The Screenshots2 Millionen Umsatz Mit Einer Einfachen Idee
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Label:
Musikbetrieb R.O.C.K
VÖ:
16.10.2020
Referenzen:
Tocotronic, Die Ärzte, Dinosaur Jr. Weezer, The Libertines
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Autor: |
Kai Wichelmann |
The Screenshots spielen die Energiekarte aus und reißen dich rein in ihren eigenständigen Kosmos aus Euphorie, Witz und melancholischer Schlagseite. Bestes deutschsprachiges Gitarrenalbum des Jahres. Punkt.
Eddie Argos ist Vorsteher der werten Band Art Brut. Dieser wurde mal nach seiner Lieblingsband gefragt. Dazu sagte er: „Egal welche Fragen ich an das Leben stellte, The Indelicates haben für mich immer die passende Antwort parat.“ Welches Getränk? The Indelicates. Welcher Partner ist der Richtige? The Indelicates. So ging das weiter, in unnachahmlicher Manier. Sympathischer Nebeneffekt: Argos protegierte damals eine Gruppe, die noch deutlich nischiger war (und blieb) als seine eigene Band. The Screenshots sind insofern eine ähnliche Gruppe wie The Indelicates, weil sie das Leben in all seinen Facetten abbilden und die eigene Überprüfung der Positionierung zu Dingen möglich machen. Im Anzug in die Schule, mit Christian-Lindner-Swag? Nein. In der spießigen Vorstadtsiedlung enden? Nein. Auch wenn The Screenshots in vielen Stücken rein deskriptiv bleiben, ziehen sie den Hörer zumindest immer in einen Energiekanal aus verschiedensten Gefühlsaggregaten hinein.
Damit ist auch der Vorwurf ausgeräumt, die Gruppe – bestehend aus Susi Bumms (Bass), Dax Werner (Sänger) und Kurt Prödel (Schlagzeug) – sei letztlich ein ironisches Projekt. Zwar treiben die drei Ihr Unwesen auf Twitter, einem eben nicht ironiefreien Raum, doch außer dem recht ironischen und dazu noch sehr spaßigen wie gesellschaftskritischen Titel der Platte, ist das Anliegen in diesen Indie-Rock-Songs ein facettenreiches. Aber eben kein ironisches, denn Ironie trifft eben selten das Herz. Schon bei den frühen Stücken auf den ersten EPs der Band („Ein Starkes Team“, „Übergriff“) wie „Alles Tut Weh“ war immer auch Platz für treibende Melancholie. Da kann sich die Gruppe gerne einen Spaßsong wie „Snacks“ erlauben, wenn dann im nächsten Stück „Ich War Niemals Wirklich Da“ fast schon zornig jugendliches Außenseitertum verhandelt wird. Richtig rührend wird es in dem Smiths-artigen Dengellied „Die Welt Geht Noch Nicht Unter“, das den aktuell ambivalenten Zustand der Welt auf zärtliche Art und Weise abbildet.
Dennoch muss es trotz des Versuchs, die Dinge theoretisch einzuordnen, am Ende heißen: Es ist einfach GEILE Rockmusik. Die Kombination aus der Stimme Werners und den treibenden Gitarren (in Teilen angenehm an den Sound der frühen Tocotronic erinnernd) geht direkt ins Herz. Und die Ironie? Die bleibt bei Twitter.