Zuweilen ist nichts langweiliger als Abwechslung, nichts beliebiger als ein origineller Gedanke. Die erste Idee hat man schnell, und rasch folgen weitere, sie stehen sich im Weg, stolpern und purzeln wild durcheinander. Es kann vorkommen, dass sich Menschen für begabt halten, weil sie sich einer Idee nicht konzentriert annehmen können, um sie  geduldig wachsen zu sehen und ihr Raum zu geben, sondern lieber schnelle gedankliche Haken schlagen, die jede Spur verwischen. Was dabei entsteht, ist selten cool, denn Coolness ist Stagnation, abwartend und unaufgeregt. The Raveonettes sind cool.

Bereits bei der ersten Veröffentlichung, der EP „Whip It On“, wurde man konfrontiert mit Zeilen wie „Lipstick On My Face / Thunder In The Sky“, und ähnliche, nun ja, Szenarien finden sich seither auf jeder Veröffentlichung der Raveonettes, daran hat sich auch auf „In And Out Of Control“ nichts geändert. Hier bestimmen Verlangen und Angst eine Welt, in der das Staunen über die Größe und Macht des eigenen Empfindens nichts gleichmütig sehen lässt. Die Hingabe ist tief bis zur Schmerzhaftigkeit, die Enttäuschung schneidend, der Hass lodert gerecht, man pflegt seine Gefühle. Der Exzess ist ein ernsthaftes Anliegen und verhilft zur Flucht in die Selbstzerstörung, die notwendig wird durch die Ignoranz einer brutalen, selbstsüchtigen und vor allem lieblosen Welt. Aber: der letzte Tanz gehört dem oder der Liebsten, jedoch gilt auch „Break up girls! / you might like it“. Selbstbestimmung ist nach wie vor ein zentrales Thema und kulminiert in der Forderung „Boys who rape / should all be destroyed.“, und so plakativ dieser Satz auch ist, man mag Sun Rose Wagner und Sharin Foo nicht zuletzt wegen der textlichen Griffigkeit, die auch dann ein Äquivalent in der Musik findet, wenn es rauscht und lärmt wie auf dem Vorgänger „Lust Lust Lust“. Zwar ist die aktuelle Veröffentlichung um einiges poppiger ausgefallen, doch noch immer scheinen The Raveonettes wie eine Band aus den 80ern klingen zu wollen, die versucht, die Attitüde einer Band aus den 60ern zu kopieren, die sich an den musikalischen Idealen der 50er orientiert. Das mutet wirr an? Nun, um so klarer dürfte Ihnen die Musik vorkommen, die diesen Ausführungen zu Grunde liegt, trotz zeitweiligen Lärmens ist sie recht schlicht und alles andere als komplex. Und so bleibt am Ende einzig die Frage stehen: Warum klangen The Magnetic Fields auf ihrem letzten Album („Distortion“) ein klein wenig wie The Raveonettes, warum klingen The Raveonttes nun ein klitzeklein wenig nach den Magnetic Fields, und vor allen Dingen, wo soll das hinführen?

70

Label: Fierce Panda

Referenzen: The Kills, The Hong Kong, Black Rebel Motorcycle Club, The Jesus And The Mary Chain, A Place To Bury Strangers, The Cramps, The Manhatten Love Suicides, Sad Day For Puppets

Links: Homepage / Myspace

VÖ: 09. 10. 2009

Ein Kommentar zu “Rezension: The Raveonettes – In And Out Of Control”

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