Wild Nothing: Stimmen aus der Peripherie

Der amerikanische Bundesstaat Virginia kann nicht unbedingt mit urbanen Ballungsgebieten aufwarten. Mit gerade mal 438.000 Einwohnern ist Virgina Beach schon die größte Stadt in der Region. Jack Tatum wuchs in Williamsburg auf, einer Kleinstadt mit circa 10.000 Einwohnern, die im Südosten des Staates liegt. Wenn man in solch einer Region aufwächst, leidet man entweder unter der bürgerlichen Tristesse, die so typisch für solche Vororte ist, oder man begeistert sich für die ausladende Natur, die mit der niedrigeren Bevölkerungsdichte einhergeht. Bei Jack Tatums Soloprojekt Wild Nothing scheint ein bisschen von beidem durchzuschimmern, allerdings gelingt es dem jungen Mann – wie kaum jemandem zuvor – dieses Gefühl der amerikanischen Mittelschichts-Tristesse in ein solch weit gespanntes Panorama zu transportieren.

Die musikalischen Mittel, derer sich Tatum dabei bedient, sind bei weitem nichts Neues. Trotzdem zeugt sein Debütalbum Gemini von einem tiefen, musikalischen Verständnis. Die Referenzen, größtenteils in den Achtzigern zu verorten, werden nicht einfach als Mittel zum Zweck herausgegriffen, sondern empathisch weitergesponnen. Nebelige Synthesizerschwaden und verhallter Gesang fügen sich zu einem ätherischen Klangbild, das von dezent in den Hintergrund gemischten Drumloops und flüchtigen Chorus-Gitarren vorangetrieben wird. Der entrückte Gesang skandiert dabei allerlei verträumte Herzensangelegenheiten, die im devoten und introvertierten Tonfall vorgetragen werden. „Where are you going? Can I come with you? I dont feel right, when you’re not here“ heißt es etwa auf „Bored Games“, wobei die offene Naivität dieser Zeilen fast schon wieder putzig wirkt. Der geballte Eskapismus dieser Platte kann – in höheren Dosen – durchaus anstrengen, verliert dabei aber nie die Authentizität. Der erhöhte Einsatz von Drumcomputern und Synthesizern verleitet schnell dazu, Wild Nothing in ein Reihe mit Washed Out, Toro Y Moi und anderen Protagonisten der „gekühlten Welle“ zu stellen, Berührungspunkte findet man aber viel eher bei Bands wie den Cocteau Twins, The Cure oder auch Slowdive.

Jack Tatums Schaffen beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Revival-Dreampop von Wild Nothing, als Jack and the Whale (Nicht zu verwechseln mit Noah and the Whale) gibt er auch mal den folkigen Songwriter. Und auch das gelingt ihm, wenn auch nicht mit der Perfektion seiner Shoegaze-Exkursionen. Des weiteren ist der 21-jährige als Sänger in der Band Facepaint aktiv, die sich ebenfalls dem leichtfüßigen Indiepop verschrieben hat, es aber ein bisschen sonniger zugehen lässt. Ihre aktuelle EP darf man sich hier für lau herunterladen. Diese bietet zugleich einen Einblick in das Universum von Jack Tatum, einem jungen Mann, den man nicht aus den Augen verlieren sollte.

„Gemini“ ist am 25. Mai auf Captured Tracks erschienen

Links: Wild Nothing, Facepaint, Jack and the Whale

6 Kommentare zu “Wild Nothing: Stimmen aus der Peripherie”

  1. René sagt:

    Schöne Platte! Bin gespannt auf die Live-Umsetzung im August! :)

  2. Sven sagt:

    Wirklich toll! Diese Sachen funktionieren live meist noch besser.

  3. […] Nun ist das Album Gemini von Wild Nothing auf Captured Tracks erschienen und der erste Track des Albums hat mich so gefangen, dass ich bisher noch immer nicht durch das ganze Album gekommen bin. Der Auftouren-Blog hat mich zudem darauf Aufmerksam gemacht, dass Jack Tatum nicht nur der Künstler hinter Wild Nothing ist, sondern noch weitere Eisen im Feuer hat. Lest euch mal den Artikel durch, dort gibt es auch einen Download Link zu Jack Tatums Projekt Facepaint […]

  4. […] seinen populärsten Exporten – Wild Nothing, Craft Spells, Beach Fossils, neuerdings DIIV – ergibt sich schnell ein stereotypes Bild von […]

  5. […] Nothings Debüt „Gemini“ war einer dieser erfreulichen Glücksfälle, dem seine vermeintlichen Nachteile zur besonderen […]

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