango-Rock, aus der Ecke einer schrägen Singer-/Songwriterin interpretiert. Das beeindruckt das dichtgedrängte Publikum, das an diesem Abend wohl von Schamhaarlosen bis zu Weißhaarigen reicht. Anna Calvi allerdings zeigt sich weniger beeindruckt von dieser großen Menge, es wirkt fast schon routiniert, wie sie das großartige und vor zwei Wochen schon beim Tape auf Touren angepriesene „Jezebel“ auf das Publikum loslässt. Wenn auch nicht so böse wie Nick Cave oder Warren Ellis – sie taucht das E-Werk dennoch in ein schauriges, mystisches Dunkel. Und bleibt auf jeden Fall im Hinterkopf, bis wir uns Anfang des nächsten Jahres über das Debütalbum freuen dürfen.

Im Anschluss allerdings ist Geduld angesagt, die vier Herren von Grinderman lassen sich demonstrativ viel Zeit. Auch als die Bühnenarbeiten schon längst abgeschlossen sind, ist von der Band vorerst nichts zu sehen. Also geht man eben noch mal zur Theke und darf sich an Gil Scott-Heron erfreuen, der gerade aus den Lautsprechern zu hören ist. Irgendwann aber, fast eine knappe Stunde später, wird es dunkel in der Halle. Wie könnte es anders sein: Als letzter der Band betritt Nick Cave die Bühne, positioniert sich in der Mitte und gibt von Beginn an den geisteskranken Bunny Munro – umgeben von drei Vollbärtigen aufreizend frisch rasiert. Schon zu Beginn bei „Mickey Mouse And The Goodbye Man“ sucht Cave immer wieder die Nähe zu Warren Ellis. Oder zum Publikum. Er starrt einzelne Zuschauer in den ersten Reihen an, richtet den Finger auf sie, geht direkt an den Bühnenrand und streckt die Hände aus. Und wenn er diese auch noch über ihre Köpfe legt, hat es den Anschein, als würde der Teufel die gierige Meute höchstpersönlich segnen.

Während Drummer Jim Sclavunos oder Basser Martyn P. Casey die ruhigen Zeitgenossen mimen, scheint Ellis auf der Bühne eher der extrovertierten Sorte anzugehören: Wenn er nicht gerade auf seine Violine eindrischt, krümmt und beugt er sich angsteinflößend im Kreis. Spätestens bei „No Pussy Blues“ treibt es Cave endgültig in den Wahnsinn. Hat er sich am Anfang noch halbwegs im Zaum, gerät das Stück nach einem grässlichen Schrei ins völlige Chaos und verliert sich kurzfristig in einer schmutzigen Orgie von Krach. Nachdem Cave die Ärmel hochkrempelt, ein so friedfertiges wie für ihn eben gerade mögliches „No Pussy Blues“ ins Mikro flüstert und er die Zuschauer zum Mitklatschen anheizt, stampft er wie ein tollwütiger Bulle über die Bretter und reißt den Song in Stücke. „It’s getting hard to relaxxx“ brüllt er später in „Kitchenette“ hasserfüllt in die Masse – es mag ihm in diesem Moment sicher niemand widersprechen, auch seine Entschuldigungen („Sorry for having my crotch in your face“) nimmt man besser an. Dabei können sich Grinderman wie in „Man On The Moon“ auch von ihrer sanften Seite zeigen. Zum Abschluss aber das alte Bild: Das auf Platte vergleichsweise harmlose „Grinderman“ als eine von vier Zugaben (mein Kollege fragt mich gerade, was der – außer, dass man zwischendurch nochmals abgefeiert wird – Sinn einer von Vornherein bis ins kleinste Detail durchgeplanten Dreingabe ist) macht noch mal mächtig auf dicke Hose, als Cave die Gitarre auch dann noch quält, als diese längst aufgegeben hat und der psychopathische Ellis dazu mit zwei Rasseln ein Becken vertrimmt.

Puh, erstmal durchschnaufen. Draußen gießt es in Strömen, die Nässe schluckt lechzend jede einzelne Lichtquelle.

Ein Kommentar zu “Krumm und dunkel: Grinderman & Anna Calvi in Köln (15.10.)”

  1. Sören sagt:

    No Pussy Blues = Bester Song der Welt

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